Halbleiterproduktion Finale im Intel-Poker: Bund will Ansiedlung mit fast 10 Milliarden Euro fördern

Am Montag geht es im Gespräch zwischen Kanzler Scholz und Pat Gelsinger um Milliardensubventionen. Quelle: imago images

Der Deal zur geplanten Intel-Ansiedlung in Magdeburg ist in trockenen Tüchern. 9,9 Milliarden Euro ist das der Bundesregierung wert. Die Strategie des US-Konzerns geht nicht nur in Deutschland auf.    

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Rund 6000 Jahre alt sind die Gräber, die neulich auf dem Eulenberg entdeckt worden sind, die Überreste sind noch als schwarze Spuren im Lössboden zu sehen – doch dort, wo Bagger gerade noch die Vergangenheit freischaufeln, soll bald schon die Zukunft entstehen: zwei Chipfabriken will der US-Konzern Intel auf der Ackerfläche am Rande Magdeburgs bauen. Nach monatelangem Streit um die Finanzierung ist das Vorhaben nun finalisiert.

Die Bundesregierung unterstützt die Ansiedlung des US-Chipherstellers in Sachsen-Anhalt mit 9,9 Milliarden Euro. Demnach investiert Intel einschließlich staatlicher Hilfen damit mehr als 30 Milliarden Euro. Die Aufstockung der staatlichen Hilfen muss von der EU-Kommission allerdings noch genehmigt werden.

Am frühen Montagnachmittag traf dann Intel-Chef Pat Gelsinger zum Treffen mit Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt ein, um das Geschäft zu besiegeln. Wer hat jetzt den besseren Deal gemacht? Das ist nicht nur in der Regierung heftig umstritten.

Erpressung auf die feine amerikanische Art?

Der US-Konzern pokerte. Die Bau- und Energiekosten seien deutlich gestiegen, statt 17 Milliarden Euro würde der Bau nun 27 Milliarden Euro kosten, deshalb müsse auch die Bundesregierung ihre Förderung erhöhen, so lautete die Argumentation von Intel dem Vernehmen nach. Und zwar auf 9,9 Milliarden Euro, wie unter anderem das „Handelsblatt“ zuvor berichtet hatte. 

Erpressung auf die feine amerikanische Art? Das Unternehmen machte offensichtlich klar: ohne weitere Milliarden gibt’s keine Fabrik. Und im Übrigen: auch andere EU-Länder haben schöne Ackerflächen. Intel heizte damit einen weiteren Konflikt in der Regierung an: Lässt sich Deutschlands industrielle Zukunft herbeisubventionieren – und falls ja, zu welchem Preis?

Nicht zu jedem, machte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner klar. Mehrfach machte er deutlich, dass im Haushalt kein weiteres Geld für die Intel-Förderung vorhanden sei. Für ihn stelle sich auch „die Sinnfrage“, so Lindner. „Ein US-Unternehmen, das acht Milliarden Dollar Nettogewinn gemacht hat, ist kein natürlicher Empfänger von Steuergeld. Da sind Fragen erlaubt.

Auch FDP-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger war gegen eine Erhöhung der Mittel. „Zusätzliche Subventionen darf es nicht geben“, sagte sie der WirtschaftsWoche. Ohre Frage würden Deutschland und Europa mehr Chip-Kapazitäten brauchen, dabei spiele auch Intels Ansiedelung in Magdeburg eine wichtige Rolle. „Wir dürfen den Subventionswettlauf allerdings nicht weiter anheizen, schon gar nicht angesichts der angespannten Haushaltslage.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hingegen will Intel gerne in Magdeburg sehen. Halbleiterproduktion sei von großer Bedeutung, betonte er mehrfach – und setzte dabei auf die Unterstützung des Kanzlers, der die Subventionsschatulle nun offensichtlich weit öffnen lässt. Punkt für Habeck.

Geld aus der goldenen Schatulle 

Allerdings dürften die Zusatzmilliarden wohl nicht aus dem Haushalt fließen, sondern aus einem Sondervermögen. Mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) und dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) verfügt das Wirtschaftsministerium über gleich zwei solcher goldener Töpfe, aus denen diverse Zukunftsprojekte finanziert werden sollen, etwa auch der umstrittene Industriestrompreis und die soziale Abfederung für den Heizungstausch im Zuge des Gebäudeenergiegesetzes.

Ob die Verschiebung der Coronamilliarden in den KTF aber rechtmäßig war, muss demnächst erst noch das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage der Unionsfraktion entscheiden. Die Entscheidung dürfte sich dann auch auf den WSF auswirken, aus dem bisher erst ein Bruchteil der „Doppelwumms“-Milliarden abgerufen worden ist.

Aber nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit soll die Halbleiterproduktion massiv gefördert werden. Im Rahmen des „European Chips Act“ sollen 43 Milliarden Euro fließen, um den weltweiten Marktanteil der EU bei Halbleitern auf 20 Prozent zu verdoppeln. 

Mogelpackung Chips Act 

Allerdings gilt der Chips Act als Mogelpackung, weil aus dem EU-Haushalt nur 3,3 Milliarden Euro fließen, der Rest wird aus nationalen Subventionen und private Investitionen hochgerechnet, wobei es sich nur teilweise um frisches Geld handelt.

So oder so will Intel offensichtlich erheblich von den Plänen profitieren. Denn auch in anderen EU-Ländern zieht der US-Konzern Fabriken und Standorte hoch. Mit Italien ist der Konzern im Gespräch über ein Verpackungswerk, in Frankreich soll der europäische Hauptforschungs- und Entwicklungsstandort des Unternehmens entstehen, in Spanien ist eine Zusammenarbeit mit dem Supercomputing-Center in Barcelona angedacht. In Irland betreibt Intel bereits seit 1989 einen Campus.  


Frisch verkündet wurde am Freitag, dass Intel auch im polnischen Breslau ein Werk bauen will, in dem Chips getestet und montiert werden sollen. 4,4 Milliarden Euro will der Konzern investieren, auch Wafer aus Magdeburg könnten dann dort weiterverarbeitet werden, ebenso Chips aus den geplanten Halbleiterfabriken von Infineon und TSMC in Dresden.

Gelsinger lobt „hungrige Polen“ 

Warum die Fabrik dann nicht gleich in Sachsen-Anhalt oder Sachsen gebaut wird? Wohl auch, weil weitere Subventionen für Intel kaum freigegeben worden wären – in Polen gab es hingegen offensichtlich noch Geld zu holen. „Polen war einfach ein bisschen hungriger, den Zuschlag zu erhalten“, sagte Intel-Chef Gelsinger am Freitag bei der Bekanntgabe der Pläne. Demnach haben sich mehrere Länder für das Werk beworben, zur Höhe der Subventionen in Polen machte der Konzern keine Angaben.  

Auch in den USA werden neue Fabriken von Intel mit Steuergeld unterstützt. Die Amerikaner stecken 53 Milliarden Euro in den Ausbau der Produktion von Halbleitern, ohne die heute kaum noch ein elektronisches Gerät auskommt. 

Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen wollen sich die USA wie auch die EU unabhängiger machen von den globalen Lieferketten. Der Großteil der technisch besten Halbleiter kommt derzeit aus Taiwan, das von China zunehmend bedroht wird.

31 Mikroelektronik-Projekte werden gefördert 

Deutschland will den Mikroelektronik-Ausbau deshalb auch mit einem weiteren Programm fördern. Im Rahmen eines IPCEI-Vorhabens (Important Project of Common European Interest) fließen insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro in 31 Projekte aus 11 Bundesländern (siehe Grafik), vier Milliarden Euro Subventionen kommen dabei von Bund und Ländern. Die geplanten Halbleiterproduktionen von Infineon in Dresden und Wolfspeed im saarländischen Ensdorf fallen unter dieses Programm, nicht aber die Ansiedlung von Intel in Magdeburg, die unter dem ChipsAct-Dach läuft.


Im Wirtschaftsministerium wurde am vergangenen Freitag bereits frohlockt, dass auch dieser Deal mit den Amerikanern nun bald verkündet werden kann. Das Ministerium arbeite „intensiv auf einen Lösungskorridor hin“, hieß es aus Regierungskreisen.

Intels Ansiedlung sei für die „Transformation und die technologische Souveränität von großer Bedeutung“, wobei dabei auch die Förderhöhe passen müsse. Intel wollte sich am Freitag weder zur Höhe der Subventionen noch zum Gespräch am Montag im Kanzleramt äußern.

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Kurz vor dem Treffen mit Gelsinger konnte sich Scholz am Montag jedenfalls schon mal thematisch einstimmen, er sprach beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin, wo es unter anderem um die Frage ging: Wie gelingt die Zukunftswende?     

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