Haushalt 2025 Die Ampel kämpft um die 25-Milliarden-Euro-Lücke – und um ihre Zukunft

Ob und wie handlungsfähig die Koalition ist, muss sie ab diesem Donnerstag beweisen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Bis zum 2. Mai müssen alle Ministerinnen und Minister ihre Einsparpläne für den Haushalt 2025 bei Kassenwart Lindner einreichen. Jetzt starten die Verhandlungen – und die bisher größte Bewährungsprobe für die Ampel.

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In diesem Moment würde man gerne in Robert Habecks Kopf gucken. Wie er da so sitzt in der ersten Reihe in einem dämmrig-blau ausgeleuchteten Festsaal in Hannover und zuhört. Auf der Bühne ist Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger dabei, der Politik im Allgemeinen ins Gewissen zu reden und dem Bundeswirtschaftsminister im Besonderen – der Grüne ist an diesem Dienstag als Ehrengast geladen zum Arbeitgebertag der Chemieindustrie, da muss er jetzt durch.

Er halte nichts vom Schlagwort Deindustrialisierung, sagt Unternehmer Dulger, und wenn seine Firma in der Krise stecke, würde er nicht zuerst ans Abwandern oder Zusperren denken. Aber eben auch nicht an einen Kredit. Stattdessen müssten die Kosten runter. Die Botschaft dahinter ist unüberhörbar: Reißt Euch zusammen in Berlin, spart und bringt einen ordentlichen Haushalt auf den Weg. „Es braucht jetzt entschlossenes politisches Handeln“, sagt Dulger. Und direkt an Habeck gewandt fügt er hinzu: „Sie müssen jetzt handeln – das würde ich mir wünschen.“ Dafür gibt es Applaus. Und Habeck? Schweigt. Fürs Erste.

Deadline 2. Mai 

Ob und wie handlungsfähig die Koalition ist, muss sie ab diesem Donnerstag beweisen. Bis zum 2. Mai hatten die Ministerinnen und Minister Zeit, ihre Ausgaben- und Einsparpläne für den Haushalt 2025 bei Kassenwart Christian Lindner (FDP) einzureichen. Eigentlich sollte das schon bis zum 19. April passieren, doch nachdem einige Ressorts mehr Zeit erbeten hatten – offenbar vor allem die grün geführten Ministerien für Wirtschaft, Familie, Umwelt und Landwirtschaft sowie das Auswärtige Amt – verlängerte der Finanzminister die Frist um zwei Wochen. Die Ausgabenwünsche dürften in der Zeit allerdings nicht wesentlich kleiner geworden sein.

Dabei müssen für 2025 rund 25 Milliarden Euro eingespart werden, um einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit des Klima- und Transformationsfonds hatte eine Milliarden-Lücken in die Budgetpläne der Ampel-Koalition gerissen. Schon der Haushalt 2024 konnte nur nach wochenlangem Streit im Januar beschlossen werden – und damals ging es „nur“ um 17 Milliarden Euro. Jetzt muss fast das doppelte eingespart werden. Anders als für den Haushalt 2024 sind alle Rücklagen aufgebraucht und viel mehr Zeit gibt es nicht für eine Einigung. Rund 425 Milliarden Euro soll der Haushalt umfassen, bis Juli soll die Einigung stehen – die Verhandlungen dürften die größte Belastungsprobe der Ampel-Koalition werden. Ob sie die packt?

Habeck erwartet keine „erfreuliche Operation“

„Dass das eine erfreuliche Operation wird, sollte niemand glauben“, sagte Habeck am Dienstag in Hannover. „Und diesmal ist die Lücke größer. Da muss man ehrlich sein: Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.“

Die „Bild“-Zeitung hatte kürzlich eine Streichliste veröffentlicht, demnach müsste Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) mit rund fünf Milliarden Euro am meisten sparen, gefolgt vom Auswärtigen Amt unter Annalena Baerbock (Grüne), dem Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sowie Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Mehr ausgeben dürfen dagegen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD). Aber wo konkret soll wie viel gespart werden? Und ist nicht hier und da doch noch ein bisschen mehr drin?



Fifty-Fifty stehe die Chance, dass sich die Regierung auf einen Haushalt einigen können, heißt es aus dem hochrangigen Umfeld der Grünen. Nur? Immerhin, meint derjenige. Das Problem: Ausgabenwünsche gibt es viele – doch was Priorität haben sollte, darüber könnte sich die Ampel-Koalition entzweien.

Sparen? Paus will Milliarden mehr ausgeben

Die Grünen wollen beispielsweise Prestigeprojekte wie die Kindergrundsicherung durchsetzen, für die Familienministerin Lisa Paus eine neue Behörde mit 5000 Beamten hochziehen will.  Statt laut Plan 873 Millionen einzusparen, will sie dafür lieber 2,3 Milliarden Euro mehr ausgeben.

FDP-Chef und Finanzminister Lindner will dagegen die Wirtschaft entlasten und dafür beispielsweise den Soli abschaffen, eine Maßnahme, die allein rund 12 Milliarden Euro kosten würde und deshalb kaum eine Chance auf Umsetzung hat.

Zugleich haben Lindner und Habeck aber ein Entlastungspaket für die Wirtschaft versprochen angesichts der „dramatischen“ (Habeck) und „peinlichen“ (Lindner) Wirtschaftsentwicklung in Deutschland. Nach der Rezession mit einem Minus von 0,3 Prozent konnte Habeck die Wachstumsprognose für 2024 gerade zwar leicht anheben von 0,2 auf 0,3 Prozent – aber das kann der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt freilich nicht genügen.

Habeck will „den Stier bei den Hörnern packen“

„Wenn ich jetzt also könnte, wie ich wollte, dann würde ich sagen: Lass uns den Stier bei den Hörnern packen und jetzt investieren wir“, sagte Habeck vergangene Woche bei einer Veranstaltung der Zeitung „HNA“ in Kassel. Es müsse ein Signal dafür geben, dass es sich jetzt wieder lohne, „in Deutschland zu investieren, weil wir ein kurzfristiges, aber wuchtiges Entlastungsprogramm, ein steuerliches Entlastungsprogramm, machen“, erklärte Habeck. „Das würde jetzt den Impuls geben, dass es wirklich losgeht.“

Wachstum auf Pump finanzieren? Da macht Lindner nicht mit, er fordert eine „Sozialstaatswende“ und Einsparungen im sozialen Bereich, etwa durch eine Gestaltung des Bürgergeldes, die Empfänger mehr zu Arbeitsaufnahme anreizt. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnt hingegen, dass Deutschland nicht „mit dem Fingerspitzengefühl eines Investmentbankers“ regiert werden dürfe – dabei schauen sich doch gerade die Investmentbanker die Zahlen immer ganz genau an.   

Lindners 9-Milliarden-Euro-Liste 

Habecks Forderungen, Kühnerts Empörungen und der 12-Punkte-Plan der FDP für eine „Wirtschaftswende“ sind nur eine Ouvertüre für die Verhandlungen, die die sich durch die nächsten Wochen und Monate ziehen. Dem Auftakt zuzurechnen ist ebenso eine Streichliste mit 21 Subventionen, die in den vergangenen Tagen aus Kreisen des Finanzministeriums kursierte und über die das „Handelsblatt“ berichtete. Es geht um ein Einsparpotenzial von rund neun Milliarden Euro.  

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von Daniel Goffart, Christian Ramthun

Es geht demnach etwa um Steuerbefreiungen von Nacht- Sonntags- und Feiertagszuschlägen, den ermäßigten Steuersatz auf Kulturgüter und Steuerbefreiungen für Forstwirte. Die Ideen sind nicht neu – aber jetzt wieder strategisch neu platziert zum Beginn der Haushaltsverhandlungen. Doch wie heikel Subventionskürzungen sind, hatten schon die Verhandlungen zu Haushalt 2024 gezeigt. Bauern protestierten wochenlang gegen die Kürzungen beim Agrardiesel, die Ampel-Koalition knickte schließlich ein.     

Proteste wie bei den Bauern wären absehbar

„Jede Subvention sollte einen Sinn haben, sonst dürfte es sie nicht geben – und wenn das Ziel erreicht ist oder keine Priorität mehr hat, dann müssen sie abgeschafft werden“, sagt Tobias Hentze, Leiter des Themenbereichs Staat, Steuern und Soziale Sicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln: „Aber man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass das ohne Proteste gehen wird“, erklärt er: „Wenn Subventionen gestrichen werden, an die sich die Menschen über Jahrzehnte gewöhnt haben, dass dann wird das wie eine Steuererhöhung wahrgenommen.“

Hentze geht davon aus, dass die Proteste wieder heftig werden dürften gegen mögliche neue Subventionskürzungen – und sie bei den Koalitionspartnern ohnehin kaum durchzusetzen wären, beispielsweise gerade mit Blick auf den Pflegebereich und die Zuschläge für Nacht-, Feiertags- oder Sonntagsarbeit. Lindner erklärte am ersten Mai über die Plattform X, dass „niemand“ plane, die Zuschläge für die Nacht- und Wochenendarbeit voll zu versteuern. Im Gegenteil. Er wolle Fleiß „belohnen, nicht bestrafen“.    

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