Industriestrompreis Gut für die Industrie, aber wacklig finanziert

Quelle: Getty Images

Die Industrie bekommt eine Senkung beim so wichtigen Strompreis. Die Bundesregierung bleibt trotzdem bei der Schuldenbremse – und baut stark auf die psychologische Wirkung dieser Steuersenkung. Ein Kommentar.

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Die Industrie bekommt also eine Senkung beim so wettbewerbsentscheidenden Strompreis. Und die Bundesregierung bleibt trotzdem bei der schwarzen Null, der Schuldenbremse im Haushalt hält. Alles klar, alle zufrieden? Was die drei verhandelnden Regierungsleute Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und  Finanzminister Christian Lindner (FDP)  den Unternehmen in Deutschland nun anbieten, soll ihnen in der Konkurrenz zu Betrieben in Ländern mit geringeren Energiekosten helfen.

Es soll trotzdem zum Stromsparen in einem knappen Markt anspornen und eine Stütze sein, die den Bundeshaushalt nicht belastet und hoffentlich zudem in wenigen Jahren ausläuft.

Wie das gehen soll? Nun, die Bundesregierung hat dem Ruf der Industrie nach Subventionen nachgegeben, aber nicht so wie Habeck es mit einem gesicherten Strompreis für größere Industriebetriebe wollte. Es ist eher ein marktnahes Modell, weil Steuern gesenkt werden. Das hat einige Vorteile, auch was den Anreiz zum Stromsparen und Investieren in erneuerbare Energiequellen angeht.

Die Finanzierung wackelt gewaltig 

Doch bleibt die Regierung nicht nur schuldig, wie das Ganze auf zunächst fünf Jahre angelegte Paket ab 2026 bezahlt werden soll. Es setzt vorher auch bereits stark auf die Finanzierung aus dem Nebenhaushalt des Klima- und Transformationsfonds (KTF). Was aber, wenn der der noch diesen Monat vom Bundesverfassungsgericht in seiner jetzigen Form gekippt werden sollte?   

Nun wird also die Stromsteuer fürs produzierende Gewerbe insgesamt gesenkt, von knapp zwei Cent die Kilowattstunde aufs europäische Mindestmaß von 0,05 Cent je Kilowattstunde. Davon profitieren nicht nur große Industriekonzerne wie bisher beim befristeten Spitzenausgleich, sondern auch der Mittelstand und Handwerksbetriebe wie Bäcker. Das könnte im Jahr sechs bis sieben Milliarden Euro kosten, die als Steuer weniger im Etat landen. Gezahlt werden könnte die Differenz aus den Versteigerungen von Offshore-Flächen für die Winderzeugung durch den Bund. Die Erlöse waren zuletzt erfreulich hoch.

Noch zusätzliche Hilfe sollen 350 Großunternehmen erhalten, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden. Für sie soll die Strompreiskompensation um fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden.

Dazu kommt noch eine Gruppe von rund 90 besonders stromintensiven Unternehmen, die noch stärker bei den indirekten CO2-Kosten im Strompreis entlastet werden sollen. Die beiden letzteren Teile sollen aus dem KTF gespeist werden, ein Nebenhaushalt, der beim Wirtschaftsressort angesiedelt ist. Insgesamt könnten 2024 in Deutschland so Entlastungen von bis zu zwölf Milliarden Euro für alle Unternehmen zusammenkommen.

Deindustrialisierung abgewendet?

Nun also dürfte tatsächlich die drohende Deindustrialisierung abgemildert werden. Praktisch und psychologisch sind dafür die Voraussetzungen ganz gut. Hohe Energiekosten dürften aber dauerhaft ein Thema für Branchen wie die Chemieindustrie, die Grundstoff- und Metallindustrie sein. Die Megawattstunde kostet hier bisher dreimal so viel wie in den USA oder Kanada, in der EU liegt Deutschland im mittleren Feld.  



In der Ampel loben sich nun alle Beteiligten und werten die Einigung als eigenen Erfolg. Finanzminister Christian Lindner von der FDP kann die Schuldenbremse als gerettet bezeichnen. Kanzler Olaf Scholz von der SPD lobte verlässliche Bedingungen am Standort Deutschland. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sieht die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gesichert.

Die Ungerechtigkeit ist schon erkennbar

In den kommenden Jahren werden wir allerdings auch die Probleme solcher Programme spüren. Es wird Ungerechtigkeiten geben zwischen Unternehmen, die eine besondere Unterstützung bekommen und anderen, die eben nicht mehr als solche gelten, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen. Der Innovationsdruck zu mehr Energieeffizienz wird schwächer sein als ohne staatliche Stütze. Und weil die Energiepreise in Deutschland dennoch wohl dauerhaft recht hoch sein werden, bleibt die Frage, ob fünf Jahre tatsächlich eine realistische Zeit sind, ehe die Unterstützung wegfällt. 

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Wenn nicht schon, wie gesagt,  das Bundesverfassungsgericht in der kommenden Woche einen Strich durch die geplante Finanzierung macht.

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