Laut dem aktuellen Insa-Meinungstrend kommt die Verteidigungsexpertin und FDP-Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Liste der beliebtesten Politikerinnen und Politiker Deutschlands auf den beachtlichen Platz 4. Während der rhetorische Leisetreter und Bundeskanzler Olaf Scholz ganz unauffällig auf dem viertletzten Platz von zwanzig herumdümpelt.
Dabei ist Strack-Zimmermann ja nicht gerade für Friede, Freude und Fünfe gerade sein lassen bekannt. Die Frau ist angriffslustig und lässt nicht locker. Riskiert es, auch mal zu nerven. Und das in einem Land, von dem es heißt: Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich Harmonie.
Wie macht sie das? Und vor allem: Lohnt es sich für Sie, sich von der „StraZi“-Rhetorik etwas abzugucken?
Das wäre für Sie dann eine Überlegung wert, wenn Sie bei sich feststellen:
Ich habe eine Beißhemmung. Um die gute Stimmung zu wahren, rücke ich zu oft von meiner Position ab.
Ich möchte nicht anecken. Es ist mir wichtig, von allen gemocht zu werden.
Ich befürchte, unsympathisch zu wirken, wenn ich auf meinem Standpunkt beharre. Ich will dadurch keine Nachteile haben.
Wenn Sie also gerne nachgeben um des lieben Friedens willen, obwohl Ihnen das mitunter eher schadet als Vorteile bringt, dann gucken Sie mal, wie es die Strack-Zimmermann macht.
1. „Es geht mir um die Sache.“
Es ist leicht, Leuten, die robust auftreten, vorzuhalten, sie seien eben begnadete Selbstdarsteller und es gehe ihnen vorrangig ums eigene Standing. Das Rampensau-Phänomen: „Da hört sich aber jemand gerne selber reden.“
Nach meiner Erfahrung haftet vor allem denjenigen dieses Image an, bei denen man nicht genau weiß: Wozu erzählt er das gerade eigentlich? Was ist das Ziel? Der Überbau? Die Motivation?
Strack-Zimmermann betont regelmäßig, warum sie sich nicht leisten kann, klein beizugeben: Wenn sie den Kanzler für seine Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen kritisiert, obwohl ihre Partei ja an der Regierung beteiligt ist, dann macht sie immer klar: Es gehe ihr um das Überleben der Ukrainer als Vorkämpfer für unsere Freiheit. Im Umkehrschluss heißt das auch: Es geht mir nicht um mich.
Tipps für die perfekte Rede
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Reden Sie nie ohne Plan. Auch wenn Sie sich im Thema blind auskennen – überlegen Sie sich ganz genau, wie Sie Ihren Zuhörern die Informationen vermitteln wollen.
Machen Sie sich Stichwörter auf Moderationskarten. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zum monotonen Ablesen.
Verzichten Sie auf lange Handouts oder eine vollgestopfte PowerPoint-Präsentation – Folien oder Charts sollen den Vortrag unterstützen und ihn nicht überflüssig machen.
Was wollen Sie erreichen? Bauen Sie eine Beziehung zu ihrem Publikum auf und verzichten Sie auf Belehrungen von oben herab. Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie deren Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, falls eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Als Europawahl-Kandidatin sagt sie: „Ich bin ein totaler Europa-Freak. Und ich sage Ihnen auch warum.“ Dann erzählt sie vom Glück der jungen Bundesrepublik, damals in die westlichen Bündnisse eingebettet gewesen zu sein. Wenn sie dann mit Vehemenz gegen diejenigen wettert, denen sie unterstellt, sie wollen gewählt werden, um Europa von innen zu zerstören, dann glaubt man ihr leichter: Der geht es wirklich um Europa, nicht nur um ihre Karriere.
Natürlich geht es uns irgendwie immer um die Sache, wenn wir vor Publikum auftreten. Aber machen Sie das auch immer klar und deutlich. Dann können Sie sich umso mehr „Rotz“ leisten. Weil es ja im Sinne der Sache ist. Und so betrachtet billigt man Ihnen deutlich mehr Angriffslust zu.
2. Schildern Sie sich selber in ruppigen Bildern, aber als „jemand wie wir“
Sie können resolut und schlagkräftig auftreten, solange das Publikum das gut findet. Sonst verlieren Sie es. Also sorgen Sie dafür, dass das Publikum selbst bei radikalen Forderungen und ruppiger Ausdrucksweise denkt: „Sehe ich eigentlich auch so.“ So wirkt Ihre Angriffslust inspirierend.
Strack-Zimmermann hat auf dem Dreikönigstreffen der FDP erzählt: „Wer glaubt denn, dass, wenn Putin Erfolg hat, er aufhört? Wer ist denn noch so naiv, das zu glauben? Mir sagte neulich eine Frau: Also, zwischen Weihnachten (Anm: also den Feiertagen) hätte es ja auch mal ein Moratorium geben können. Mein Gott, dieser Stress ist ja nicht mehr zu ertragen. Da habe ich gesagt: Rufen Sie doch in Moskau an. Damit Sie keinen Stress haben.“
In dieser kleinen Anekdote wirkt Strack-Zimmermann, als sei ihr der Konflikt mit der anderen Frau egal. Das wirkt streitbar. Doch das Publikum kann ihre Haltung nachvollziehen und applaudiert. Ihre undiplomatische Reaktion wurde ihr also „genehmigt“.
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Wenn Sie also Schlagkraft und Unerbittlichkeit demonstrieren wollen, lassen Sie nicht als erstes das Publikum darunter leiden. Sondern sorgen Sie für Zustimm-Momente, indem Sie Ihre Angriffslust in nachvollziehbaren Bildern und Anekdoten schildern. Strack-Zimmermann vergleicht Ungarn wegen Viktor Orbán mit einem verstrahlten Onkel, neben dem an Weihnachten fast niemand sitzen möchte. Und das Publikum stimmt zu – und alle sind wahrscheinlich froh, nicht selber im Fokus der rhetorischen Angriffe zu stehen.
3. Zeigen Sie Ihren Ärger – aber empören Sie sich nicht immer gleich
Der Unterschied zwischen Ärger und Empörung ist, dass sich der Ärger aus der Unzufriedenheit mit der Sachlage speist, während eine Empörung aus meiner Sicht immer auch ein sittliches Urteil beinhaltet. Es sind dann eben auch Gefühle verletzt und das wollen Sie nicht auf sich sitzen lassen, weil Sie das nicht nötig haben. Irgendwie so.
Es ist schwer zu greifen, das gebe ich zu. Ich sage es kurz: Seien Sie nicht beleidigt, sondern halten Sie in der Sache gegen.
Der StraZi-Stil wäre es zumindest. Als ihr jemand während der Rede im Opernhaus in Stuttgart von den oberen Rängen dazwischenruft, als sie fordert, Europa müsse im Zweifel auch militärisch zusammenstehen, antwortet Sie nicht: „Seien Sie ruhig. Ich rede jetzt!“, sondern sie kontert in der Sache: „Hören Sie genau hin.“ Und erklärt dann weiter ihr Anliegen. Den Blick hoch in die Ränge. Lauter, mit mehr Gestik, mit direkter Ansprache. Aber in der Sache.
4. Keine Scheu vor deftigen Ausdrücken – dosiert
Viktor Orbán bekomme 10 Milliarden Euro, damit er „für fünf Minuten aufs Klo geht“ (also einmal nicht mit abstimmt). Das geht ja noch.
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Strack-Zimmermann spricht ansonsten vom Kuscheln mit dem größter Verbrecher unter der Sonne (Putin) von auskotzen oder dass bald die „Kacke hier am dampfen“ sein könnte. China sei ein System, „dass uns am langen Ende verschlucken will. Das muss man einfach wissen“.
5. Zeigen Sie Ihren Humor
Am Dreikönigstreffen der FDP bekommt Strack-Zimmermann zu ihrem Auftritt erwartungsfrohen langen Applaus. Sie beginnt lächelnd, indem sie den Zuspruch abmoderiert: „Meine Damen und Herren, ich habe ja noch gar nichts gesagt.“
(Gelächter aus dem Publikum)
„Aber ich merke, Sie sind gut drauf, und da bin ich Ihnen dankbar.“
Fazit
Wenn Ihnen das Publikum glaubt, dass die Sache Ihnen eine Herzensangelegenheit ist, dann billigt es Ihnen Ihre Angriffslust zu.
Wenn Sie sich als rabiat präsentieren wollen, konfrontieren Sie damit nicht das Publikum, sondern lassen Sie es daran teilhaben, wie Sie es sonst so tun.
Ärgern Sie sich über Sachfragen, aber zeigen Sie sich nicht beleidigt oder empört.
Kraftausdrücke sind kein Tabu, wenn Sie sie als seltenes Stilmittel einsetzen und nicht gerade ausdrücken, dass Sie sich schon den ganzen Tag drauf gefreut haben.
Und zeigen Sie, dass Sie auch witzig sein können und über sich selber lachen können.
Dann wird man Sie für Ihre Energie beneiden.
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