Kindergrundsicherung 2025 Bundesregierung beschließt Kindergrundsicherung – die wichtigsten Fragen und Antworten

An einer Ausgabestelle der Leipziger Tafel e.V. geht eine Frau mit einem Kind mit gespendeten Lebensmittel nach Hause. Quelle: dpa

Die Ampel hat die hart umkämpfte Kindergrundsicherung Berichten zufolge beschlossen. Doch wie viele arme Kinder gibt es in Deutschland wirklich und welche Leistungen bekommen sie bereits? Die wichtigsten Antworten.

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Die Bundesregierung hat nach monatelangem Streit ihr zentrales Vorhaben zur Bekämpfung von Kinderarmut auf den Weg gebracht. Das berichten die Nachrichtenagenturen „dpa“ und „Reuters“. Künftig sollen bisherige Leistungen wie Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder und Kinderzuschlag gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und eine zentrale Plattform sollen auch Familien erreicht werden, die bisher aus Unkenntnis oder wegen bürokratischer Hürden ihnen zustehendes Geld nicht abrufen. Der Gesetzentwurf muss nun noch Bundestag und Bundesrat passieren.

Der Gesetzesentwurf ist ein großes Streitthema der Koalition: Wie soll die Finanzierung der Kindergrundsicherung gesichert werden? Worum geht es – und wie unterscheiden sich eigentlich bisherige Hilfen von der Kindergrundsicherung? Wie steht es dabei um Kinderarmut in Deutschland? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Debatte.

Kindergrundsicherung: Worüber stritt die Ampel?

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Christian Lindner (FDP) stritten nach der Sommerpause um Geld für ihre Prestigeprojekte: Die Kindergrundsicherung und das sogenannte Wachstumschancengesetz. Mit Letzterem soll der deutschen Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden – es enthält Steuererleichterungen, die die Wirtschaft um jährlich rund sechs Milliarden Euro entlasten sollen.

Die Kindergrundsicherung wiederum soll mehrere Förderungen bündeln, die Grünen wollen die Leistungen auch ausweiten. Vor allem sollen die Mittel des seit 1. Januar 2023 eingeführten Kinderzuschlags von 250 Euro besser abgerufen werden. Bisher stellen nur rund 35 Prozent der Berechtigten einen Antrag.

Geeinigt hat man sich nun laut Gesetzentwurf auf folgenden Finanzrahmen: Für das Startjahr 2025 werden wegen der Kindergrundsicherung Mehrausgaben von etwa 2,4 Milliarden Euro eingeplant. Bei steigender Inanspruchnahme durch die geplante bessere Übersichtlichkeit könnten die jährlichen Mehrkosten auf bis zu sechs Milliarden Euro im Jahr 2028 anwachsen.

Was ist die geplante Kindergrundsicherung?

Grundsätzlich soll die Kindergrundsicherung die bisherigen Leistungen wie Kindergeld oder Kinderzuschlag bündeln. Laut Koalitionsvertrag soll es ab 2025 die Kindergrundsicherung geben. Diese besteht dann aus einem fixen Beitrag, den alle Familien erhalten und einem flexiblen Zusatzbeitrag. Vor allem finanziell schlechter gestellte Familien sollen davon profitieren. Denn bisher mussten jegliche Zuschüsse einzeln beantragt werden. So erreicht etwa der heutige Kinderzuschlag in Höhe von maximal 250 Euro im Monat nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums etwa jedes dritte anspruchsberechtigte Kind nicht. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) spricht im Zusammenhang mit der Kindergrundsicherung daher auch vom „Einstieg in die Bekämpfung strukturell verfestigter Kinderarmut“.

Mit dem Konzept der Kindergrundsicherung möchte das Bundesfamilienministerium drei Ziele erreichen:

  1. Schutz vor Armut und bessere Chancen für Kinder und Jugendliche
  2. Mehr armutsgefährdete Familien erreichen und so verdeckte Armut bekämpfen
  3. Familien Antrag und Alltag erleichtern


Wie steht es um die Kinderarmut in Deutschland?

Kinder und Jugendliche sind die Gruppe von Menschen, die in Deutschland am ehesten von Armut betroffen sind. Drei Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, also rund 22 Prozent, waren im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt armutsgefährdet. Bei den jungen Erwachsenen von 18 bis 24 Jahren waren es 1,55 Millionen, was rund 25 Prozent entspricht.

Besonders betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden: 2022 waren 25,5 Prozent der Alleinerziehenden mit Kindern armutsgefährdet. Bei zwei Erwachsenen mit einem Kind waren es dagegen 8,6 Prozent. Als armutsgefährdet gelten Personen, die in Haushalten leben, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte beträgt. 2022 lag der Wert bei Alleinerziehenden mit einem Kind beispielsweise bei 1546 Euro. Bei Paarhaushalten mit einem Kind unter 14 Jahren liegt die Schwelle bei 1748 Euro.

Bundesfinanzminister Christian Lindner lenkt die Debatte vor allem auf Kinderarmut in Familien, die 2015 nach Deutschland eingewandert sind. Während die Zahl insgesamt bei fast jedem vierten Kind liegt, so ist bei Kindern mit Migrationshintergrund jedes dritte Kind armutsgefährdet. Laut Bundeszentrale für politische Bildung waren 2021 53 Prozent der ausländischen Kinder sogar mehrheitlich einem Armutsrisiko ausgesetzt.

Welche staatlichen Hilfen gibt es bereits für Kinder aus armen Familien?

Mit dem Kindergeld, dem Kinderzuschlag und dem Kinderfreibetrag gibt es bereits einige staatliche Hilfen. Experten kritisieren allerdings genau das. Denn viele Familien wissen nicht, was ihnen zusteht.

Das Kindergeld erhält jede Familie. Pro Kind zahlt der Staat 250 Euro monatlich, solange das Kind unter 25 Jahre alt ist und sich noch in der Ausbildung befindet.

Außerdem gibt es das sogenannte Bürgergeld für Kinder. Leben Kinder mit in einem Haushalt, in dem Arbeitsuchende Anspruch auf die Grundsicherungsleistung haben, erhalten die Kinder ebenfalls Bürgergeld. Allerdings dürfen die Kinder ebenfalls nicht erwerbsfähig sein – das ist in Deutschland bei Kindern unter 15 der Fall. Je nach Alter zahlt der Staat 318 bis 420 Euro Bürgergeld.

Wie entwickelt sich die Anzahl der Kinder, die Bürgergeld beziehen?

Die Zahl der auf Bürgergeld angewiesenen Kinder und Familien, die schon länger in Deutschland leben, geht laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von Juli seit Jahren zurück. Die Zeitung hat dafür Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewertet. Die Gesamtzahl der Kinder, die von Bürgergeld leben, stagniere bei etwa zwei Millionen, weil durch Fluchtmigration laufend neue Familien nach Deutschland und dadurch zumindest anfänglich in den Bürgergeldbezug hineingekommen seien, so die „FAZ“: Der Auswertung zufolge ist die Zahl deutscher Kinder im Bürgergeld seit 2015 von fast 1,6 Millionen auf zuletzt eine Million gesunken. Allerdings seien seither mehr als 580.000 geflüchtete Kinder neu in das System migriert, darunter über 270.000 Kinder, die aus der Ukraine seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs nach Deutschland gekommen sind. Zuvor kamen von 2015 bis 2019 laut der „FAZ“ mehr als 300.000 Kinder aus Syrien, Irak, Afghanistan und den anderen Asylherkunftsländern neu ins Bürgergeld hinein.


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Der Kinderzuschlag ist für Kinder aus Familien mit einem geringeren Einkommen. Der Staat finanziert diese Leistung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Den Familien steht ein Beitrag von maximal 250 Euro zu. In der Regel wird der Kinderzuschlag für sechs Monate genehmigt, danach muss er neu beantragt werden.

Eine weitere staatliche Unterstützung ist der Kinderfreibetrag. Die Freibeträge werden über die Einkommensteuererklärung der Eltern berechnet. Allerdings bekommen die Eltern nur Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder. Was einer Familie zusteht, wird vom Finanzamt geprüft. Die Prüfung läuft ohne einen Antrag automatisch ab.

Zudem gibt es weitere staatliche Förderungen wie das Elterngeld. Diese werden aber nicht mit in die Kindergrundsicherung fließen.

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Wie unterscheiden sich die bisherigen Hilfen und die geplante Kindergrundsicherung voneinander?

Grundsätzlich umfasst die neue Kindergrundsicherung die alten Leistungen und baut sie aus – Kindergeld, Bürgergeld für Kinder, Wohngeld und der Kinderzuschlag sollen zusammengefasst werden. Dadurch soll zusätzlich das Antragsverfahren vereinfacht und digitaler werden. Und auch die Aufklärung über die zusätzlichen Ansprüche soll über erweiterte Beratungsmöglichkeiten verbessert werden.

Wie viel Geld erhalten die Familien mit der Kindergrundsicherung?

Konkret ist folgendes geplant: Ein sogenannter Garantiebetrag wird für alle Kinder ausgezahlt. Er löst das heutige Kindergeld (aktuell 250 Euro pro Monat) ab. Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, sollen diesen Garantiebetrag direkt bekommen – anders als das Kindergeld heute, das in der Regel an die Eltern geht. Zu diesem Garantiebetrag hinzu kommt je nach Bedürftigkeit ein Zusatzbeitrag, nach Alter gestaffelt und je nach Einkommenssituation der Eltern. Je weniger sie verdienen, desto höher soll er ausfallen.

Wie beim Bürgergeld wird es regelmäßige automatische Anpassungen nach oben entsprechend der Preisentwicklung im Land geben. Daher sind die Mehrausgaben und die genaue Höhe der Kindergrundsicherung heute noch nicht genau zu beziffern. Paus hatte im August Summen zwischen 530 Euro (für Kinder bis sechs Jahren) bis 636 Euro (für die ältesten Kinder) genannt. Das waren aber nur Schätzwerte. Die genauen Beträge hängen von der Preisentwicklung bis zur Einführung der Leistung ab und vom Einzelfall, je nach Einkommenssituation der Familie.

Wie sollen Familien die Leistungen beantragen können?

Künftig soll nach bisherigen Plänen ein Onlineportal für die Anträge entstehen. So sollen alle Anträge in Zukunft über eine Seite laufen. Zudem plant das Familienministerium ein Portal, auf dem die Familien prüfen können, ob und welche Zusatzbeträge ihnen zustehen. Der Garantiebetrag soll nach dem bisherigen Konzept nach der Geburt einmalig beantragt werden und automatisch bis zum 18. Lebensjahr bewilligt werden.

Als zentrale Anlaufstellen zuständig sein sollen die heutigen Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die schon für das Kindergeld zuständig sind. Sie sollen künftig „Familienservice“ heißen und Eltern künftig auch aktiv auf Leistungen hinweisen, die ihnen zustehen.

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