Klimafonds-Urteil „Wenn wir massiv auf die Bremse treten müssen, würde uns das weit nach hinten werfen“

Ein Mitarbeiter geht an einer Abfüllanlage in der Produktion eines Maschinenbauunternehmens vorbei. Quelle: dpa

Das Finanzministerium sperrt zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. Wie es nach dem KTF-Urteil um die Maschinenbau-Branche steht und was das für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit heißt, erklärt Matthias Zelinger vom VDMA.

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Die Bundesregierung schätzt die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds offenbar ernster ein als bisher angenommen. Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds verfassungswidrig war. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte noch am Tag der Urteilsverkündung eine Haushaltssperre nur für den Klimafonds verfügen lassen. Das Bundesfinanzministerium weitete am Montagabend die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfügte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt aus.

WirtschaftsWoche: Herr Zelinger, wie hat der VDMA das KTF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen?
Matthias Zelinger: Der Bund hat sich finanziellen Spielraum an einer Stelle verschafft, an welcher er keinen nehmen durfte, und diesen gleich noch überbucht, was das Problem jetzt noch größer macht. In den KTF fließen zwar auch Einnahmen aus dem Emissionshandel und dem CO2-Preis auf Brennstoffe. Die Summe, die fehlt, bleibt mit von Ökonominnen geschätzten 18 Milliarden Euro im nächsten Jahr trotzdem gewaltig. Dazu kommt, dass Minister Habeck am Montagmorgen durchklingen lassen hat, dass das Urteil auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gefährde, aus dem zum Beispiel die Energiepreisbremsen bezahlt werden.

Wie beeinflusst das die Maschinenbau-Branche?
Wie groß und in welcher Form das Urteil Einfluss auf unsere Branche hat, hängt stark von der Reaktion der Bundesregierung ab. Hier stehen verschiede Varianten im Raum: Es könnte sein, dass eine Haushaltsnotlage erklärt wird. Aber wie wird das begründet? Mit einem Klimanotstand ist rechtlich sicher schwierig, herrschte der doch auch schon in den letzten Jahren. Außerdem könnte auch dann das Geld nur in „Jahresscheiben“ aufgenommen werden, was langfristige Vorhaben wie zum Beispiel die Realisierung der Klimaschutzverträge erschweren würde. Unklar ist außerdem, was mit der Entscheidung zur Stromsteuersenkung von vergangener Woche und der Strompreiskompensation passiert. Der Maschinenbau ist zwar im überwiegenden Teil nicht energieintensiv, profitiert also nur vom ersten Teil. Trotzdem haben wir die Entlastung auch bei den Spitzenverbrauchern für richtig gehalten, und diese sollte aus dem KTF finanziert werden.

Zur Person

Was bedeutet die Entscheidung für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit?
In Moment sind ganz viele Projekte über die verschiedenen Förderinstrumente aus dem KTF betroffen, bei welchen es um den Einsatz, oft auch um den ersten Einsatz, neuer Technologien geht. Diese Projekte stehen nun im Risiko. Wir waren vor dem Urteil in einer Position, in der wir uns in wesentlichen Technologien positionierten konnten, zum Beispiel bei der Frage, ob die PV-Produktion (Produktion von Photovoltaikanlagen, Anm. d. Red.) nach Europa zurückkommen oder wie wettbewerbsfähig die Industrie gegen China bleiben kann. Viele Technologien wie Wasserstoff oder CCS werden weltweit gerade sehr groß. All das sind Punkte, in welchen die industrielle Anwendung zurzeit im größeren Stil beginnt. Wenn wir drei Jahre massiv auf die Bremse treten müssen, würde das unsere Positionierung weit nach hinten werfen. Das hat langfristige Folgen. Es wäre dann nicht so, dass wir dann keine Klimaschutztechnologien mehr hätten, aber definitiv eine geschwächte Weltmarktposition.

Nun stehen verschiedene Szenarien im Raum, wie es weitergehen könnte. Was würden Sie präferieren?
Zunächst muss klar sein, Klimaschutz und Haushaltsdisziplin sind beide in der Verfassung verankert. Sollten also keine neuen Mittel kommen, braucht es eine neue Priorisierung der vorhandenen Mittel. Die darf aber nicht nur innerhalb des KTF stattfinden, sondern im Gesamthaushalt. Vereinfacht gesagt heißt das, dass nicht an einer Stelle 18 Milliarden Euro, sondern an 18 Stellen 1 Milliarde Euro weggenommen werden müssten. Dafür muss an vielen Stellen im Haushalt noch Luft sein und es wäre nicht sachgerecht, nur in den Bereichen Klima und Transformation zu sparen.

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Natürlich würde da auch was vom KTF wegfallen, das ist auch richtig. Es muss geklärt werden, wo gespart werden kann. Das sind vor allem die Bereiche, in welchen bisher strukturkonservativ gefördert oder investiert wurde. Nur so kann weiter aktive Klimaschutz- und Technologiepolitik betrieben werden. Vor allem in Zeiten, in denen der Standort Deutschland als Vorreiter beim Klimaschutz durch den amerikanischen Inflation Reduction Act und Chinas Subventionspolitik massiv herausgefordert wird.

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