Klimakonferenz in Dubai Die Welt braucht einen neuen Plan gegen den Klimawandel

Die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in Dubai beginnt am 30. November Quelle: AP

Die Pariser Klimaziele erscheinen nicht mehr erreichbar. Experten fordern deshalb ein Umdenken: Sie setzen nicht nur auf weniger Emissionen, sondern auch auf den klügeren Umgang mit ihnen. Das betrifft auch Deutschland.

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Auf bisher 27 Weltklimakonferenzen haben die Beteiligten immer wieder eines gefordert: „The time to act is now“ – handeln, um die Erwärmung und die Folgen des menschengemachten Aufheizens der Erde aufzuhalten. Zu Beginn der inzwischen 28. jährlichen Uno-Konferenz in Dubai, abgekürzt COP28, mit Abgesandten aus rund 200 Ländern ist zwar die Zahl der Beteiligten und Entscheider stetig gewachsen, die das Ziel unterstützen: Die Erde soll sich im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um nicht mehr als 1,5 Grad erwärmen. So wurde es beim Weltklimagipfel 2015 in Paris von allen beschlossen.

Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen Welten. Regierungen unterlaufen ihre klar vorgegebenen Ziele bei der Einsparung von Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl. Und reisen alle wieder zu den Mammutkonferenzen an. So kommen die inzwischen rund 70.000 Beteiligten am Klima-Wanderzirkus dieses Jahr in den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen – Regierungsleute, Klimaexpertinnen, Lobbyisten, Medienvertreterinnen, Unternehmen, Denkfabriken, Umweltgruppen und Betroffenen. COP steht für Conference of the Parties, also Vertragsstaatenkonferenz. Sie dauert vom 30. November bis 12. Dezember.  

Das Treffen findet dieses Jahr unter dem Eindruck spürbarer Klimaveränderungen auch in den Industrieländern statt. Diese Alltagserfahrung ist gepaart mit der Einsicht von Klimawissenschaftlern, dass Regierungen Ressourcen nun auch gezielt zur Abmilderung der Folgen des Wandels einsetzen müssen. Die stärkere Erwärmung als angestrebt dürfte heftigere Folgen durch Hitzen, Dürren, Starkregen und Fluten haben.

Auf Nimmerwiedersehen, Paris!

Mit den aktuell von Staaten vorgelegten Klimaschutzplänen ist die Welt einer UN-Prognose nach weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Selbst wenn also alle ihre Pläne umsetzten, lägen die 2030 noch ausgestoßenen Treibhausgase weltweit nur zwei Prozent unter dem Stand von 2019. Dies bedeute, so das Bonner Klimasekretariat der Uno, dass der Höchstwert noch in diesem Jahrzehnt gemessen würde. Das ist aber für die in Paris beschlossenen Klimaziele viel zu spät. Um sie zu erreichen, müssten die Emissionen dem Weltklimarat zufolge 2030 schon um 43 Prozent niedriger ausfallen als 2019.

Für Deutschland hat zum Start der COP28 Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den dritten Klima-Monitoringbericht der Bundesregierung vorgestellt. „Die verheerenden Folgen der Klimakrise nehmen in erschreckendem Ausmaß zu“, sagte die Grünen-Politikerin dazu. Die Zahl der Sommer mit starken Hitzewellen und Temperaturrekorden nahm in Deutschland zu.  Im Juli 2022 wurde nördlich des 53. Breitengrads, in Hamburg, erstmals eine Temperatur von mehr als 40 Grad gemessen.

In den zurückliegenden vier Jahren habe es zudem regional viele Dürren gegeben. Deutschland verliere durch Trockenheit auch viel Wasser, sagt Lemke. Seit 2000 werden hier 2,5 Kubikkilometer Wasser pro Jahr geschätzt. Die Tierarten wandeln sich. Neue Arten wandern ein, so etwa die Tigermücke, die als Krankheitsüberträgerin gilt. Und: „Immer mehr Stürme, Starkregen, Dürreperioden und Hitzewellen wirken sich auf die Gesundheit der Menschen, die Ökosysteme und die Wirtschaft aus“, fasst Lemke zusammen. Kommunen müssten ebenso wie Bund und Länder dafür sorgen, dass sich Menschen vor diesen Veränderungen schützen könnten.

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Auch der deutsche Regierungsberater und Klimaökonom Ottmar Edenhofer erwartet, dass die Erderwärmung stärker ausfällt als 1,5 Grad. Der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), wirbt seit einiger Zeit deshalb bei Politikern und Regierungsvertreterinnen in Europa mit einem Alternativ-Plan. Der solle das „Überschießen“ bei der Temperatur mit einplanen, aber internationale Regeln fassen, die ermöglichen sollen, dass danach sogar weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre übrigbleiben könnte als von Menschen verursacht wird. Nicht nur Edenhofer setzt dabei auf den Einsatz von Technologien, die das klimaschädliche Gas der Atmosphäre entziehen. Mehrere Klimaökonomen werben zugleich für eine europäische Kohlenstoff-Zentralbank, die im günstigen Fall Vorbild für andere Staaten sein kann.



Wohin mit dem CO2?

Technologisch geht es beim Vorschlag der Klimaökonomen um Edenhofer darum, die stärkere Erwärmung in möglichst kurzer Zeit danach wieder durch einen viel geringeren Ausstoß auszugleichen. Die Entnahme von CO2 aus der Luft soll deshalb lohnender sein und Investitionen in solche Technologien abgesichert werden.  Es geht um Verfahren wie eine Direktentnahme über Luftfilteranlagen. Solche Gase könnten in chemischen Prozessen wiederverwendet werden – das so genannte Carbon Capture and Utilization (CCU). Als langfristig noch sinnvoller gilt die unterirdische Speicherung, das Carbon Capture and Storage (CCS), für das es bereits mehrere Anwendungen etwa in Norwegen, den Niederlanden und Island gibt. In leer gepumpten Erdgas-Reservoirs kann CO2 mit überschaubaren Risiken dann wieder eingelagert werden. Diese Technologien sind allerdings teuer.

Edenhofer und Co schlagen zur Absicherung von Investitionen und der technischen Weiterentwicklung deshalb die Gründung einer Europäischen Kohlenstoff-Zentralbank vor. Diese sollte inhaltlich unabhängig agieren und mit anderen EU-Behörden die Beschaffung und die Qualitätssicherung der Treibhausgas-Entnahmen organisieren, so der Vorschlag. Mit Auktionen würden jene Unternehmen zum Zuge kommen, die das CO2 zu den geringsten Kosten der Atmosphäre entziehen.

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Noch ist die CO2-Verpressung tief unter der Erde in Deutschland zum Beispiel noch verboten. Doch es gibt Bewegung bei einem Thema, das mithelfen könnte, Klimaziele einzuhalten, das Umweltschützer aber als Scheinlösung und Verschleppung anderer Schritte sehen. So hat Wirtschaftsminister Robert Habeck inzwischen seine grüne Partei zu einem deutlichen Kursschwenk bewegt.  Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einer eigenen Strategie zum „Carbon-Management“, inklusive Nutzung unterirdischer Speicher – sei es in Norwegen oder Dänemark oder vielleicht vor der deutschen Küste. Für die Grünen ist es eine bemerkenswerte Wende und Einsicht in Notwendigkeiten beim Arbeiten gegen die Klimakrise. Denn bei der Europawahl 2019 lehnte die Ökopartei CCS noch als „Risikotechnologie“ rundweg ab.

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