Das Wichtigste an der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung ist, dass sie jetzt da ist. Endlich. Hurra und Hallelujah. Im ampelüblichen Häckselverfahren zwischen Wirtschafts- und Klimaministerium (Habeck), Finanzministerium (Lindner) und Kanzleramt (Kukies, äh, Scholz) ist der so wichtige Plan viel zu lange steckengeblieben. Seit dem vergangenen Sommer haben Unternehmen wie RWE, EnBW, die Leag und wie sie alle heißen wissen wollen, gefragt: Was können wir denn verdienen, wenn wir neue Gaskraftwerke bauen? Sagt es uns schnell, weil es dauert im Schnitt fünf, sechs Jahre bis so ein Kraftwerk in Betrieb geht. Und Ihr wollt doch schon 2030 raus aus der Kohle, oder?
Das lohnt sich nur mit Staatshilfe
Geschenkt. Jetzt ist es so weit. Die heute vorgestellte Einigung zeigt zumindest, in welche Richtung es gehen soll. Zur Erinnerung: Bei der Kraftwerksstrategie geht es darum, den Bau möglichst vieler Gaskraftwerke anzureizen, damit man die Kohlemeiler möglichst schnell endgültig einmotten kann. Die Gaskraftwerke sollen genau jene flexible Leistung zur Verfügung stellen, die während der berüchtigten Dunkelflaute benötigt wird, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Weil das in der künftigen Welt der Erneuerbaren aber nur selten der Fall sein wird, weil diese Kraftwerke nur selten laufen werden, lohnen sich Bau und Betrieb nur, wenn der Staat zuschießt.
Die Lösung sieht also so aus: Vier mal 2,5 Gigawatt – also 10 Gigawatt – sollen zunächst für wasserstofffähige Kraftwerke (H2 Ready) ausgeschrieben werden. Das Geld dafür kommt aus dem Klima- und Transformationsfonds. Diese Kraftwerke laufen zunächst mit Erdgas, ab 2035 sollen sie auf Wasserstoff umgestellt werden, den Plan dafür will die Regierung 2032 festlegen. Homöopathische 500 Megawatt sollen aus einem Forschungstopf für von vorneherein auf Wasserstoff ausgerichtete Kraftwerke, so genannte „Sprinter“ ausgeschrieben sein. Und die H2-ready Kraftwerke sollen dort stehen, wo es möglichst „systemdienlich“ ist.
Schneller schlau: Wasserstoff
Das chemische Element Wasserstoff (H) gehört zu den ältesten Elementen in unserem Universum. Es ist einer der Grundbausteine von Sternen, die Sonne zum Beispiel besteht zu knapp drei Vierteln aus Wasserstoff und zu knapp einem Viertel aus Helium. Wasserstoff ist in gebundener Form in allen lebenden Organismen zu finden. Auf der Erde ist die molekulare Form des Wasserstoffs (H2) ein geruchsloses, brennbares Gas.
Weil bei der Verbrennung von Wasserstoff (H) mit Sauerstoff (O) schlicht Wasser, also H2O, entsteht und eben kein klimaschädliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Wird Wasserstoff klimafreundlich hergestellt, soll er dabei helfen, den Ausstoß von CO2 deutlich zu verringern und laut Bundesregierung sogar „bis auf null zu führen“.
Stand: 26. Juli 2023
Der Wasserstoff soll vorzugsweise mit Hilfe von erneuerbarem Strom in sogenannten Elektrolyseverfahren hergestellt werden. Dabei zerlegt Strom Wassermoleküle in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Wird dabei Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet, wird der Wasserstoff „grün“ genannt.
Je nach Art der Herstellung werden auch andere Farben zur Bezeichnung verwendet. So spricht man etwa von „grauem“ Wasserstoff, wenn bei der Herstellung aus Erdgas das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entweicht.
Wird dabei das freiwerdende Kohlendioxid gespeichert, bezeichnet man ihn als „blau“.
Wird dabei fester Kohlenstoff gewonnen, wird der Wasserstoff „türkis“ genannt.
Mit Ökostrom hergestellter Wasserstoff soll zum einen als chemischer Rohstoff eingesetzt werden. Als Grundstoff für die chemische Industrie wird Wasserstoff schon lange verwendet, etwa zur Herstellung von Ammoniak, einer Ausgangsbasis für Düngemittel. In der Stahlindustrie etwa soll Öko-Wasserstoff künftig eine zentrale Funktion übernehmen: Wo bei der Herstellung von Roheisen bislang Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff entzieht, soll künftig Wasserstoff ran.
Zum anderen soll er als Energieträger und damit auch als Energiespeicher dienen. In einigen Jahren soll er etwa als Brennstoff in modernen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung verwendet werden. Sie sollen zum Einsatz kommen, wenn nicht genügend erneuerbarer Strom etwa aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff schon länger zur Stromerzeugung eingesetzt. Gelagert werden soll Wasserstoff etwa in früheren Erdgasspeichern.
Gut ist, die Förderung ist ohne Gedöns
Das bedeutet: Die Fördermenge ist arg gestutzt worden, die Bedarfseinschätzung hatte zuvor, je nach Betrachter, zwischen 15 und 30 Gigawatt geschwankt. Schlecht daran ist, dass der Kohleausstieg 2030 damit eigentlich gegessen sein dürfte, so knapp ist der Zubau bemessen. Die FDP aber hat so zumindest die Höhe der nötigen Subventionen massiv gedrückt, zuvor war von einem Volumen von mehr als 40 Milliarden Euro die Rede, jetzt sollen es zwischen 15 und 20 Milliarden Euro sein, inklusive Zuschüsse für Investitionen und Betriebsausgaben, Capex und Opex. Die FDP hat auch durchgesetzt, dass der Fokus voll auf die H2-Ready-Kraftwerke geht, weg von den Sprintern und den so genannten Hybrid-Lösungen. Das ist im Kern der richtige Ansatz, weil die Förderung einzelner Technologien das Förderregime kleinteilig und ineffizient gemacht hätte. Kurzum: Die Förderung „technologieoffen“ zu gestalten, ohne Gedöns, ist hier gut, weil definitiv effizienter. Aber die angestrebte Menge hätte höher sein dürfen – und müssen.
Der Umstieg auf einen Kapazitätsmarkt – also die Ausschreibung von benötigten Kapazitäten – ist ebenso sinnvoll wie langwierig. Geht es nach dem Willen der Ampel, soll es dazu im Sommer eine politische Einigung geben, die Umsetzung soll bis 2028 erfolgen. Es mag durchaus sinnvoll sein, den Einstieg in die Förderung in diesem Zwei-Schritt-Verfahren von der komplizierteren Umgestaltung des Strommarktdesigns zu trennen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Kapazitätsmärkte, die künftig sehr sinnvoll sein können, gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl in politischen Strudeln untergehen, ist groß – und danach kommt wahrscheinlich ohnehin eine andere Regierung. Bedeutet: Hier gibt es auf absehbare Zeit keine Grundlage, auf der Unternehmen wie RWE, EnBW oder auch die LEAG im Osten investieren werden. Ein kurzer Sprint, dann lange Unsicherheit. Das ist auch nicht gut.
Schlecht ist, dass die Details fehlen
Und hier liegt auch das Hauptproblem der Strategie insgesamt. Alle Unternehmen begrüßen zwar, dass es jetzt eine gibt, aber sie sagen auch: Um das final bewerten zu können, müssen wir die Details kennen, die Bedingungen der Ausschreibungen. Nur Uniper hat sich enthusiastischer geäußert, aber Uniper ist ja auch ein Staatskonzern. Und RWE sagt, der Konzern plane, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen. In der zweiten Jahreshälfte, so heißt es aus Berlin, werden man soweit sein. Bis dahin muss auch geklärt sein, was „systemdienlich“ eigentlich genau bedeutet. Gemeinhin ist das ein Begriff aus der Beihilfe-Diplomatie. Brüssel muss alles genehmigen und auf einzelne Regionen beschränkte Subventionen sind ein No-Go. Weil aber jeder weiß, das im Süden Deutschlands, wo es weniger Erneuerbare Energien geben wird, mehr „disponible“ Leistung dringender benötigt wird als im windigen Norddeutschland, heißt „systemdienlich“: Bevorzugt werden sollen Bayern und Baden-Württemberg. Nur wie lässt sich das in Ausschreibungen übersetzen?
Und so hat die Ampel eine Strategie veröffentlicht, die in vielen Teilen die richtigen Ansätze enthält, bei den entscheidenden Fragen aber nicht mehr ist als eine Absichtserklärung. Auf der Basis lässt sich noch nicht investieren.
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