KI-Standort Millionen-Deal für Aleph Alpha: So will das Start-up Deutschland voranbringen

Da kam auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gratulieren: Das deutsche KI-Start-up Aleph Alpha (hier Chef Jonas Andrulis) hat eine Finanzspritze von mehr als einer halben Milliarde US-Dollar (486 Millionen Euro) erhalten. Quelle: dpa

Lidl, SAP und Bosch investieren 500 Millionen Dollar in das deutsche KI-Start-up Aleph Alpha. Kann es damit ernsthaft zur Konkurrenz für ChatGPT & Co werden? 

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Es ist eine Finanzierungsrunde, wie es sie in Deutschland bisher selten gegeben hat: Rund 500 Millionen Dollar hat das KI-Start-up Aleph Alpha eingesammelt – und zwar nicht vorrangig bei internationalen Investoren, sondern bei der deutschen Industrie: Bosch, SAP und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) finanzieren das erst 2019 gegründete Unternehmen in seiner Serie-B-Runde, auch der Berliner Investor Harald Christ und der amerikanische Konzern HP beteiligen sich. 

Welchen Seltenheitswert solche Runden haben, zeigt sich allein an der Bekanntgabe am Montag: Baden-Württemberg hofierte die KI-Hoffnung aus Heidelberg in seiner Berliner Landesvertretung, Robert Habeck (Grüne) machte den Termin zur Chefsache und kam noch vor der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt vorbei – denn in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI), so mahnte der Wirtschaftsminister, muss nun eins passieren: „Europa muss richtig Hackengas geben“. Kann das gelingen –  auch mithilfe von Aleph Alpha?  

Nur Weltmarktführer in Regulierung?

Noch die Vorgängerregierung der Ampel-Koalition hatte sich 2018 im Rahmen ihrer KI-Strategie vorgenommen, Deutschland zu einem weltweit führenden KI-Standort zu machen – doch die USA und China sind mit Unternehmen wie Google, Amazon, Meta, Microsoft, Tesla und Apple sowie Alibaba, Tencent und Baidu weit voraus. 

Hinzu gekommen sind jetzt neue Player wie Open AI, das Start-up aus San Francisco, das mit ChatGPT innerhalb kurzer Zeit das weltweit führende Sprachmodell entwickelt hat – während Deutschland und Europa bisher vor allem in einem Bereich glänzten: wie Künstlicher Intelligenz am besten Grenzen gesetzt werden können

„Wir brauchen nicht nur Schiedsrichter, sondern auch noch ein paar Feldspieler“, fordert deshalb Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis. Er will mit seinem Unternehmen aber nicht nur Spielen, sondern vor allem auch: Tore schießen. Kann also Aleph Alpha also tatsächlich Europas OpenAI werden?

Rund 60 Köpfe, 640 Millionen Dollar in der Kasse

Schaut man auf die reinen Zahlen, herrscht immer noch ein großer Abstand zwischen den Unternehmen beiderseits des Atlantiks: OpenAI hat mehr als 500 Mitarbeiter und 13 Milliarden Dollar Wagniskapital eingesammelt; Aleph Alpha zählt gut 60 Köpfe und hat nun rund 640 Millionen Dollar in der Kasse.   

Als einer der Erfolgsfaktoren für KI-Start-ups gilt die Rechenleistung, mit der sie ihre KI-Modelle trainieren können – besonders begehrt sind derzeit Grafikkarten vom Typ A100 vom US-Chiphersteller Nvidia. Laut einer Aufstellung des Wagniskapitalgebers Air Street nutzt Aleph Alpha 1044 dieser schnellen Chips, teilweise über Cloud-Anbieter. Da ist zwar beträchtlich, fällt aber hinter der Konkurrenz zurück. 

Tesla soll 16000 der A100-Chips nutzen, Meta 21400 – und das US-Start-up Inflection AI hat im Juli gar angekündigt, einen Superrechner aus 22000 der Nvidia-Chips aufzubauen. Doch neben der puren Rechenkraft zählt auch die Qualität der Algorithmen. 

OpenAI ist in einigen Bereichen technologisch führend

Im Februar veröffentlichte Aleph Alpha einen Report mit Testergebnissen, die zeigen sollen, dass das Sprachmodell ähnlich gute Ergebnisse liefere wie GPT-3 von OpenAI. Seitdem hat der US-Konkurrenz allerdings eine neue Version von GPT herausgebracht und kann auf das Feedback seiner hunderten von Millionen Nutzern zurückgreifen. OpenAI dürfte deshalb in einigen Bereichen technologisch führend sein. 

Dennoch habe Aleph Alpha eine beeindruckende Entwicklung hingelegt, meint Kristian Kersting, Leiter des Bereichs „Grundlagen der systemischen KI“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Darmstadt. Kersting ist einer der frühen Investoren in das KI-Start-up und hat auch wissenschaftliche Aufsätze zusammen mit dem Aleph-Alpha-Team veröffentlicht. „Wenn man vergleicht, welche Mittel OpenAI und Aleph Alpha bisher erhalten haben“, sagt Kersting, „kann man auf Aleph Alpha sehr stolz sein.“

„Das Rennen von hinten erst einmal aufholen“

Das 500-Millionen-Dollar-Investment sei „eine positive Entwicklung, um konkurrenzfähiger zu werden“, sagt auch Matthias Plappert, Berliner KI-Forscher und -Investor, der mehr als vier Jahre bei OpenAI gearbeitet hat. „Allerdings muss Aleph Alpha das Rennen von hinten erst einmal aufholen“, betont er. „Aktuell sind die Modelle der Konkurrenz weit besser und selbst Open-Source-Modelle wie Metas Llama 2 sind auf Standard-Benchmarks den bisherigen Modellen von Aleph Alpha überlegen.“

Das Start-up aus Heidelberg will sich im Vergleich zur Konkurrenz vor allem aber auch in puncto Transparenz und Vertrauen hervortun. So soll Aleph Alphas KI-Modell erläutern können, wie es zu bestimmten Antworten gekommen ist und welche Quellen es zu Rate gezogen hat – während Konkurrent ChatGPT manchmal einfach Antworten erfindet. 

„Wir können keine Halluzinationen gebrauchen“, sagt Thomas Saueressig, Vorstandsmitglied von Aleph-Alpha-Investor SAP. Die Kunden müssten sich insbesondere bei kritischen Entscheidungen, beispielsweise in den Bereichen Recht oder Finanzen, auf die Informationen verlassen können. Dies soll Aleph Alpha ermöglichen. 

Für die Industrie wie für das Start-up ist der Millionen-Deal nicht nur deshalb eine Chance: Alpha Alpha bekommt über die Konzerne die Möglichkeit, sich schneller auch international zu kommerzialisieren. Die Unternehmen wiederum haben Zugang zu einer KI, die „made in Germany“ ist – wobei freilich auch Andrulis klar ist, dass am Ende nicht die Postleitzahl über den Erfolg seines Unternehmens entscheiden wird, sondern die Konkurrenzfähigkeit seiner Anwendung. 

Talente ins Ländle locken 

Deshalb soll auch der Datenschutz für das Unternehmen sprechen: während OpenAI nur mit Microsoft-Rechenzentren arbeitet, lässt sich die KI der Heidelberger Gründer auf verschiedenen Cloud-Umgebungen oder Servern nutzen – und zählt damit auf das ein, was auch die Bundesregierung vorantreiben will: technologische Souveränität. 

Um international wettbewerbsfähiger zu werden, wird eine halbe Milliarde Dollar allein aber nicht reichen für Aleph Alpha. Wer wachsen will, braucht dafür die entsprechenden Expertinnen und Experten – und gerade im IT-Bereich gilt die US-Westküste noch immer als gelobtes Land, nicht nur wegen der größeren Schecks, die Unternehmen dort oft zahlen, sondern auch mit Blick auf die Möglichkeiten für Forschung, Entwicklung und praxisnahe, schnelle Anwendung. 

Andrulis hält dagegen. Aleph Alpha sei eng ins so genannte Cyber Valley eingebettet mit forschungsstarken Universitäten in Tübingen, Karlsruhe und Heidelberg. Zudem baut die Dieter-Schwarz-Stiftung in Heilbronn den so genannten Innovation Park Artificial Intelligence (Ipai) auf, der Europas größtes Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz werden soll.  Ein erheblicher Anteil der 500-Millionen-Dollar Investition fließt in Form einer Kapitalzusage des IPAI an Aleph Alpha. 

Öffentliche Großkunden fehlen dem Start-up allerdings noch. Neben der Stadt Heidelberg arbeitet bisher nur der Land Baden-Württemberg bei Verwaltungsverfahren mit Aleph Alpha zusammen: Die Text-Assistenz „F13“ soll Mitarbeiter etwa bei Zusammenfassungen oder Vermerken für Kabinettsvorlagen entlasten. 

Habeck sieht eine Chance für die Verwaltung 

Solche Anwendungen kann sich Habeck offensichtlich auch auf Bundesebene vorstellen – denn alle Pläne für Planungsbeschleunigung bringen wenig, wenn es keine Mitarbeiter gibt, die sie umsetzen können, erklärte Habeck. Angesichts der zunehmenden Personalmangels in der Verwaltung, wo schon heute 360 000 Jobs unbesetzt sind und bis 2030 jeder dritte Beamte in Pension geht, könne KI eine große Chance sein. 

Die Ampel-Koalition selbst hat bisher keine eigene KI-Strategie vorgelegt. Am Dienstag will Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zwar einen „KI-Aktionsplan“ vorstellen, aber dass jeder Minister seinen eigenen KI-Termin macht, statt sich zu einem „Doppelwumms“ zu verabreden, offenbart: auch in Sachen KI herrscht in der Koalition offensichtlich Konkurrenz statt Kohärenz.    

Lesen Sie auch: Nicht die Verwaltung ist digitalfeindlich – wir alle sind es!

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%