Sorgsam pflegt das SPD-Wahlkampfteam das Image ihres Spitzenkandidaten Olaf Scholz als zupackenden und ehrlichen Staatsmann. Skandale und Versäumnisse oder gar eine Kumpanei zulasten der Steuerbürger passen da so gar nicht ins güldene Bild. Umso unangenehmer sind aktuelle Enthüllungen von Spiegel und Manager Magazin, wonach die skandalumwitterte Hamburger Warburg-Bank nicht nur versuchte, Einfluss auf eine millionenschwere Steuernachzahlung zu nehmen – sondern Scholz‘ Senat offenbar dabei mitspielte.
Darauf deuten zumindest die in ministeriellem Grün gehaltenen handschriftlichen Anmerkungen von Peter Tschenscher (SPD), dem heutigen Ersten Bürgermeister der Hansestadt und damaligen Finanzsenator unter Scholz. Das Warburg-Schreiben, das nun auftaucht, ging daraufhin weiter an die Finanzbehörde, die 2016 knapp 47 Millionen Euro aus ungerechtfertigten Steuererstattungen bei Cum-Ex-Geschäften eintreiben wollte – und es dann aber nicht tat.
Zuvor schon hatte Scholz selbst einen Warburg-Bankier zum selben Thema empfangen, er beteuert heute jedoch, nie in irgendeiner Form zugunsten von Warburg interveniert zu haben, und beruft sich ansonsten auf Erinnerungslücken.
Es zeigt sich, dass ein genauerer Blick auch auf die Vergangenheit des SPD-Kanzlerkandidaten lohnt, nachdem die Medien bereits größere und kleinere Verfehlungen von Annalena Baerbock und Armin Laschet zu genüge aufgedeckt haben. Und je mehr bei den beiden zutage kommt, desto mehr scheint Scholz als lachender Dritter in staatsmännische Gefilde zu entrücken.
Es ist gewiss eine grandiose Leistung seines Wahlkampfteams, Scholz derart zu überhöhen und als makellosen Strahlemann zu präsentieren. Allerdings könnte diese Meisterleistung schon bald wie ein Eiersoufflé in sich zusammenfallen. Oder um es mit den Worten des US-Staatsmanns Abraham Lincoln zu formulieren: „Man kann alle Leute einige Zeit zum Narren halten und einige Leute allezeit; aber alle Leute allezeit zum Narren halten kann man nicht.“
Zur verschwiegenen Wahrheit des SPD-Kanzlerkandidaten gehört beispielsweise seine Amtszeit als Bundesfinanzminister. Als solcher müsste er sich vorwerfen lassen, viele seiner Kernaufgaben vernachlässigt beziehungsweise ungenügend erfüllt zu haben. Die ihm unterstehende Finanzaufsichtsbehörde BaFin war offenkundig nicht in der Lage, die Wirecard-Betrügereien beizeiten aufzudecken.
Die ihm ebenfalls unterstehende Financial Intelligence Unit blieb weiter mit der Geldwäschebekämpfung überfordert. Steuerpolitisch sind seine dreieinhalb Jahre als Bundesfinanzminister von Attentismus geprägt gewesen, notwendige Modernisierungen und EU-Vorgaben dörrten auf der langen Bank vor sich hin.
Und den Steuerabteilungsleiter des Bundesfinanzministeriums, der 2017 in einer bemerkenswerten Anweisung die Hamburger Finanzverwaltung dazu zwang, endlich weitere Cum-Ex-Steuererstattungen in Höhe von 43 Millionen Euro von Warburg zurückzufordern und dieses Geld nicht, wie im Jahr zuvor, in die Verjährung laufen zu lassen – diesen Beamten entließ Scholz bereits kurz nach seinem Wechsel von Hamburg nach Berlin im Jahr 2018. Ist das staatsmännisch?
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