Lindner stellt FDP vor Bundestagswahl neu auf „Wir spielen, wenn es nach mir geht, auf Sieg“

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, spricht beim Bundesparteitag der Freien Demokraten. Quelle: dpa

Die Zustimmung ist dann doch nicht ganz so erfreulich: Lindners neuer Generalsekretär Wissing erhält nur knapp 83 Prozent. Ein Zeichen, dass der Personalwechsel nicht ganz freiwillig vonstatten geht.

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FDP-Chef Christian Lindner hat ein Jahr vor der Bundestagswahl die Partei neu aufgestellt und den Anspruch der Liberalen bekräftigt, wieder Regierungsverantwortung im Bund zu übernehmen. Er wolle, dass nächstes Jahr die Freien Demokraten wieder zu einer Regierungsbildung im Bund benötigt werden, sagte Lindner am Samstag in Berlin in seiner Rede auf einem Bundesparteitag unter dem Motto „Mission Aufbruch“.

Die wichtigste Personale Lindners war die Wahl des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministers Volker Wissing zum Generalsekretär. Die Zustimmung für Wissing von knapp 83 Prozent ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die bisherige Amtsinhaberin Linda Teuteberg, die erst im vergangenen Jahr gewählt worden war, nur auf massiven Druck Lindners vorzeitig zurücktrat. Teuteberg hatte 2019 rund 93 Prozent bekommen. Sie gilt aber als zu zurückhaltend in der politischen Auseinandersetzung.

Der frühere SPD-Politiker Harald Christ, der erst im März zur FDP kam, wurde mit knapp 73 Prozent zum neuen Schatzmeister gewählt. Er folgt Hermann Otto Solms (79) nach. Solms wurde - unter anderem für seine Verdienste um die FDP-Finanzen - zum Ehrenvorsitzenden der FDP gewählt. Zudem sind zwei weitere Nachwahlen im Präsidium nötig geworden, weil Wissing Generalsekretär wurde und Frank Sitta aus Sachsen-Anhalt ausschied. Nachgewählt wurden Lydia Hüskens aus Sachsen-Anhalt (86,67 Prozent) und Bettina Stark-Watzinger aus Hessen (95,16 Prozent). Für Stark-Watzinger rückte dann Florian Toncar mit 88,28 Prozent in den Vorstand nach.

Im kommenden Jahr stehen neben der Bundestagswahl auch sechs Landtagswahlen an: im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, im April in Thüringen, im Juni in Sachsen-Anhalt und möglicherweise zeitgleich mit der Bundestagswahl im Herbst Mecklenburg-Vorpommern und Berlin (Abgeordnetenhaus).

Lindner bekräftigte den Anspruch seiner Partei, nach der Bundestagswahl Regierungsverantwortung zu übernehmen. Für freiheitlich denkende Menschen könnten Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Grün oder Grün-Rot-Rot keine besonders positiven Perspektiven sein. „Wir spielen, wenn es nach mir geht, auf Sieg.“ Der FDP-Chef schloss eine Koalition mit der Linkspartei aus. Und mit der AfD könne es keine Zusammenarbeit geben.

Bund, Länder und Gemeinden rief Lindner auf, intelligente Maßnahmen gegen die Corona-Krise zu entwickeln, um einen zweiten Lockdown im Herbst zu verhindern. Dazu gehörten etwa die weitere Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie eine Beschleunigung der Forschung für einen Impfstoff, sagte er. „Es darf am Ende nicht das Virus über die Freiheit triumphieren.“

„Endlich wieder ein Bundesparteitag“, rief Lindner den Delegierten zu. Er begründete diesen ersten Präsenzkongress einer Bundespartei seit Beginn der Corona-Krise damit, dass die persönliche Begegnung unverzichtbar sei und durch ein digitales Treffen nicht ersetzt werden könne. Mit Umsicht sei ein solcher Parteitag auch machbar.

Wegen der Corona-Pandemie wurden beim Parteitag besondere Sicherheitsvorkehrungen ergriffen. So wurden den Angaben zufolge keine Gäste eingeladen. Es kamen nur Delegierte, Medienvertreter und Mitarbeiter. Von den 662 eingeladenen Delegierten kamen rund 560. Die abwesenden konnten aber ihr Stimmrecht an anwesende Delegierte übertragen. Für die fällig gewordenen Nachwahlen zur Parteispitze wurde in den ordentlichen Parteitag ein außerordentlicher integriert.

Die Pandemie sei noch nicht vorbei, aber Corona scheine inzwischen beherrschbar, sagte Lindner. Die Krise habe gezeigt, dass die FDP Recht gehabt habe, wenn sie schon vor der Pandemie mehr Digitalisierung eingefordert habe. Dies habe sich besonders an den Schulen gezeigt. Schüler und Eltern seien mit dem Unterricht zu Hause zum Teil überfordert gewesen. Jetzt zeige sich, dass Deutschland eine Digitalisierungs- und Betreuungsgarantie für die Familie brauche.

Lindner kritisierte in diesem Zusammenhang den bis Ende des Jahres geltenden Mehrwertsteuernachlass. Mit den dadurch dem Staat entgehenden 20 Milliarden Euro hätte man etwa die 35 000 Schulen in Deutschland mit W-Lan oder die Lehrer mit Laptops ausstatten können. Und es wäre immer noch Geld übrig geblieben, um an allen 35 000 Schulen die Toiletten zu sanieren. Für die FDP habe ein Bildungspakt von Bund, Ländern und Gemeinden Toppriorität.

Mit Blick auf die große Koalition sagte Lindner: „Wir wollen im nächsten Jahr dafür sorgen, dass eine andere Wirtschafts- und Finanzpolitik gemacht wird.“ Er kritisierte dabei insbesondere Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Die Bundestagswahl werde eine Richtungswahl: Schulden oder Solidität, Freiheit oder Fesselung des Landes, soziale Marktwirtschaft oder Planwirtschaft.


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Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagte Lindner zu möglichen Koalitionen: „Wir sind gesprächsbereit, wenn die Inhalte stimmen.“ Die FDP regiert zurzeit in einer Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz mit SPD und Grünen, zusammen mit der CDU in NRW und in einer Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen in Schleswig-Holstein. Die größten Überschneidungen gebe es nach wie vor mit einer CDU, die von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet geführt werde. „Dagegen wirkt eine Ampel im Bund aus heutiger Sicht nicht besonders attraktiv.“

Mehr zum Thema: Über die Nettosozialpolitik der FDP

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