Rechtspopulismus in Unternehmen „Wer die Werte nicht vertritt, ist falsch im Unternehmen“

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechtsextremismus im Februar Quelle: dpa

Welche Wege Führungskräfte bei Rechtspopulismus, Thesen der AfD und neuen Konflikten in ihrer Belegschaft suchen.

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Nicht alles ist neu, was seit dem Erstarken der teils rechtsextremistischen Partei AfD in Unternehmen diskutiert wird. Auch vorher habe es Konflikte gegeben, die sich nicht an der Sache, sondern zum Beispiel an der Herkunft von Beschäftigten entzündet hätten, erinnert sich Andreas Jäger, geschäftsführender Gesellschafter der Jäger Group, die Gummi- und Kunststoffprodukte herstellt. Der Unternehmer aus Hannover beschreibt, dass es auch etwa in der Corona-Pandemie, als Schichtpläne neu zusammengesetzt werden mussten, Reibereien gegeben habe. So habe ein älterer Türke unvermittelt unter einem jüngeren Kurden arbeiten müssen.

Doch nach Bekanntwerden eines Treffens von Rechtsextremisten nahe Potsdam und von Plänen zur Deportation von Menschen mit ausländischen Wurzeln aus Deutschland ist vieles anders. Unternehmerinnen und Unternehmer schreckten nicht mehr davor zurück, sich zu politischen Themen zu äußern. Vorher hätten etliche Sorge gehabt, damit Konflikte in der Belegschaft oder mit Geschäftspartnern zu schaffen. „Es war in der Vergangenheit nicht so ganz einfach für Unternehmer, sich zu äußern,“ sagt Maschinenbauingenieur Jäger, der ein Unternehmen mit 1300 Beschäftigten führt. „Das ist vorbei.“ 500 von Jägers Beschäftigten arbeiten noch in Deutschland, die wiederum 30 Nationalitäten vertreten. Nach Auskunft seines Betriebsrates wären mit einem Schlag 50 Prozent der Leute fort, sollten die bekanntgewordenen Vertreibungswünsche umgesetzt werden.

Auch in anderen Betrieben ändert sich etwas: Die Sorge um handfeste Nachteile für die Wirtschaft und den Wohlstand treibt Führungsleute um, sollte die rechtspopulistische AfD bei Wahlen stark abschneiden. Nach einer nun veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsvereinigung der Grünen sehen 80 Prozent der Unternehmen im parteinahen Verband das Erstarken nationalistischer Tendenzen und der AfD als ein Risiko für Investitionen am Wirtschaftsstandort Deutschland und für das Gewinnen von Fachkräften aus dem Ausland an. Als schlecht bis schädlich werten dabei 90 Prozent, dass die AfD die EU und den Euro ablehnt, ebenso die Migration.

Immer häufiger äußern sich Wirtschaftsvertreter zu politischen Sachverhalten, wie am Dienstag BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Wenn Manager es klug anstellen, kann das ihrem Unternehmen nützen.
von Kristin Rau

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour gesteht bei der Vorstellung der Umfrage zu, dass es in der Demokratie immer Alternativen zu den Regierenden geben müsse und dass die aktuelle Ampelkoalition mit grüner Beteiligung immer wieder zerstritten wirke. „Regierungen werden gewählt, um zu liefern.“ Doch eine AfD-Wirtschaftspolitik bedeute „Armut für Deutschland“. „Wenn man die Grünen furchtbar findet, kann man immer noch die CDU wählen“, gibt Nouripour zu bedenken.

Geschäftsführer Jäger, der auch Präsident der Unternehmerverbände Niedersachsen ist, bezieht in seinem Unternehmen Position: „Wenn ich erfahre, dass es bei einer Auseinandersetzung nicht um die Sache, sondern um etwas anderes geht, dann greife ich persönlich ein.“  Gerade die obersten Führungsleute müssten moderieren und Werte vorleben. „Das kann ich nicht meinen Meistern überlassen.“ In Hannover hat die Jäger Group die 30 Flaggen der Herkunftsnationen an die Wand auf dem Weg zur Kantine gehängt, um die Vielfalt abzubilden.

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Jörg Asmussen schaut mit etwas höherer Flughöhe auf die Lage der Wirtschaft. Asmussen führt den GDV, den Gesamtverband der Versicherer. Er rät den Führungsleuten seiner Branche dazu, das Eigeninteresse der Menschen hervorzuheben und Zahlen sprechen zu lassen. Der GDV-Hauptgeschäftsführer verweist darauf, dass ein Drittel der angestellten in der Versicherungsbranche in den kommenden zehn Jahre in den Ruhestand gehe. Das sei allein mit Automatisierung oder Rationalisierung nicht zu ersetzen. Fachkräfte müssten zuwandern, um den Wohlstand zu erhalten

Asmussen rät dazu, offensiv die Vorstellungen von AfD-Politikern anzugehen. So etwa die Forderung, Deutschland profitiere von einem EU-Austritt. „Schaut euch den Brexit an“, argumentiert er. Der Austritt Großbritanniens habe dem ganzen Land geschadet und tue es immer noch. Es brauche mehr Fingerspitzengefühl, um Teams unterschiedlicher Herkunft zu führen, gesteht Asmussen zu. Doch Vielfalt bringe dann oft bessere Ideen und Ergebnisse. „Es verlangt aber mehr von allen, als auf ein Multikulti-Straßenfest zu gehen, um exotisches Essen zu genießen.“

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von Alexander Görlach

Der Chef der Wirtschaftsvereinigung der Grünen, Thomas Fischer, schätzt, dass die Unternehmen, die sich in seinem Verband zusammenfinden, Belegschaften haben, die die Bevölkerung abbilden. Das wären derzeit zwischen 20 und 30 Prozent Sympathisanten mit der Rechtspartei AfD. Fischer sieht eine „massive Unzufriedenheit mit der Ampel“. Der Investor und Chef der Beratungsfirma Allfoye vermisst beim Kanzler etwas Wesentliches: „Herr Scholz als CEO von Deutschland führt ja nicht.“ In diese Lücke springe die AfD. Aufgabe von Unternehmerinnen und Unternehmern sei zu zeigen, dass „die Wirtschaftspolitik der AfD wirklich blanker Unsinn ist“.

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Fischer sagt, er selbst nutze jede Gelegenheit und jedes Medium in Unternehmen, ein positives Bild zu zeichnen, was in Deutschland möglich sei und erreicht werden könne. Es gelte aber umgekehrt, in Konfliktsituationen „nichts schönzureden“. Man müsse klar sagen, wo die Grenzen der Meinungsvielfalt seien und was nicht akzeptabel fürs Zusammenleben sei. „Wer die Werte nicht vertritt, ist falsch im Unternehmen. Dann muss man sich trennen“, beschreibt Fischer sein Führungsverständnis, wonach das Politische in Deutschland nicht unbedingt privat ist.

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