Reform der Unternehmenssteuern Streit um Entlastungen für Betriebe: Zwei Minister und kein Halleluja

Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck haben dasselbe Problem erkannt – aber das heißt nicht, dass es eine gemeinsame Lösung gibt Quelle: imago images

Nach Christian Lindner fordert jetzt auch Robert Habeck eine Unternehmenssteuerreform für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Doch das Einzige, was sich dynamisch entwickeln dürfte, ist: der Streit über die richtige Strategie.

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Ja, ist das denn zu glauben? Robert Habeck und Christian Lindner sind sich endlich mal einig: Deutschland braucht eine Unternehmenssteuerreform, damit der Standort wieder wettbewerbsfähiger wird. Halleluja!

Von wegen.

Was der FDP-Finanzminister schon lange fordert, kommt jetzt zwar auch dem grünen Wirtschaftsminister in den Sinn – aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Für die Unternehmen ist es jedoch fatal, dass die beiden Minister vermeintlich Großes ankündigen – am Ende jedoch wieder die kleinteiligste aller Lösungen droht. 

Spitze? Vor allem bei Belastungen 

Dabei ist die dramatische Ausgangslage unbestreitbar, das haben die Präsidenten der vier großen Wirtschaftsverbände bereits vergangene Woche in ihrem Brandbrief deutlich gemacht: Deutschland ist ein Höchststeuerland. Die steuerliche Belastung von Kapitalgesellschaften beträgt im Durchschnitt 29,9 Prozent – zusammengesetzt aus der Körperschaftsteuer von 15 Prozent, einer Gewerbesteuer, die im Durchschnitt über 14 Prozent liegt, und dem Solidaritätszuschlag von 0,825 Prozent.

Zum Vergleich: In der Europäischen Union liegt die durchschnittliche Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften bei lediglich 21,1 Prozent. Der OECD-Durchschnitt beträgt 23,6 Prozent, und die USA sowie die deutschen Nachbarländer Frankreich, die Niederlande und Belgien liegen mit vier Prozentpunkten unter dem deutschen Niveau, wie ein aktueller Vergleich des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zeigt.

Mit Spitzenplätzen bei der steuerlichen Belastung, den Energiepreisen und den Arbeitskosten wird Deutschland allerdings keinen Spitzenplatz bei der Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Vom einst versprochenen Wirtschaftswunder ist angesichts der Rezession ohnehin nicht mehr die Rede.

Steuerpolitik ist Standortpolitik

Die Bundesregierung muss Reformen angehen, wenn Deutschland nicht weiter Schlusslicht unter den Industriestaaten bleiben soll: Steuerpolitik ist Standortpolitik, doch das einzige, was sich dynamisch entwickeln wird, ist wohl der Streit über die richtige Strategie.  

Robert Habeck hat vergangene Woche im Bundestag allen Ernstes ein neues, milliardenschweres Sondervermögen vorgeschlagen, um Unternehmen zu entlasten. Das findet nicht nur Christian Lindner „überraschend“.

Denn wenn die Regierung entscheidet, welche einzelnen Unternehmen Subventionen bekommen, welche Branchen entlastet und erfolgreich werden sollen, dann hat das mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun, wie Lindner zurecht kritisiert.   



Entlastungen würden 30 Milliarden Euro kosten 

Ein großer Wurf ist angesichts der Finanzlage ohnehin nicht drin. Eine umfassende Steuerreform würde mit rund 30 Milliarden Euro zu Buche schlagen – dabei weiß die Regierung schon jetzt nicht, wie sie das Finanzloch von rund 15 Milliarden Euro stopfen soll, das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für den Haushalt 2025 droht.

Es wäre aber immerhin ein Anfang, den Solidaritätszuschlag für Unternehmen zu streichen. Der Bund nimmt 2024 daraus etwa 12 Milliarden Euro ein, davon entfallen sieben Milliarden Euro, also mehr als die Hälfte, auf Unternehmen. Eine solche Entlastung beim Soli würde also allen Betrieben zugutekommen. Zum Vergleich: allein für die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg will die Regierung zehn Milliarden Euro Subventionen zahlen.

Zugleich steht die heikle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Soli aus. Linder will offenbar schon vor dem Urteil eine Entlastung liefern. Es könne nicht sein, dass die Regierung einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit feststelle und danach nichts mache, sagte er im „Bericht aus Berlin“.

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Wie er sich mit Habeck einigen will, ließ Lindner allerdings offen. Unternehmen dürfen deshalb nicht auf schnelle Entlastung hoffen. Das ist fatal angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung: Deutschlands Wirtschaft ist 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft. Wenn der Standort weiter wettbewerbsfähig sein soll, kann er es sich nicht weiter leisten, nur noch bei den Belastungen Spitzenplätze zu belegen.

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