Sarna Röser ist so frei
Bürokratieabbau muss neu gedacht werden Quelle: dpa

„One in, one out“? Diese Zauberformel gegen Bürokratie hat leider nie gewirkt

Paragrafen, Vorschriften und Verwaltungen bringen Unternehmen mittlerweile an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit, Höchste Zeit, dass wir über Bürokratieabbau ganz neu nachdenken! Eine Kolumne.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wir Unternehmer hatten hohe Erwartungen an die Kabinettsklausur in Meseberg geknüpft. Zumal die Tagesordnung hoffen ließ, dass die großen Herausforderungen der Wirtschaft wohl erkannt waren: die hohen Kosten unseres Wirtschaftsstandortes, die verkrustete Verwaltung, zu viel Bürokratie. Umso größer war die Enttäuschung: Die gravierenden Probleme unseres Wirtschaftsstandortes wurden zwar diskutiert, aber nicht gelöst. Wenigstens mit dem Wachstumschancengesetz wurden erste wichtige Impulse gesetzt. 

Große Enttäuschung gab es allerdings beim Thema Bürokratie. Denn seit Beginn der laufenden Legislaturperiode sind die Bürokratiekosten in den Unternehmen wieder kontinuierlich gestiegen! Mit Spannung wurde daher das Entbürokratisierungsgesetz erwartet - doch die Koalition konnte sich offenbar nur auf ein Eckpunktepapier einigen, in dem die für die Wirtschaft wichtigsten Entlastungen völlig fehlen. Was mit einer umfangreichen Befragung von Wirtschaftsvertretern als Tiger gestartet war, ist als Bettvorleger gelandet. So drastisch muss man es sagen! 

Unternehmer verzweifeln, weil die Regierung unaufhörlich selbst neue Bürokratiepflichten schafft, wie mit dem deutschen Lieferkettengesetz. Wenn die Verfasser dieses Gesetzes hier nicht nachbessern wollen, zeigt das eindrucksvoll, welch geringen Stellenwert der Bürokratieabbau bei der Ampel hat. Wichtige Ansatzpunkte wie das Lieferkettengesetz, die A1-Bescheinigung oder die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vermissen wir Unternehmer in den vorgelegten Eckpunkten schmerzlich. Sie stehen exemplarisch für eine Bürokratie, die Unternehmen nahezu handlungsunfähig macht.

Zu viel Bürokratie: Das halten Unternehmer vom neuen Entlastungsgesetz
Patrick Junge, Chef und Gründer der Restaurantkette Peter Pane„Die vorliegenden Entwürfe reichen aktuell nicht, um eine Erleichterung auf Unternehmensseite tatsächlich in die Realität zu überführen. Die letzten Jahre haben sich Politik und Gesellschaft zu wenig der Verantwortung gestellt. Die Folge sind langwierige Entscheidungsprozesse in der Bürokratie. Als Unternehmer mit Verantwortung und in der Vollhaftung liegt es in der Natur, Dinge umzusetzen. Es geht dabei weniger um die Form der Übermittlung von Schriftstücken, als mehr um den Willen hin zu einem positiven Ergebnis“ Quelle: PR
Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei C. & A. Veltins„Es ruckelt in vielen Ämtern doch schon seit Jahren an allen Ecken und Enden. Alleine der latente Behördenruf nach immer neuen Gutachten, um immer neue, administrativ formulierte Bedenken auszuräumen, lässt doch tief blicken. Noch nie war der Beschäftigungsgrad von Ingenieurbüros in unserem Unternehmen so groß und kostspielig wie heute. Oft entsteht der Eindruck, dass sich Mittelbehörden aus vorauseilender Vorsicht nur absichern wollen. Wir brauchen auf dem Behördenweg eine berechenbare Geradlinigkeit. Jeder Schritt in diese Richtung ist ein richtiger!“ Quelle: PR
Thomas Hoppe, Schülerkarriere GmbH:„Generell begrüße ich, dass die Bundesregierung versucht die schon seit Jahren überfällige Digitalisierung voranzutreiben und konkrete Vorschläge dafür hat. Leider zeigt aber auch die Vergangenheit, dass solche Bemühungen in vielen Verwaltungsstrukturen versanden und nur zu zögerlich umgesetzt werden. Aus meiner Sicht gehen aber Maßnahmen wie das Bürgergeld, auch wenn das schon vorher beschlossen worden ist, in die falsche Richtung da diese die Motivation Arbeit aufzunehmen verringern und weitere, dringend benötigte Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt oder der Weiterqualifizierung und dann dem Übergang in den Arbeitsmarkt fernhalten. Das Prinzip Fördern und Fordern wird hier komplett missachtet was mich als Unternehmer frustriert. Generell fehlen mir weitere Ideen, das Gründertum frühzeitig zu fördern, indem in den Schulen ein verpflichtendes Fach Wirtschaft in allen Schulformen eingeführt wird (dies ist leider durch den Föderalismus nur bedingt beeinflussbar, aber über den Bund könnten Businessplan Wettbewerbe analog der Jugend forscht initiiert werden). Wir brauchen mehr finanzielle und wirtschaftliche Grundbildung und eine bessere Akzeptanz für Unternehmer, die für den Wohlstand Deutschlands entscheidend sind. Auch die Förderlandschaft für Gründer sollte gestrafft und vereinheitlicht werden. Kurzum, einige Ideen gehen in die richtige Richtung durch Digitalisierung die Bürokratie abzubauen, Genehmigungsverfahren zu verkürzen und Impulse für die Wirtschaft zu schaffen, aber es bleibt abzuwarten, ob dies in der Praxis umgesetzt wird (Widerstände gegen Digitalisierung) und die Impulse wirklich ankommen.“ Quelle: PR
Andre Schulte-Südhoff, Geschäftsführer Schuko„Mit dem Bürokratieimpulspapier bin ich unzufrieden. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein – wirkliche Zeitfresser wie, A1 Bescheinigung, Lieferkettengesetz, Whistleblowerverordnung und sonstige Prioritätsthemen werden nicht angegangen. Im Grunde genommen sind alle diese Gesetze und Verordnungen gut gemeint gewesen, in der Auswirkung wird aber damit kostbare Lebenszeit vieler Menschen verschwendet bzw. man könnte es auch positiv ausdrücken: Es bleibt ein riesiges Konjunkturpaket für Beratungsunternehmen, da man das als normales kleines oder mittleres Unternehmen nicht selbstständig umgesetzt bekommt. Das ist kein wirklicher Impuls!“ Quelle: PR
Dr. Dirk Jandura, BGA-Präsident„Es ist gut, dass die Ampelkoalition erkannt hat, dass es dringenden Bedarf beim Bürokratieabbau für die Wirtschaft gibt. Besonders für die kleineren und mittleren Unternehmen ist die bürokratische Belastung kaum zu bewältigen und sind inzwischen zu einem richtigen Investitionshemmnis geworden. Der große Wurf ist der Ampel allerdings nicht gelungen. Die Reduzierung von Informationspflichten und die Verkürzung von Aufbewahrungsfristen ist schön und gut, aber da ist noch viel Luft nach oben. Ich vermisse zum Beispiel eine Vereinfachung bei den Aufzeichnungspflichten für Sachzuwendungen an Geschäftskunden.“ Quelle: PR
Wilhelm Hahn, Geschäftsführer der Wiha Werkzeuge GmbH„Meines Erachtens nach geht der Gesetzesentwurf zumindest mal als erster Schritt in die richtige Richtung, aber wird bei weitem nicht ausreichen. Es bräuchte über weite Teile eine echte Struktur- und Verwaltungsreform mit einer einhergehenden Digitalisierungsoffensive. Leider werden zunehmend aktionistische Gesetze mit kurzer Halbwertszeit mit der heißen Nadel gestrickt. Eine echte Erneuerung der Bürokratie ist eine Strukturveränderung mit klarem Programm und Ziel, das sich über Jahre ziehen wird.“ Quelle: PR
André Schwämmlein, Gründer und Chef Flix„Unnötige bürokratische Belastungen abzubauen, ermöglicht Innovation und Wachstum. Im Mobilitätsbereich schafft der Entwurf zum BEG IV leider nicht mal einfachste Änderungen. Im Fernverkehr haben wir es mit langwierigen und komplizierten Beantragungsverfahren zu tun, mit Bedienverboten und fehlender Digitalisierung. Hier fehlen wichtige Initiativen – auch und vor allem zum Wohle der Reisenden. Im Detail: Wer verlangt, in monatelangen Prozessen hunderte Seiten Papier für Anträge postalisch zu verschicken, die ohnehin genehmigt werden müssen, und dann tausende gestempelte Urkunden auf Bussen durch Deutschland fahren lässt, die von der Polizei kontrolliert werden, verschwendet die Zeit von Polizei, Behörden und Unternehmen gleichermaßen. Mehr Digitalisierung würde hier innerhalb weniger Wochen Abhilfe schaffen.“ Quelle: PR

Die Bundesregierung und damit jeder einzelne Minister muss aber spätestens jetzt begreifen, dass Überregulierung die unternehmerische Freiheit einschränkt und im Zweifel dazu führt, dass Investitionen gar nicht oder anderswo getätigt werden. In Deutschland bleiben dann Innovationen und Wachstum auf der Strecke. Wer sich aber auf sprudelnde Steuereinnahmen und gute Löhne verlässt, hat den Ernst der Lage - schlichtweg - nicht erkannt. Denn erst wenn die Wirtschaft wächst, können die steigenden Ausgabenwünsche der Minister bedient und Arbeitsplätze hier gehalten werden. Wie heißt es nochmal: Erst erwirtschaften, dann ausgeben? 

Vorwerk-Chef „So kann man doch nicht testen! Das ist ein No-Brainer!“

Vorwerk-Chef Thomas Stoffmehl ärgert sich über eine Test-Niederlage der Kult-Küchenmaschine aus Wuppertal. Überhaupt geht einiges schief bei Thermomix, Kobold-Staubsaugern und dem Vorwerk-Hoffnungsträger Nexaro.

Wärmepumpen Um den Heizungsmarkt zu erobern, kommt es nicht auf die Qualität der Wärmepumpe an

Asiatische Hersteller, hieß es vor einem Jahr, würden bald den deutschen Markt fluten mit ihren Wärmepumpen. Jetzt zeigt sich: Es ist so weit.

Rezept zum Reichwerden? Das steckt hinter dem System von Deven Schuller

Ein selbsternannter Finanzexperte will seinen Kunden laut eigener Aussage dabei helfen, finanzielle Freiheit zu erreichen, und pflastert das Internet mit Werbung. Was steckt dahinter? Ein Selbstversuch.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Wir brauchen eine neue Systematik, um die überbordende Bürokratie zurückzudrängen. Seit Jahren wird das Modell „One in, one out“ praktiziert. Diskutiert werden aber auch Ansätze wie „One in, two out“. Wie wäre es aber mit einer neuen Methodik? Sollten nicht alle Gesetze spätestens nach zwei Jahren hinsichtlich ihrer bürokratischen Auswirkungen evaluiert werden – also wie eine Art Praxischeck? Das wäre zumindest ein wirksamer Anfang, um Belastungsspitzen für die Unternehmen, aber auch für alle Bürgerinnen und Bürger zu erkennen und gegebenenfalls abzubauen!

Lesen Sie auch: „Diese Bürokratiemonster können tödlich sein“

Mehr Kolumnen von Sarna Röser finden Sie hier.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%