Scholz in der Kritik „Der Kauf von Taurus müsste für die Bundeswehr Top-Priorität haben“

Quelle: REUTERS

Das neuste Argument der Bundesregierung gegen Taurus-Lieferungen ist eine „technische Engstelle“. Das brachte sogar kurzzeitig die Opposition zum Zögern. Doch überzeugt ist sie nicht und spricht von einem „Vorwand“.

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Olaf Scholz hat mittlerweile so einiges versucht, um den Streit über die Auslieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine zu beenden. „Ich bin der Kanzler, und darum gilt das“, hatte er im März verkündet. Als die Diskussion trotzdem weiterlief, gab der Bundeskanzler wenige Wochen später erneut ein Basta zum Besten. „Das ist peinlich für unser Land“, sagte Scholz. Die Debatte geht angesichts der zunehmend schwierigeren Lage in der Ukraine freilich trotzdem weiter. Nun macht die Union erneut Druck.   

Zuletzt hatte Scholz mit dem Risiko argumentiert, dass Deutschland den Krieg gegen Russland mit den neuen Waffen eskalieren könnte: Nicht nur könne das Waffensystem Ziele innerhalb Russlands erreichen, erklärte er, auch sei unter Umständen der Einsatz von deutschen Soldatinnen und Soldaten in der Ukraine notwendig, um Taurus richtig einzustellen. Expertinnen und Industrie hatten diese Argumentation allerdings bereits damals als falsch zurückgewiesen.

In einer eigentlich geheimen Sitzung des Verteidigungsausschusses im Bundestag brachte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, nun ein ganz neues Argument: Das Zielsystem von Taurus (ZMP) liege nur in sehr begrenztem Maße auf Lager, sagte er. Bei einer Auslieferung der Raketen an die Ukraine drohe eine Fähigkeitslücke, welche die Truppe empfindlich treffe. Eine Nachbeschaffung von ZMP sei schwierig, habe Breuer argumentiert. Es handle sich um eine „technische Engstelle“, die für eine lange Zeit nicht ersetzt werden könne, zitierte „T-Online“ eine mit der Angelegenheit vertraute Person. 



Das brachte sogar die bislang laute Opposition erstmal zu ungewohntem Schweigen – aus dem sie jetzt allerdings langsam erwacht. Die Union kritisiert vor allem die Logik hinter dem Argument des technischen Engpasses. 

„Unter dieser Prämisse müsste der Kauf von Taurus für die Bundeswehr Top-Priorität haben“, sagt CDU-Verteidigungshaushälter Ingo Gädechens der WirtschaftsWoche. Bis zum heutigen Tag sei dem Parlament aber keine Vorlage zur Anschaffung weiterer Marschflugkörper übermittelt worden. Und solange keine neuen Raketen produziert würden, sei die Abgabe für die Bundeswehr natürlich schmerzhaft, so Gädechens. Und weiter: Der vermeintliche Techverlust sei „nur ein Vorwand gegen die Abgabe an die Ukraine, denn die Regierung hätte mit entsprechenden Entscheidungen schon vor vielen Monaten die Weichen für eine Neuproduktion stellen können“.

Der Oppositionspolitiker spricht damit ein Thema an, das erst am vergangenen Wochenende der Taurus-Hersteller MBDA selbst gestartet hat. Die Bundesregierung müsse Aufträge an die Rüstungsindustrie schneller entscheiden, forderte der Chef des Konzerns, Thomas Gottschild, in einem Interview mit der der „Augsburger Allgemeinen“. „Hier können wir in Deutschland wesentlich besser und schneller werden.“ Und weiter: „Der Taurus gehört in einen Baukasten für moderne Kriegsführung.“ Dennoch würden dem Unternehmen noch immer keine Neubestellungen aus Berlin vorliegen. Zwar werden die 600 bestehenden Raketen im Arsenal der Bundeswehr gerade Stück für Stück auf den neusten Stand gebracht, wie eine Nachfolge-Strategie aber aussehen könnte, bleibt bislang unklar. 

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Weil ohne Neubestellungen aber auch die technischen Engpässe der Truppe bei einer Abgabe an die Ukraine nicht behoben werden können, macht Olaf Scholz der Union den Vorwurf der Scheinheiligkeit denkbar einfach. „Bis heute ist mir kein nachvollziehbares Argument genannt worden – außer, dass sich Olaf Scholz angesichts katastrophaler Umfragewerte jetzt als angeblicher ‚Kanzler des Friedens‘ darstellen will“, sagt Gädechens. Ihre Kritikerinnen und Kritiker überzeugt hat die Bundesregierung offensichtlich noch immer nicht. Ein weiteres Basta des Kanzlers wird das auch nicht ändern.

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