Im Bundeskanzleramt, heißt es, sei man zufrieden mit den Ergebnissen des China-Besuchs von Olaf Scholz. Für Deutschlands Wirtschaft aber kann das – abgesehen von ein paar wenigen Konzernbossen – ganz und gar nicht gelten. Der Kanzler hat zumindest außerhalb der diskreten Gespräche mit Staatschef Xi Jinping sanfte Töne angestimmt, warb etwa vor Studenten in Shanghai für einen „fairen Wettbewerb“.
Das dürfte die Führung in Peking nicht im Geringsten beeindruckt haben. Denn für Diktatoren wie Xi Jinping und Wladimir Putin gilt: Sie hält man ausschließlich mit knallharter Abschreckung in Schach, und das eben nicht nur militärisch, sondern auch in Wirtschaftsfragen.
Xi Jinpings übergeordnetes Ziel ist es, China zum 100-jährigen Bestehen der Volksrepublik zur dominierenden Volkswirtschaft der Welt zu machen. Soweit ist das legitim. Dafür ist ihm allerdings jedes Mittel recht. Peking hat dafür schon vor Jahren einen planwirtschaftlichen Großangriff auf die Marktwirtschaften im Westen gestartet. Erst wurde systematisch technologisches Know-how abgesaugt. Nun wird mit hohen Subventionen versucht, westliche Unternehmen aus dem Markt zu drängen und an ihre Stelle staatliche oder private chinesische Betriebe zu setzen. „Angemessene Überkapazitäten dienen dem vollständigen Wettbewerb sowie dem Überleben des Stärkeren“ – spätestens seit Ministerpräsident Li Qiang gegenüber Scholz diesen Satz äußerte, sollte daran kein Zweifel mehr bestehen.
Die für halbwegs fairen Wettbewerb gut gerüsteten deutschen Firmen sind diesem Großangriff ohne politische Hilfe schutzlos ausgeliefert. Das gilt insbesondere für den deutschen Mittelstand. Während in der Autoindustrie weitgehend Transparenz herrscht über verkaufte Autos, über Gewinne und Verluste, werden kleinere oft familiengeführte Unternehmen eher im Verborgenen unter die Räder Chinas kommen. Still und leise werden sie verschwinden.
Initiative der kleinen Riesen
Dass Xi auch den deutschen Mittelstand klar ins Visier genommen hat, macht dessen sogenannte „Initiative der kleinen Riesen“ deutlich. Mit dem Programm fördert die Staatsführung rund 10.000 kleine und mittelgroße chinesische Unternehmen, gibt ihnen Zugang zu billigem Kapital, eine Vorzugsbehandlung von Behörden und die Unterstützung von staatlichen Konzernen.
Doch statt Kante zu zeigen, scheint es, als habe sich der Kanzler auf seiner Reise von den kurzfristigen Interessen der mitreisenden Konzernchefs lenken lassen. Die wollen für sich den Absatzmarkt China noch ein bisschen bewahren. Und stellen sich deshalb gegen allzu harte Zölle oder Marktzugangsbeschränkungen für chinesische Wettbewerber, auf die China wiederum mit ähnlichen Restriktionen für westliche Konzerne antworten könnte.
Dass Scholz so unentschlossen gegenüber Xi aufgetreten ist, torpediert zudem das Vorgehen in Brüssel. Die EU-Kommission hat kürzlich eine längst überfällige Untersuchung der chinesischen Subventionen im Bereich E-Autos eingeleitet und damit einen ersten Hauch von Abschreckung signalisiert. Damit hinkt Europa zwar immer noch weit hinter den Signalen hinterher, die etwa die USA oder Länder wie Japan zurzeit nach Peking senden. Aber immerhin, das hätte ein Anfang sein können.
Scholz macht das kaputt, indem er die EU als nicht geschlossen dastehen lässt.
Langfristig ist diese Scholz'sche China-Politik fatal. Je weniger abschreckend seine Worte jetzt ausfallen, desto mehr müssen später echte Taten folgen, in Form von Strafzöllen, in Form von Handelsembargos. Und desto mehr wird China mit Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Firmen reagieren. Für so manches deutsches Unternehmen dürfte es dann ohnehin schon zu spät sein.
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