Staatsbeteiligungen Jetzt wird das Tafelsilber inspiziert

Auf der Suche nach neuen Geldquellen: Bundesfinanzminister Christian Lindner. Quelle: REUTERS

Die Ampelkoalition prüft den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen des Bundes, damit die angeschlagene Deutsche Bahn investieren kann.

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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bei der Vorstellung des Sparpakets der Ampel-Regierung diese Woche nebenbei einen Satz gesagt, der bei genauerem Nachhören einige Wucht entfaltet. Lindner sprach davon, dass sich der Bund von Firmenbeteiligungen trennen will, um Milliarden zu erlösen, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Schattenetats anders eben nicht mehr zur Verfügung stehen. So waren im Nebenhaushalt namens Klima- und Transformationsfonds (KTF) 12,5 Milliarden Euro für neue Bahn-Infrastruktur eingeplant.

Im Bundeskanzleramt umschrieb der FDP-Chef dann, wie neue Geldquellen aufgetan werden sollen: „Wir gehen teilweise auch kreative Wege. Beispielsweise wollen wir Privatisierungserlöse von nicht benötigten Bundesbeteiligungen teilweise dafür nutzen, um die Bahn zu stärken.“ Die Deutsche Bahn gehört dem Bund, sie ist notorisch verspätet, die Züge sind überlastet und nach Jahren viel zu geringer Investitionen auf maroder Infrastruktur unterwegs.

Fragt man nun unter Regierungsleuten und Wirtschaftspolitikern der Koalition, berichten die Beteiligten unisono, dass in mehrere Richtungen geprüft werde, wie Geld zusammenkommen kann. Es geht ums Tafelsilber, um Beteiligungen, die nicht zwingend im Staatsbesitz sein müssen, die sich aber auch nur einmal verkaufen lassen – und dann eben weg sind. Nach dem Beteiligungsbericht des Bundes hält dieser Anteile an 117 Unternehmen und an Sondervermögen. Dazu kommen noch mittelbare Beteiligungen.

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Allein die Anteile der Bundesrepublik Deutschland, direkt oder über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, an der Deutschen Telekom (rund 30 Prozent) und der Deutschen Post DHL (rund 20 Prozent) würden nach konservativer Schätzung etwa 40 Milliarden Euro erlösen. Lindner hatte schon im Bundestagswahlkampf geworben, die größeren Pakete zu veräußern. „Es gibt keinen ordnungspolitischen Grund für Aktienpakete in Staatsbesitz“, sagte Lindner 2021. „Deshalb sollten wir verkaufen.“

Die grünen Koalitionspartner sehen wie Lindner die Notwendigkeit, nun neues Geld für die Bahn aufzutreiben. Andreas Audretsch, der für Wirtschaft zuständige Fraktionsvize im Bundestag, sagt: „Die Bahn braucht für die Sanierung viele Milliarden Euro.“ Dafür habe die Regierung zwar schon einen Aufschlag, die Klimakomponente, in der LKW-Maut eingeführt. Diese Einnahmen gingen dann zu großen Teilen an die Bahn. Doch das reiche nicht. „Die 12,5 Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds werden künftig über eine Anhebung des Eigenkapitals finanziert“, umreißt Audretsch. Mehr Eigenkapital gibt der Bahn dann Spielraum für Investitionen. Was andere Koalitionsleute noch nicht so genau sagen wollen, spricht der Grünen-Wirtschaftspolitiker aus: „Zudem laufen Gespräche über einen möglichen Verkauf der Bahn-Tochter Schenker. Der Aufsichtsrat wird in der Frage beraten.“

Da ist der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Reinhard Houben, deutlich vorsichtiger unterwegs. Der Liberale kann sich zwar ähnlich wie sein Parteichef deutlich mehr Privatisierungen vorstellen als manch andere in der rot-grün-gelben Regierung. Doch Houben warnt: „Bei allen Privatisierungen ist entscheidend, dass der Staat verschwiegen vorgeht. Jede öffentliche Debatte über ein Unternehmen ist nicht zuträglich für einen Verkauf.“ Aber auch er betont, die Bahn brauche im größeren Stil zusätzliches Geld – auch nach dem Urteil aus Karlsruhe. „Wir müssen die Klimawende auch mit Hilfe der Bahn schaffen.“

In der Koalition gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Logistiktochter Schenker von der Bahn verkauft werden solle. Nach Auskunft aus Regierungskreisen geht die Diskussion auch darüber, wie wichtig es für die Bahn sei, in der Logistikkette ein größeres Angebot zu haben als nur den Transport auf der Schiene.    

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FDP-Mann Houben hält Verkäufe von Bundesbeteiligungen insgesamt für wünschenswert und forciert Schritte in der verbliebenen Zeit der Legislatur. „Je größer der politische Mut ist, desto größer fällt auch der Betrag aus, den der Staat einnehmen kann.“ In den verbliebenen zwei Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl ließen sich „durchaus zweistellige Milliardenbeträge erlösen“.

Und er legt eine Fährte, was noch in den Blick kommt: „In den letzten Jahren hat der Staat ja immer wieder gezwungenermaßen Anteile an Unternehmen gekauft.“ Die müsse der Bund irgendwann verkaufen. „Zum Teil hat uns das die EU konkret vorgegeben.“ Und zurzeit seien die Bedingungen dafür gut: „Der Dax steht auf einem Allzeithoch und es scheint genügend privates Kapital am Markt vorhanden.“

Vor einem Jahr war der Bund zu gut 99 Prozent beim Energieunternehmen Uniper eingestiegen und hatte das damit begründet, dass die Energieversorgung im Land sichergestellt werden müsse. Uniper war nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil viel weniger, aber viel teureres russisches Gas geliefert wurde, zugleich aber die Lieferverpflichtungen mit den Kunden weiter bestanden.

Der Bund ist auch Aktionär bei der Commerzbank – mit einem Anteil von gut 15 Prozent. Er hatte die Frankfurter Großbank in der Finanzkrise 2008/2009 mit Milliarden Euro Steuergeld vor dem Kollaps bewahrt und war auch als Großaktionär eingestiegen. Die Hilfen zahlte die Commerzbank zurück, der Bund blieb aber Aktionär.

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Schließlich hat der Bund noch die größeren Beteiligungen an Post und Telekom. Bei der Post sind die SPD-Leute in der Regierung dem Vernehmen nach nicht für einen Verkauf, weil die Post ein so großer Arbeitgeber ist. Die Telekom ist nach Einschätzung aus allen drei Koalitionsfraktionen kein Verkaufskandidat. Hier wolle der Staat seinen Einfluss absichern, die Telekom-Infrastruktur sei im nationalen Interesse.

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