Standort Deutschland Ein Ruck durch Olaf

Olaf Scholz zieht sein Ding stoisch und unbeirrt durch. Quelle: imago images

Der Kanzler verbreitet Zuversicht, komme, was wolle. Seine Methode aber reicht nicht mehr für das, was nötig wäre. Ein Kommentar.

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Neulich musste ich bei Olaf Scholz an Jan Ullrich denken, den Radfahrer. Stimmt schon – nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Zumal der Kanzler, nach allem, was man weiß, nicht in die Pedale tritt, sondern joggt und früher öfters mal über die Alster gerudert ist. Aber trotzdem geht mir das Bild nicht mehr aus dem Kopf. Ullrich kämpfte sich früher die Berge bei der Tour de France in seinem eigenen, immer gleichen Takt hoch. Die Konkurrenz ging aus dem Sattel, „Ulle“ blieb sitzen. Egal, wie fies die Steigung war.

Olaf Scholz“ Politikstil beschreibt das ziemlich gut. Oder besser gesagt: seine Idealvorstellung politischer Führung. Mögen die anderen keuchen, das Tempo wechseln, antreten, sich quälen, er zieht sein Ding stoisch und unbeirrt durch – und gewinnt am Ende. So sieht er das. Der größte Fan des amtierenden Kanzlers ist nun mal Olaf Scholz selbst.

Was aber, wenn dieser Tourplan immer seltener aufgeht? Wenn der Regierungschef den Anschluss ans Volk verliert und der gesamte Standort den Kontakt zur Konkurrenz? Zumal dann, wenn der Rest des Teams gerne auf eigene Rechnung fährt?

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von Sonja Álvarez, Horst von Buttlar, Max Haerder

Bevor wir dem weiter nachgehen, ein kleiner Schlenker zu Angela Merkel. Eines hat Scholz an seiner Vorgängerin besonders imponiert: ihr meisterhaftes Talent, den Deutschen die Krisen dieser Welt vom Leib und Portemonnaie zu halten. Die Wählerinnen und Wähler wussten: Bei Mutti sind wir sicher.



Tja, oder eben auch nicht. Dass es nichts umsonst gibt, erst recht keine Sicherheit, merken wir gerade. All die liegen gebliebenen Reformen, die falschen Weichenstellungen, Investitionsschwächen, Betriebsblindheiten und weltpolitischen Naivitäten stürzen gerade gleichzeitig über unserem Land und Merkels Nachfolger ein.

Und wie geht Scholz damit um? Am liebsten würde er wohl einfach im Sattel bleiben und wie ein Metronom weitertreten. Natürlich, auch er kann Tempo- und Tonwechsel, wenn die Umstände keine andere Wahl lassen. „Bazooka“ und „Wumms“ zeugen davon. Aber es sind die Ausnahmen, nicht die Regel.

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Vielleicht muss allerdings bald wieder ein Ruck durch Deutschland gehen. Das wäre jedoch keiner, der mit Hunderten von Milliarden in neuen Rettungstöpfen begleitet, gelindert oder versüßt wird. Ob Olaf Scholz bereit ist, uns wirklich Reformen zuzumuten, die auch mal wehtun, bevor sie wirken? Die Antwort könnte über seine Wiederwahl entscheiden. Egal, wie sie ausfällt.

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