Standortdebatte „Subventionsabbau ist keine Wundertüte“

Wie lässt sich der deutschen Wirtschaft Dampf machen? Quelle: imago images

Die Regierung debattiert über die Schuldenbremse. Dabei könnten Milliarden anders mobilisiert werden, meint Ökonom Stefan Kooths: die Ampel müsste Subventionen kappen. Dann könnte sie auch das gravierendste Wachstumsproblem überhaupt angehen.

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WirtschaftsWoche: Herr Kooths, Jahr für Jahr verteilt der Bund fast 90 Milliarden Euro an Subventionen. Wieso schafft es die Regierung nicht, hier zu kürzen?
Stefan Kooths: Das ist vielleicht kein Trost, aber die Ampel ist nicht die erste Koalition, die sich damit schwertun würde. Subventionen begünstigen meist sehr schlagkräftige Interessengruppen, die sich zu wehren wissen, auch öffentlich. 

Das heißt?
Da überlegt man sich als Politiker mehr als einmal, ob man den Konflikt sucht. Zumal die Leidtragenden alle Steuerzahler sind, und unter ihnen lässt sich die finanzielle Last gut verteilen. Zu den genannten Finanzhilfen kommen übrigens noch Steuervergünstigungen in ähnlicher Größenordnung hinzu. Deren Abbau ist nicht weniger unpopulär, weil das ohne Kompensation auf Steuererhöhungen hinausläuft.

Das Institut für Weltwirtschaft listet allein über 90 Subventionsposten mit jeweils mehr als 100 Millionen Euro Umfang auf. Da muss doch was zu holen sein.
Natürlich, aber da müsste die Politik eben an Besitzstände ran. Deshalb gibt es ja auch immer wieder die Sehnsucht nach der Rasenmähermethode: also einfach alle Subventionen um x Prozent zu kürzen.

Das wäre ein Anfang, oder?
Es würde dann jedenfalls allen gleich weh tun, das stimmt. Aber die Politik würde sich drücken vor der Entscheidung, welche staatliche Förderung sinnvoller als andere ist. Und da gibt es große Unterschiede.

Zur Person

Dann erzählen Sie.
Wir haben das einmal klassifiziert: Bei den verzichtbarsten Finanzhilfen wird es schnell sehr kleinteilig, Zuschüsse an die Träger der landwirtschaftlichen Unfall- und Krankenversicherung sind dabei mit 1,5 Milliarden Euro der größte Batzen. Bei den zumindest problematischen Posten fallen neben den Zuschüssen an die Krankenversicherungen für versicherungsfremde Leistungen die Subventionen im Eisenbahnbereich ins Gewicht. 

Warum?
Dort braucht es zwar Investitionen, die Infrastruktur sollte aber bei jedem Verkehrsträger von denjenigen bezahlt werden, die sie in Anspruch nehmen. Nutzer- statt Steuerfinanzierung ist hier das Stichwort. Der Verkehrsbereich bekommt insgesamt Subventionen von über 20 Milliarden Euro. Unter den Steuervergünstigungen stechen die Entfernungspauschale und ermäßigte Steuersätze für Kulturbetriebe hervor – beides addiert sich schon zu rund 10 Milliarden Euro. Unterm Strich gilt jedenfalls: Kürzungen im unteren zweistelligen Milliardenbereich sind sinnvoll und machbar. Das bedeutet allerdings immer auch, dass Preise – zum Beispiel für Bahntickets – an anderer Stelle steigen werden. Subventionsabbau ist keine Wundertüte, sorgt aber dafür, dass wir insgesamt effizienter wirtschaften können.



Und ein Abbau würde Spielräume schaffen, um das Geld produktiver einzusetzen. Vielleicht für eine Senkung der Unternehmenssteuern?
Die Belastung der deutschen Unternehmen bewegt sich im internationalen Vergleich im oberen Bereich, das stimmt. Bei der Steuerbelastung spielt der Faktor Arbeit eine zunehmend wichtige Rolle, nicht zuletzt mit Blick auf die Attraktivität für Zuwanderer. Im unteren Einkommensbereich gibt es immer noch viel zu viele Fehlanreize im Steuer-Transfer-System. Hier ließe sich auch aufkommensneutral schon viel verbessern, denn wer erst gar nicht zuwandert (oder gar abwandert) und hier nicht arbeitet, zahlt gar keine Steuern. 

Gibt es außer Steuern noch einen wichtigen Hebel?
Am wichtigsten bleiben Ausgaben für Schule und Kitas. Im Bildungssektor winken die höchsten Renditen. Oder umgekehrt argumentiert: Mangelnde Sprachkenntnisse, zu viele Schulabbrecher, Unterrichtsausfall – da entstehen die Wachstumsprobleme von morgen. Hier sollte gegengesteuert werden. Das muss nicht unbedingt mehr kosten, auch Umschichtungen von den Hochschulen zum Primarbereich würde schon eine Menge bringen, insbesondere wenn das mit mehr Autonomie und Wettbewerb im Schulbereich einhergeht.

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Nun muss sich Ampel einer Standort- und Konjunkturdebatte stellen, die schon fast das Ausmaß von vor zwanzig Jahren erreicht. Glauben Sie, dass die Ampel die Kraft zu einem Reform-Befreiungsschlag besitzt?
Das ist schwer vorherzusagen. Historisch betrachtet haben sich sozialdemokratisch geführte Regierung oft leichter getan mit großen, auch einschneidenden Reformen. Sie besitzen einen Vertrauensvorschuss bei den Wählern, dass es wohl wirklich ernst ist, wenn selbst sie Zumutungen wagen. Gerhard Schröders Agenda ist dafür das einschlägige Beispiel. Allein: Die Ampel unter Olaf Scholz scheint mir jedoch insgesamt ein zu großes Misstrauen gegenüber marktwirtschaftlichen Freiräumen zu hegen. Statt einer wachstumsfreundlichen Standortpolitik erleben wir bislang vor allem industriepolitischen Dirigismus. Insofern halten sich meine Erwartungen in engen Grenzen.

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