Suche nach Antworten in der Ölkrise Jede zweite deutsche Sonnenblume wächst in Brandenburg

Eine der meistgestellten Fragen an Supermarkt-Angestellte in diesen Tagen ist, wann denn die neue Lieferung mit dem Speiseöl erwartet wird. Währenddessen läuft die Suche nach Alternativen auf Hochtouren. Quelle: imago images

In Supermärkten ist Sonnenblumenöl derzeit kaum erhältlich. Die Ukraine war bislang der Hauptlieferant von Sonnenblumenöl. Wegen des Krieges fallen die Importe aus. Sitzen Brandenburger Landwirte, die die Kultur anbauen, jetzt auf einem Goldschatz?

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Fast jede zweite Sonnenblume, die in Deutschland aus einem Samenkorn heranwachsen wird, steht nach Angaben des Brandenburger Bauernverbands auf einem märkischen Acker. Auf 13.100 Hektar zwischen Oder und Elbe wird gesät, bundesweit sind der Kultur etwa 28.000 Hektar zugewiesen. „Gemessen an der Fläche, auf der in der Ukraine Sonnenblumen stehen mit etwa 6,5 Millionen Hektar, muss man aber sagen: wir sind ein sehr kleines Licht“, betont Henrik Wendorff, Präsident des Brandenburger Landesbauernverbandes. Die Chance, eine Flasche mit Brandenburger Sonnenblumenöl zu finden, ist sehr gering. In die Bresche nach dem Ausfall der Lieferungen aus der Ukraine könne Brandenburg nicht springen.

Die Ukraine ist nach Angaben der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) der größte Lieferant für Sonnenblumenöl in der Europäischen Union. Nach Recherchen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft wurden 2020/2021 insgesamt rund 1,7 Millionen Tonnen in die Europäische Union importiert, davon 1,5 Millionen Tonnen aus der Ukraine. Im laufenden Wirtschaftsjahr bis Ende Februar stammten 1,09 Millionen Tonnen der insgesamt importierten 1,27 Millionen Tonnen Sonnenblumenöl aus der Ukraine.

Nach Angaben des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid) deckt Deutschland 94 Prozent seines Bedarfs an Sonnenblumenöl über Importe. Ukraine und Russland sind danach weltweit die wichtigsten Exportländer. Kurzfristige Engpässe bei einzelnen Rohstoffen könnten nur schwer substituiert werden. Mittelfristig werden sich die internationalen Warenströme neu ausrichten, ist man überzeugt. „In den Ölmühlen werden die letzten Bestände verarbeitet“, sagt Ovid-Sprecher Maik Heunsch. „Und es kommt nichts nach.“

von Christian Schlesiger, Max Haerder, Daniel Goffart, Sonja Álvarez

Eine gute Alternative für Verbraucher sei Rapsöl. „Das steht hierzulande in ausreichender Menge zur Verfügung und wird weiterhin verarbeitet“, sagt Heunsch. Aktuell gedeiht Raps in Deutschland nach den Angaben auf rund 1 Million Hektar. Wegen des Krieges können nun in der Ukraine Felder nicht bestellt werden. Experten befürchten ernstzunehmende Versorgungsprobleme, wenn Einfuhren vollständig oder mittelfristig ausfallen. Brandenburg stand im Vorjahr mit einem Ertrag von 20.200 Tonten bundesweit an der Spitze, aus Bayern kamen 11.300 Tonnen und aus Sachsen-Anhalt 10.100 Tonnen.

In der Agrargesellschaft Stolzenhain/Prösen (Landkreis Elbe-Elster) hat Feldbauleiter Sandro Schulze schon in dieser Saison vorsorglich die Anbaufläche verdoppelt. Auf 200 Hektar stehen dann die Pflanzen. Zum Vergleich: In Brandenburg gedeiht Weizen auf knapp 500.000 Hektar. Die Agrargesellschaft in Elbe-Elster bearbeitet insgesamt etwa 2800 Hektar Fläche, unter anderem mit Mais als Futter für die Milchkühe.

Brandenburg ist geeignet für den Anbau für Sonnenblumen wegen der Sonnenscheindauer. Zudem benötigt die Pflanze wenig Dünger. Aber trotzdem ist die Kultur nach Angaben von Landwirt Schulze nicht ohne. Sie mag vor allem keinen Frost. Für das Auslegen der Samenkörner und die Ernte ist außerdem Spezialtechnik erforderlich. „Wir bauen auch kurze Sorten mit einer Höhe von maximal 1,50 Meter an wegen der besseren Standfestigkeit bei Regen und Stürmen“, sagt Schulze. Von Ende Mai bis Anfang Juni leuchten dann die gelben Blüten und reifen. Von Mitte September bis Mitte Oktober werden die Köpfe geerntet. Die Stängel bleiben stehen und werden als Dünger in den Boden eingearbeitet.

Pro Hektar werden in der Agrargesellschaft in Südbrandenburg etwa 1,5 Tonnen geerntet. Ist der Ölgehalt der Kerne gemessen, entscheidet sich für den Landwirt: „Haben wir Vogelfutter angebaut oder kann Öl gepresst werden.“

„Wer erfolgreich Sonnenblumen anbaut, kann mit der Kultur gut verdienen“, meint Landesbauernpräsident Wendorff. Aber Ertrag und Qualität müssten stimmen. „In der Vergangenheit war die Sonnenblume nicht konkurrenzfähig im Vergleich zu anderen Kulturen“, sagt er. Mit guten Erträgen bei Weizen oder Körnermais konnte sie nicht mithalten. „Durch den hohen Nachfragedruck gibt es jetzt eine andere Situation.“ Im Moment ist nach Angaben von Wendorff die Bereitstellung von qualitativ gutem Saatgut ein Problem. „Speziell gezüchtetes Saatgut für den Profianbau gibt es derzeit nicht am Markt. Wer es noch nicht schon hat, wird voraussichtlich auch keines bekommen“, sagt Wendorff und ergänzt: „Der Samen ist im Moment sprichwörtlicher Goldstaub.“

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