Tracking der Energiewende #3 Die Wind-Rezession

Energiewende in Deutschland: Der Rückstand wächst. Quelle: imago images

Jetzt soll der Ausbau der erneuerbaren Energien sogar in die staatliche Wohlstandsmessung einfließen. Umso bitterer, dass der Abstand zwischen Plan und Realität derzeit von Woche zu Woche wächst.

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Als Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der vergangenen Woche den Jahreswirtschaftsbericht vorstellte, da schaffte er es, dem Routinetermin einen Hauch von Disruption zu verleihen. Seit einem halben Jahrhundert schon gibt es den Bericht, Habeck nahm in nun als Anlass zu einer grundlegenden Neuerung: Der Wohlstand in Deutschland soll nicht mehr nur anhand des BIP gemessen werden, von nun an sollen auch Dutzende soziale und ökologische Faktoren in den Blick genommen werden.

Ob dieses Sammelsurium tatsächlich eine Chance hat, das unvollständige, aber leicht handhabbare BIP zu beerben, muss sich weisen. Eines aber zeigen die Faktoren eindeutig: Welche Indikatoren dem Minister und seiner Partei am Herzen liegen, auf welchen Skalen er selbst gerne Erfolge verzeichnen will. Was dabei an oberster Stelle steht, verrät schon der Blick auf den Umschlag des Berichts. Darauf zu sehen: Frühlingshaft grüne Felder, in der Ferne ein paar Hügel. Und mittendrin sechs Windräder.

(Lesen Sie hier mehr zum Thema: Gibt es ein besseres Wohlstandsmaß als das BIP?)

Doch so wichtig der Ausbau der erneuerbaren Energien für den Erfolg des Ministers sein mag, so zögerlich ist er, sich hier die exakten Ziele zu setzen, an denen er seine Vorgänger gerne misst. Als Habeck zum Jahresbeginn seine „Auftaktbilanz Klimaschutz“ vorlegte und darin auch eine Balkengrafik mit Ausbauzielen zeigte, wurden die darin fehlenden Werte mit dem Verweis auf nötigen „Abstimmungsbedarf“ zurückgehalten. Es klang so, als sei das eine Sache von Stunden oder Tagen, schließlich lag die grafische Darstellung ja schon vor. Jetzt aber zeigt sich, dass dahinter eine größere Verzögerung steckt. Auf erneute Nachfrage teilt Habecks Haus nun mit, man „gehe davon aus“, dass konkrete Jahresziele gemeinsam mit einem ersten „Eil-Paket“ zum Klimaschutz im April vorgelegt würden. Mit anderen Worten: wenn das erste Quartal bereits vorbei ist.



Die Zurückhaltung des sonst so gerne mit eindeutigen Zahlen hantierenden Ministers in dieser Frage könnte sich auch damit erklären, dass der ohnehin schleppend laufende Ausbau von Windkraft und Solarenergie auch am Ende des ersten Monats des Jahres kaum an Schwung gewonnen hat. Zwar lag die Energiemenge der neu gebauten Solaranlagen mit knapp 69 Megawatt deutlich über dem Wert der Vorwoche (53 MW) – aber immer noch weit hinter dem Wert der ersten Kalenderwoche und um mehr als 50 Prozent hinter dem, was wöchentlich zugebaut werden müsste, um auf den Pfad in Richtung des anvisierten Anteils von 80 Prozent Erneuerbarer bei der Stromproduktion zu kommen.

Noch schlechter ist die Lage beim Zubau der Windkraftanlagen, in der vergangenen Woche wurden nur drei neue Rotoren ans Netz angeschlossen, die gut elf Megawatt Leistung liefern – 58 Megawatt pro Woche wären notwendig.



Die neuen Windkraftanlagen stehen in Brandenburg und Schleswig-Holstein, zwei Bundesländer, die schon bisher zu den größten Stromproduzenten in diesem Feld zählen.

Auch bei den Solaranlagen setzen sich bestehende Trends fort, vor allem in Baden-Württemberg und Bayern entstehen viele Anlagen, aber auch die norddeutschen Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern fallen hier auf.



Insgesamt ist der Abstand zwischen dem tatsächlichen Ausbau und den Zielen damit in den ersten vier Wochen schon dramatisch angewachsen. Kurz vor Ende des Monats fehlen bei der Windkraft 174,6 Megawatt, bei der Solarenergie 271 Megawatt. Insgesamt wurden nur 40 Prozent dessen gebaut, was zur Erreichung der aus der Eröffnungsbilanz abgeleiteten Ziele notwendig wären. Sollte der Minister sich für April Zielen setzen wollen, die noch halbwegs erreichbar wären, er müsste seine Balken vom Jahresauftakt wohl mindestens um die Hälfte schrumpfen.

Mehr zum Thema: Warema-Chefin Angelique Renkhoff-Mücke dringt auf den konsequenten Ausbau von Windenergie in Bayern – und hält nachhaltige Atomenergie für eine Milchmädchenrechnung. Debatte um Windkraftausbau: „Jeder muss womöglich in einen sauren Apfel beißen“

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