Versprochenes Wachstum Wunde Wirtschaft statt Wirtschaftswunder

Scholz hat großes Wachstum versprochen, doch die Realität fällt ernüchternd aus. Quelle: dpa Picture-Alliance

Vor einem Jahr versprach der Kanzler das „grüne Wirtschaftswunder“ – Wachstum wie in den 1950er- und 1960er-Jahren durch den Öko-Umbau des Landes. Nichts davon ist zu erkennen. Ein Kommentar.

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„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Der Satz wird dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer zugeschrieben. Jeder Kanzler muss sich zumindest aber an den Ergebnissen dessen messen lassen, was er versprochen hat. Adenauer regierte immerhin in Zeiten des Wirtschaftswunders. Das bedeutete im Schnitt ein Plus von jährlich acht Prozent und Vollbeschäftigung. Das brachte Wohlstand in weite Teile der Gesellschaft.

Vor genau einem Jahr nutzte Kanzler Olaf Scholz das große Versprechen Wirtschaftswunder selbst. Nach der Kabinettsklausur in Meseberg sagte er: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können wie zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren geschehen.“ Das „grüne Wirtschaftswunder“ also.

Doch von der Verheißung eingetreten ist noch nichts. Auch die Aussichten entsprechen nicht dem Scholz’schen Wunsch.

Wunde Wirtschaft: Die Wirtschaft schrumpfte 2023 um 0,3 Prozent. In diesem Jahr erwartet die Regierung ein verschwindendes Plus von 0,2 Prozent. Wirtschaftsminister Robert Habeck nannte die Lage „dramatisch schlecht“. Die Marktwirtschaft, die es richten soll, folgt nicht den Programmen der Ampelkoalition.

Am Bau: Die Regierung hat 400.000 neue Wohnungen im Jahr versprochen. Doch 2023 wurden grade mal 270.000 Wohneinheiten fertiggestellt. 2024 dürften es nur wenig über 200.000 werden. Zu viel Bürokratie auch beim Klimaschutz und hohe Baukosten spielen eine Rolle.

Beim Heizen: Voriges Jahr wurden im großen Stil Brennkessel für Gas und Öl eingebaut – trotz Verabschiedung des Heizungsgesetzes mit umfangreicher Förderung für treibhausgasfreie Wärmepumpen. 1,3 Millionen neue Heizungen – Rekord. Allerdings laufen drei Viertel davon auf die nächsten Jahrzehnte mit Gas und Öl.

Beispiel Autos: Die Regierung hat das Ziel von 15 Millionen zugelassenen E-Autos bis 2030. Bisher sind es nur rund 1,9 Millionen. Mehr als diese Zahl müssten jedes Jahr dazukommen, um das Ziel irgendwie zu schaffen. Angesichts neuer Zulassungszahlen unwahrscheinlich. Ein Boom, ein beherzter Aufbruch in die fossilfreie Zeit, sieht anders aus.

Internationaler Wettbewerb: Die weltweite Boombranche Solar droht in Deutschland abzubröseln, weil die Bedingungen für Unternehmen wenig konkurrenzfähig aussehen. Die Stahlproduktion dürfte nur durch ein über Jahrzehnte laufendes Subventionsprogramm gehalten werden – und dabei hoffentlich ergrünen. Doch hohe Energiekosten lassen viele Unternehmerinnen und Unternehmer verzweifeln.  

Zum Wirtschaftswunder gehört Marktwirtschaft und weniger die Aussicht auf hohe Subventionen und enge Regularien. In dieser Lage klaffen Worte und Wirklichkeit weit auseinander.


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