WeFox-Gründer „Wir brauchen eine Start-up-Kanzlerin“

Julian Teick Quelle: WeFox

Julian Teicke, 34, hat mit WeFox eines der erfolgreichsten deutschen Insurtechs gegründet – doch das Geld kommt vor allem von ausländischen Investoren. Warum er sich mehr Wagniskapital aus Deutschland wünscht, was er vom „Zukunftsfonds“ der Regierung hält und weshalb er eine entschlossenere Digitalpolitik fordert, erzählt er im Interview.

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Julian Teicke, 34, hat 2014 das Start-up WeFox gegründet, das einen digitalen Marktplatz für Versicherungen, Makler und Kunden bietet. Zu den Investoren gehören beispielsweise Omers Ventures, Merian Chrysalis, der Samsung Catalyst Fund, Mubadala Ventures aus Abu Dhabi, das chinesische FinTech CreditEase und die spanische VC Mundi Ventures. Auch Prominente wie der US-Schauspieler Ashton Kutcher und die Sängerin Lena Meyer-Landrut gehören zu den Investoren.

WirtschaftsWoche: Herr Teicke, mit Ihrem Start-up WeFox haben Sie eine digitale Plattform für den Versicherungsmarkt gegründet, die inzwischen mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet wird, wobei Ihre Investoren zum Großteil aus dem Ausland kommen. Warum ist es für deutsche Start-ups offensichtlich so schwer, an Wagniskapital aus Deutschland zu kommen?
Julian Teicke: Wir stehen mit unserer Finanzierung sicher beispielhaft für dieses Problem. Unsere Investoren kommen aus den USA, Kanada, Asien und Abu Dhabi, nur ein sehr geringer Anteil aus Deutschland. Zwar ist es in der Frühphase der Gründung, also bei der Seed- oder Series-A-Runde, deutlich leichter, hierzulande an Venture Capital zu kommen, danach wird es aber schwer.

In neun von zehn Fällen sind bei den großen Deals in Deutschland in den vergangen zwei Jahren ausländischen Investoren an Bord gewesen, zeigt auch eine aktuelle Studie der KfW. Fehlt es an Anreizen oder an Mut?
Vermutlich an beidem. Wer Wagniskapital investiert, geht natürlich auch ein Risiko ein – und damit tut man sich in Deutschland offensichtlich weiter schwer. Das kann sich langfristig negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auswirken.

Warum?
In Deutschland haben wir inzwischen zehn Unicorns…

…also Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet werden…
…und bei keinem dieser zehn Unternehmen hat ein deutscher Investor einen maßgeblichen Anteil gehabt, soweit ich weiß. Es geht hier aber nicht nur darum, dass den Investoren dadurch bei den großen Exits die Rendite flöten geht. Sondern es geht vor allem auch um den Zugang zu neuen Technologien und innovativen Ideen, denen dadurch quasi der Ausverkauf droht.

Die Regierung will den Technologiestandort und das Start-up-Ökosystem nun auch mithilfe eines Zehn-Milliarden-Zukunftsfonds stärken. Ist das eine gute Idee?
Zehn Milliarden Euro sind ein Witz verglichen etwa mit den 120 Milliarden Dollar, die Kanadas staatlicher Pensionsfonds Omers zur Verfügung hat – aber klar, es ist erstmal ein Anfang und ich finde es toll, dass Thomas Jarzombek das Thema als Start-up-Beauftragter im Wirtschaftsministerium so vorantreibt. Aber dennoch reicht es nicht. Was wir brauchen ist eine stärkere Symbolkraft, etwa wie in Frankreich, das Präsident Macron zur „Start-up-Nation“ ausgerufen hat.

Aber starke Worte allein bringen Start-ups am Ende doch wenig, zumal Frankreich mit fünf Milliarden Euro nur die Hälfte von dem geplanten Zukunftsfonds-Budget in die Start-up-Förderung stecken will?
Mir geht es aber um die Haltung. Die zehn größten Unternehmen, die es in zehn Jahren in Deutschland geben wird, sind heute noch nicht mal gegründet. Ich weiß nicht, ob man das verstanden hat. Die Zukunft ist digital und wir werden nur wettbewerbsfähig sein, wenn wir zu einem Digitalstandort werden.


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Dann reicht es Ihnen nicht, dass Kanzlerin Angela Merkel die Digitalisierung zu einem ihrer großen Themen gemacht und der Regierung einen Digitalrat zur Seite gestellt hat?Diejenigen, die da im Digitalrat sitzen, sind aus meiner Sicht nicht nicht die wichtigsten Kräfte der Digitalwirtschaft, um es mal vorsichtig auszudrücken. Sicher stehen wir heute als Digitalstandort deutlich besser da als noch vor zehn Jahren – aber noch immer deutlich zu schlecht, um mit den USA oder China mitzuhalten.

Was also ist neben der Milliarden-Förderung zu tun?
Es mangelt ja in Deutschland nicht an Talent, aber ich wünsche mir, dass gerade die jüngere Generation mehr motiviert wird, ihr Glück nicht in der alten Welt zu suchen, sondern die neue, digitale Welt mitzugestalten und dafür auch Risiken in Kauf zu nehmen. Das gelingt nur, wenn das an der Regierungsspitze auch gelebt wird. Ich wünsche mir deshalb, dass wir als nächstes einen Start-up-Kanzler oder eine Start-up-Kanzlerin bekommen.

Möchten Sie eine Wahlempfehlung abgeben?
Nein, aber was ich mir schon jetzt für die nächste Legislaturperiode wünsche ist ein Digitalministerium, damit das Thema koordinierter angegangen wird als bisher.

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