Weltwirtschaftsforum Davos und der Zorn auf dem Zauberberg

Olaf Scholz beim Weltwirtschaftsforum 2022. Quelle: imago images

Was Zorn und Zeit und Zeitenwende mit dem „Zauberberg“ zu tun haben. Gerade jetzt. Ein Kommentar.

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Was gibt es denn? Was liegt in der Luft? „Zanksucht. Kriselnde Gereiztheit. Namenslose Ungeduld. Eine allgemeine Neigung zu giftigen Wortwechseln, zum Wutausbruch, ja zum Handgemenge.“ So beginnt es, das berühmte vorletzte Kapitel aus Thomas Manns noch berühmterem Roman „Zauberberg“: „Die große Gereiztheit“. Es spielt 1913, am Vorabend des Krieges, und Hass, Nationalismus und Antisemitismus tröpfeln ihr Gift in die Roman-Säle des Davoser Sanatoriums, wie sie es auch in Wirklichkeit taten. Thomas Mann wusste darum, er beendete den „Zauberberg“ erst 1923. Und „die Augen blitzten auffällig, die Münder verbogen sich leidenschaftlich“.

An dieses Hochgebirge von einem Buch erinnerte auch Olaf Scholz, als er das erste Mal als Bundeskanzler im echten Davos auftrat, beim Weltwirtschaftsforum im Mai 2022. Der Kanzler aber, bekanntlich ein leidenschaftlicher Vielleser, hatte es in seiner Reminiszenz damals noch nicht auf die Gereiztheit abgesehen, sondern auf das, was Mann als „Donnerschlag“ beschrieb: den Ersten Weltkrieg. Von dort war es für den noch ziemlich frisch vereidigten deutschen Regierungschef kein weiter Bogen mehr bis zum Donnerschlag der Zeitenwende, die sich erst knapp drei Monate davor ereignet hatte.

Heute, rund anderthalb Jahre später und kurz vor dem nächsten Weltwirtschaftsforum, dieser westlichen Wundermesse der Welt(be)deutung, schmerzt der russische Donnerschlag in der Ukraine immer noch in unseren Ohren. Aber das allein ist es nicht. Sondern tatsächlich ist es eine neue große Gereiztheit und nervöse Unruhe da draußen, die einen ernst werden lässt. In Deutschland in Tagen des Treckerzorns. Aber weit existenzieller noch angesichts der fiebrigen Aufgeputschtheit Amerikas. Der Bedrohung Taiwans durch China. Und der simmernden Gewalt im Nahen Osten, die jederzeit unkontrolliert überkochen könnte.

Den „Zauberberg“ zu lesen, sei wie „das große Dementi eines alten Traums von Aufklärern, Bildungsbürgern und Geistes-Ärzten aller Art“, hat der viel zu früh verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher einmal geschrieben, ein Dementi „der Hoffnung, der Mensch könne einen Zustand der Reflexion und Verinnerlichung erreichen, die ihn immun macht gegen Infektionen und Bazillen aller Art“.

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Denken Sie sich das leider mit. Und lesen Sie den Roman deshalb genau jetzt, genau deswegen – und zwar ganz gleich, ob man nun etwas für Davos übrighat oder nicht. Von diesem Gipfel kehrt man als ein anderer zurück.

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