Die CDU will Ursula von der Leyen als Kandidatin für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission vorschlagen. Von der Leyen sei einstimmig vom CDU-Vorstand zur Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie EVP nominiert worden, sagte Parteichef Friedrich Merz am Montag nach einer Sitzung des Parteigremiums. Kurz zuvor hatte die 65-Jährige während der Sitzung erklärt, eine zweite Amtszeit an der Spitze der Brüsseler Behörde anzustreben. Von der Leyen habe deutlich gemacht, sie freue sich auf den gemeinsamen Wahlkampf, hieß es aus der Sitzung.
Der Posten des EU-Kommissionspräsidenten muss nach den Europawahlen im Juni neu besetzt werden. Ernannt wird in der Regel ein Kandidat der europäischen Parteienfamilie, die bei der Europawahl am besten abschneidet. In Umfragen liegt die Europäische Volkspartei (EVP) bislang klar vorn. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen Präsidentin bleiben kann.
Als Präsidentin der EU-Kommission ist von der Leyen seit dem 1. Dezember 2019 Chefin von rund 32 000 Mitarbeitern, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die 65-Jährige bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Das US-Magazin „Forbes“ kürte von der Leyen erst jüngst wieder zur „mächtigsten Frau der Welt“.
„Forbes“: Von der Leyen mächtigste Frau der Welt
Die bisherige Amtszeit von der Leyens wurde vor allem von der Corona-Krise und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geprägt. In der Pandemie organisierte die EU-Kommission unter anderem die gemeinsame Impfstoffbeschaffung und erarbeitete ein riesiges Wiederaufbauprogramm für die Wirtschaft.
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ist die Behörde nun insbesondere dafür zuständig, die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes zu organisieren und Vorschläge für Russland-Sanktionen zu machen. Zu weiteren wichtigen Aufgabenbereichen der Behörde gehören die europäische Handels-, Wettbewerbs- und Umweltpolitik. Besonders am Herzen liegt von der Leyen dabei das Ziel, die EU bis 2050 zur ersten klimaneutralen Wirtschaftsmacht der Welt zu machen.
Vor ihrem Wechsel nach Brüssel war von der Leyen unter anderem Verteidigungsministerin unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Mutter von sieben Kindern ist promovierte Medizinerin und war auch schon Bundesfamilienministerin, Arbeitsministerin und Sozialministerin in Niedersachsen.
Für den Job an der Kommissionsspitze galt sie zumindest auf dem Papier bereits 2019 als Idealbesetzung. Von der Leyen wurde 1958 in Brüssel geboren - in dem Jahr, als Walter Hallstein als erster und bis zu von der Leyen letzter Deutscher Chef der Kommission wurde. Für diese Kommission arbeitete von der Leyens Vater, der spätere niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht. Die Tochter ging auf die Europaschule - auch deshalb spricht sie gut Französisch und Englisch.
Wahl von der Leyens als EVP-Kandidatin wohl am 7. März
Die Wahl des EVP-Kandidaten für den Topposten soll bei einem Parteikongress am 7. März erfolgen. Dass von der Leyen dort die notwendige Stimmenmehrheit erhält, gilt als sicher. Mögliche Gegenkandidaten sind bislang nicht bekannt. Zu der europäischen Parteienfamilie EVP gehören neben der deutschen CDU und CSU unter anderem die österreichische ÖVP, die italienische Forza Italia oder Spaniens konservative Volkspartei PP.
Schneller schlau: Die Europawahl
Vom 6. bis 9. Juni 2024 können Stimmen abgeben werden. Den Auftakt machen die Niederländer, die am Donnerstag, 6. Juni, an die Urne gehen können. Nach Parlamentsangaben folgen Irland, einen Tag darauf Lettland, Malta und die Slowakei. Im Rest der EU wird wie in Deutschland am Sonntag, 9. Juni, gewählt.
Mit den unterschiedlichen Daten soll gewährleistet werden, dass die verschiedenen Wahltraditionen beibehalten werden können.
Erstmals dürfen im Jahr 2024 in Deutschland bei Europawahlen auch Minderjährige teilnehmen. Das Wahlalter wurde von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt. Auch Staatsangehörige der übrigen EU-Staaten, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben und alt genug sind, sind wahlberechtigt.
Deutschland ist eines der wenigen Länder, in dem sich Minderjährige an der Wahl beteiligen dürfen. Nach Angaben des EU-Parlaments von August ist dies sonst nur in Österreich, Belgien, Malta und Griechenland möglich. Das Wahlalter in Griechenland liegt bei 17 Jahren.
Deutsche, die nicht in Deutschland wohnen und an der Wahl teilnehmen wollen, müssen vor jeder Wahl einen förmlichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen. Dabei gibt es laut der Bundeswahlleiterin unterschiedliche Verfahren, je nachdem in welchem Land man wohnt.
Welche Mehrheiten im Parlament organisiert werden können, hat entscheidenden Einfluss auf neue EU-Gesetze. So musste bei vielen aktuellen Vorhaben wie etwa dem Verbrenner-Aus oder umstrittenen Naturschutz- und Klimagesetzen eine Mehrheit im Parlament zustimmen. Auch bei der Verteilung von Geld, wie der milliardenschweren EU-Agrarförderung, hat das Parlament einen großen Einfluss.
Die meisten Gesetze werden aber zusammen mit den EU-Staaten verhandelt und müssen auch im sogenannten Rat eine Mehrheit finden. Dort entscheiden Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen nationalen Regierungen. Auf die Mehrheitsverhältnisse in dieser Institution hat die Europawahl keinen direkten Einfluss.
Die Besetzung der EU-Kommission nach der Wahl kann das Parlament hingegen beeinflussen. Die Behörde hat das alleinige Recht, konkrete EU-Rechtsakte vorzuschlagen, die dann von Parlament und den EU-Staaten ausgehandelt werden. Zwar ist es zunächst Aufgabe der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten, einen Vorschlag für die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten zu machen, das Parlament kann diesen aber ablehnen. In der Regel wird auch ein Kandidat aus den Reihen der größten Fraktion im Parlament vorgeschlagen.
Der Rat und der designierte Präsident erarbeiten dann eine Liste der restlichen Kommissare, je einer aus jedem EU-Staat. Das Parlament muss auch der Ernennung der restlichen Kommissare zustimmen.
Skeptisch gegenüber von der Leyen sind bis heute vor allem Europaabgeordnete. Ein Grund dafür ist, dass die Deutsche 2019 von den Staats- und Regierungschefs für das Amt nominiert worden war, obwohl sie zuvor nicht als Spitzenkandidaten bei der Europawahl angetreten war. Der Europäische Rat verletzte damit aus ihrer Sicht das sogenannte Spitzenkandidaten-System. Das sieht vor, dass nur Spitzenkandidaten der Parteien bei der Europawahl als Präsidenten der EU-Kommission in Frage kommen sollen.
Für die Christdemokraten war das damals der CSU-Politiker Manfred Weber gewesen. Ihm gelang es letztlich aber nicht, bei den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit für seine Wahl hinter sich zu vereinen.
Dass sich die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP nicht gegen von der Leyen stellen würde, sollten die Christdemokraten bei der Europawahl im Juni wieder stärkste politische Kraft in der EU werden, gilt als sicher. Grund ist unter anderem, dass sonst eine Kandidatin oder ein Kandidat aus einem anderen EU-Land zum Zuge kommen würde.
Ein Schwerpunkt des Wahlkampfes von Ursula von der Leyen soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Wettbewerbsfähigkeit der EU werden. Mit der derzeitigen Kommission hatte sie zuletzt unter anderem ein Verfahren eingeleitet, mit dem gegen massiv subventionierte Elektroautos aus China vorgegangen werden könnte. Von der Leyen unterstützt zudem die Idee für die Benennung eines europäischen Verteidigungskommissars. Wenn sie Kommissionspräsidentin bleiben sollte, würde sie einen Kommissar für Verteidigung einsetzen, sagte die deutsche Politikerin am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.