Integration in den Arbeitsmarkt Warum in Dänemark bereits ein höherer Anteil ukrainischer Flüchtlinge arbeitet

Quelle: imago images

Hierzulande arbeitet nur ein Fünftel der aufgenommenen erwerbsfähigen Ukrainer, in Dänemark dagegen mehr als die Hälfte. Deutschlands Problem: Spracherwerb geht vor Beschäftigung.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Job-Turbo für die geflüchteten Ukrainer läuft eigentlich gerade erst richtig an. Doch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil senkt schon die Erwartungen – das Ziel, 200.000 Menschen in Arbeitsplätze zu vermitteln, kann wegen der schwächeren Konjunktur vielleicht nicht gehalten werden. Dabei gelten mehr als 620.000 Ukrainer hierzulande als arbeitssuchend. Immerhin 417.000 von ihnen sind aktiv auf Arbeitssuche. Und vielerorts fehlen die sogenannten Fachkräfte.

Für das langsame Tempo gibt es mehrere Gründe. Ein besonders wichtiger aber ist der deutsche Integrationsprozess. Der nämlich ist linear gestaltet: Erst einmal die Sprache richtig lernen, dann eine Arbeit suchen. Das Vorgehen ist für den Einzelnen durch den Bezug von Bürgergeld gut abgefedert.

Doch das Nachbarland Dänemark hat gezeigt, dass es auf andere Weise schneller geht: Dort hatte es gleich am Anfang der Flüchtlingswelle eine große Initiative namens „Jobguide Ukraine“ gegeben, Arbeitsplätze zu vermitteln. Jobs, für die Englischkenntnisse ausreichen, wurden auf englisch inseriert. Und der Sprachunterricht lief nach Feierabend. Dort arbeiteten im ersten Jahr schon die Hälfte aller aufgenommenen Ukrainer, aktuell sind es 55 Prozent. Dabei gilt dänisch als Fremdsprache als noch schwieriger zu lernen als deutsch.

Mit dem Jobturbo sollen vor allem Geflüchtete aus der Ukraine schneller und in größerer Zahl Arbeit aufnehmen. Was machen die Jobcenter vor Ort jetzt anders – und: schaffen sie das?
von Sophie Crocoll

Oberste Priorität: Arbeitsaufnahme

 „Die Regierung hatte oberste Priorität auf schnelle Arbeitsaufnahme gelegt“, sagt ein Sprecher des dänischen Integrationsministeriums. „Viele fangen an zu arbeiten, ehe sie die Sprache erlernt haben.“ Logisch, dass sie, wenn sie täglich mit Einheimischen im Kontakt sind, dabei im Alltag auch die Sprache leichter lernen als aus Büchern. Und dass jemand, der erst einmal zwei Jahre zu Hause geblieben ist, sich anschließend beim Jobsuchen schwerer tut, steht außer Frage.

Zugleich hat Dänemark auch besondere Anreize gesetzt. Auch dort haben geflohene Ukrainer ein Anrecht auf Sozialhilfe. Zugleich aber erhielten die Kommunen, die Ausländer in Arbeitsverhältnisse vermittelten, vom Bund einen finanziellen Ausgleich für ihre Bemühungen. 



Beim Vermittlungserfolg gibt es auch in Dänemark durchaus regionale Unterschiede. Während die Region Kopenhagen nur etwas mehr als 40 Prozent der dort ansässigen Ukrainer in den Arbeitsmarkt integriert hat, schaffte es Jütland 73 Prozent zu vermitteln. Dabei herrscht in ganz Dänemark Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt gilt als flexibler als in Deutschland: So riskieren Arbeitgeber wenig, wenn sie neue Mitarbeiter einstellen.

In Deutschland dagegen erwarten die Jobcenter jetzt erst die erste große Welle von Ukrainern auf dem Arbeitsmarkt, die ihre Integrationskurse mit einem Sprachniveau von B1 abgeschlossen haben. Als allererstes, so sagte eine Mitarbeiterin der Arbeitsagentur in Berlin, habe man sich jetzt vorgenommen, die Qualifikationen und Ausbildungen der Flüchtlinge festzustellen.

Altersvorsorge Drohender Renten-Schock: Die hochriskanten Investments der Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke erwirtschaften Renten für Ärzte, Anwälte und Mediziner. Doch sie haben Geld überaus riskant angelegt – mit potenziell dramatischen Folgen.

Frauenförderung à la Siemens Siemens-Managerin klagt an: Nutzt der Konzern Compliance als „Mitarbeiter-Entsorgungstool“?

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun droht der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Selbstversuch Der Weg zum eigenen Wald – für kleines Geld

Unser Autor träumt von einem Wald. Er bekommt ihn bei einer Zwangsversteigerung – für 1550 Euro.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Auch wenn der Krieg zwischen Russland und der Ukraine sich festgefahren hat, ist unklar, ob er nicht doch schon vorbei ist, ehe der gründliche deutsche Verwaltungsapparat das Gros der Geflüchteten in Arbeit gebracht hat.

Lesen Sie auch: Warum der Job-Turbo von Hubertus Heil nicht zündet

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%