Mit großem Pomp, Ehrenwache, Hubschrauberflügen, sogar mit einem Gala-Dinner samt Tenor Andrea Bocelli wurden Chinas Staatschef Xi Jinping und seine 300 Köpfe starke Delegation im März 2019 in Rom empfangen. Der feierliche Anlass: Die Unterzeichnung des Beitritts Italiens zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative.
Ganz anders, nämlich ziemlich geräuschlos, vollzog sich jetzt der Ausstieg. Italiens Premierministerin Giorgia Meloni kündigte einfach den Vertrag, der sich andernfalls ab März 2024 um weitere fünf Jahre verlängert hätte. „Der Vertrag hat nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht und war nicht vorteilhaft für uns“, schob Außenminister Antonio Tajani zur Erklärung nach.
Ehrgeizige Projekte im Umfang von bis zu 20 Milliarden Euro waren angedacht, als Melonis-Vorvorgänger Giuseppe Conte das Abkommen seinerzeit unterzeichnete. Die damalige Regierung aus den Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsnationalen Lega unter Matteo Salvini war damals regelrecht enthusiastisch. Die Chinesen sollten die Häfen von Venedig und Triest ausbauen. Rom träumte auch von der Ansiedlung eines chinesischen Autoherstellers in der Emilia Romagna.
Die Italiener hofften auf gemeinsame Projekte in Afrika, etwa den Bau von Flughäfen, Eisenbahnlinien, Häfen und Autobahnen dort. Die insgesamt 29 Vereinbarungen umfassten auch Gemeindepartnerschaften, Tourismusprojekte und sogar den Export von Blutorangen aus Sizilien und Risotto-Reis nach China.
Italien: Isoliert in der G7
Doch keine der Hoffnungen erfüllte sich. Es gab keine nennenswerten gemeinsamen Projekte. Das lag einerseits am Ausbruch der Corona-Pandemie weniger als ein Jahr danach. Andererseits kam hinzu, dass die Vereinbarung von Anfang an auf heftige Kritik bei den europäischen Partnern und vor allem bei den USA stieß. Italien hatte als einziges G7-Land eine solche Vereinbarung unterzeichnet.
Das Abkommen blieb dann auch Schall und Rauch. Deutschland und Frankreich, die beide keine Vereinbarungen dieser Art mit China geschlossen haben, hätten „bessere Ergebnisse erzielt“ in der Zusammenarbeit mit China, stellt Tajani nun mit Bitterkeit fest. Das italienische Handelsbilanzdefizit mit China hat sich zwischen 2019 und 2022 von 21 auf 47 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Während Italiens Exporte nur von 14,5 auf 18,6 Milliarden Dollar wuchsen, nahmen umgekehrt Chinas Ausfuhren nach Italien von 35 auf 66 Milliarden Dollar zu.
Welche Folgen der Austritt Italiens aus der „Belt and Road Initiative“ haben wird, ist noch offen. Während Chinas Botschafter in Italien vor „negativen Konsequenzen“ warnte, als sich bereits im Sommer die Kündigung des Vertrags abzeichnete, beschwichtigte Xi jetzt: Man sei bereit, weiter zusammen an einer gesunden und stabilen Entwicklung zum beiderseitigen Vorteil im Rahmen einer strategischen Partnerschaft zusammenzuarbeiten. Auch Meloni versucht, die Folgen herunterzuspielen. Und Staatspräsident Sergio Mattarella will im Rahmen eines Staatsbesuchs in China im kommenden Jahr Harmonie bekunden.
Dabei gibt es genug Reibungspunkte. Zwar hat der chinesische Konzern Cosco 2019 einen Anteil von 40 Prozent an dem zum Genueser Hafen gehörenden Vado Container-Terminal übernommen. Doch bremste Italiens Regierung im Sommer über die Golden-Power-Regelung, die Rom Einfluss bei „strategischen“ Unternehmen sichert, den chinesischen Großaktionär Sinochem (37 Prozent) bei Pirelli aus und begrenzte dessen Mitspracherechte.
Außerdem gibt es in der EU Bemühungen, die stark steigenden Einfuhren chinesischer Elektro-Autos nach Europa über Anti-Dumping-Verfahren zu begrenzen. Michele Geraci, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung mit China im März 2019 Staatssekretär im Entwicklungshilfeministerium und China-Experte, fürchtet chinesische Gegenreaktionen. Er könnte sich die Einschränkung italienischer Luxusgüter-Ausfuhren vorstellen. Sicher ist jedenfalls: Auf große Geschäfte mit Peking hofft kaum jemand mehr.
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