Die Talfahrt der deutschen Wirtschaft hat sich im November wegen des nachlassenden Preisdrucks überraschend abgeschwächt. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Service-Sektor zusammen – stieg um 1,3 auf 46,4 Punkte. Das teilte der Finanzdienstleister S&P Global am Mittwoch zu seiner monatlichen Umfrage unter rund 800 Unternehmen mit.
Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hingegen mit einem Rückgang auf 44,9 Zähler gerechnet. Dennoch verharrte das an den Finanzmärkten viel beachtete Barometer den fünften Monat in Folge unter der Marke von 50, ab der es ein Wachstum signalisiert.
„Die November-Daten ändern nichts an der Einschätzung, dass Deutschland wahrscheinlich auf eine Rezession zusteuert“, kommentierte S&P-Ökonom Phil Smith die Entwicklung. „Es gibt jedoch Anlass zur Hoffnung, dass der Rückgang der Wirtschaftsleistung schwächer ausfallen könnte als zunächst befürchtet.“
Schneller schlau: Rezession
Der Begriff Rezession bedeutet Rückgang und stammt aus dem Lateinischen. Es handelt sich um eine Rezession, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft – sich also in einem Abschwung beziehungsweise Rückgang befindet. Für die Bemessung der Konjunktur dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Offiziell tritt eine sogenannte technische Rezession ein, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen nicht wächst, sondern zurückgeht.
Die Rezession ist eine der vier Phasen, die der Konjunkturzyklus einer Volkswirtschaft durchlaufen kann. Sie folgt auf die Phase der Hochkonjunktur und kann im schlimmsten Fall in eine Depression übergehen. Auf eine Depression folgt dann früher oder später ein Aufschwung.
Eine Rezession zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus. Dazu gehören unter anderem:
- Rückgang der Nachfrage
- überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- Entlassung von Arbeitskräften
- ausbleibende Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Zu den Ursachen einer Rezession gehören unterschiedliche Punkte, die sich nur schwerlich verallgemeinern lassen. Aktuell wirkt sich etwa der Krieg in der Ukraine erheblich auf die Konjunktur in Europa und den USA aus.
In einer Rezession halten Unternehmen und private Haushalte ihr Geld in der Regel beisammen. Zu den Folgen einer Rezession zählen steigende Arbeitslosenzahlen, außerdem arbeiten mehr Menschen in Kurzarbeit. Beides führt zu geringerer Nachfrage. Denn wenn die Bürger weniger Geld verdienen, konsumieren sie auch weniger. Dies ist wiederum schlecht für Unternehmen, die dadurch weniger verkaufen und auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Die fehlenden Einnahmen können zu weiteren Entlassungen führen, sodass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Auch Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, stehen in einer Rezession vor Problemen. Denn wer sich um eine neue Stelle bewirbt, dürfte während einer Rezession Schwierigkeiten haben eine entsprechende Stelle zu finden – denn geht es Unternehmen wirtschaftlich schlechter, stoppen sie Neueinstellungen.
Durch eine steigende Inflation sinkt die Kaufkraft der Menschen. Durch eine sinkende Kaufkraft sinkt wiederum die Konsumbereitschaft der Menschen, da sie ihr Geld beisammen halten, statt es für Waren und Güter auszugeben.
Die Industrieproduktion sei weniger stark zurückgegangen, während sich die Materialverfügbarkeit verbesserte und die sich Lieferzeiten sich erstmals seit knapp zweieinhalb Jahren wieder verkürzten. Der Preisdruck habe zudem nachgelassen. So schwächte sich der Anstieg der Einkaufspreise in der Industrie deutlich ab.
Auch die Geschäftsaussichten haben sich stabilisiert. „Der milde Herbst hat vielleicht die Sorge über einen Gasmangel im Winter zerstreut“, sagte Smith. Allerdings lägen die Erwartungen noch immer tief im negativen Bereich. „Grund dafür sind die große Besorgnis über die haussierenden Lebenshaltungskosten und die steigenden Zinsen sowie die immer noch große Unsicherheit“, sagte der Ökonom.
Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest äußerte sich zuletzt vorsichtig optimistisch zu den Aussichten der deutschen Wirtschaft. Könne eine Gasmangellage im Winter verhindert werden, bestehe die Chance auf eine milde Rezession. „Wir sehen auch, das die Industrie doch erstaunlich gut – jedenfalls kurzfristig – mit der Energieknappheit und den hohen Energiekosten zurechtkommt“, sagte der Ökonom der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir sehen bislang keinen Einbruch in der Industrieproduktion.“
Ausnahmen bildeten hier die energieintensiven Unternehmen, wie die Glas- und Keramikbranche. „Insgesamt zeigt sich die Wirtschaft doch robuster als viele erwartet haben“, sagte Fuest.
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