Wer knapp bei Kasse ist, sollte aktuell nicht zu viel Obstsalat essen. In kaum einem anderen Warensegment schlägt die Inflation aktuell so stark zu wie bei Obst. Die Preise lagen nach Daten des Statistischen Bundesamts im Januar 2024 um 10,2 Prozent höher als im Vorjahresmonat – obwohl die Inflationsrate insgesamt nur bei 2,9 Prozent lag. Gemüse verteuerte sich um rund acht Prozent. Keine andere Produktgruppe im Verbraucherpreisindex verzeichnet derart hohe Sprünge. Wenn die Wiesbadener Statistikbehörde am Mittwoch vorläufige Zahlen für den Monat Februar präsentiert, dürfte sich an dieser Schere nur wenig geändert haben.
Besonders von der Teuerung betroffen sind Orangen. Seit Jahren steigen die Preise für Orangenfrüchte und Orangensaft rapide an. An der New Yorker Rohstoffbörse stieg der Preis für Orangensaft zuletzt auf rund 3,34 US-Dollar. O-Saft wird über Futures an Terminmärkten gehandelt und zählt zu den „Soft Commodities“.
Was sind die Ursachen? Bei Obst und Gemüse kommen gerade verschiedene Faktoren zusammen. Die Zusammensetzung des für die Inflationsberechnung relevanten Warenkorbs „Obst“ sei jahreszeitbedingt von Monat zu Monat unterschiedlich, sagt Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutscher Fruchthandelsverband. Aufgrund des Saisoneffekts seien starke Preisanstiege bei Nahrungsmitteln gerade zu Jahresbeginn relativ häufig. Insgesamt seien „die Preise für Frischware extrem volatil“. Eine zentrale Rolle spielt das Wetter und damit zusammenhängend die Erntemengen. Bei Strauchbeeren etwa sank die Erntemenge in Deutschland im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent.
Hinzu kommen die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft. Die Kosten für Energie, Dünge- und Futtermittel sind für die Bauern nach wie vor höher als in der Vergangenheit, auch der Arbeitskräftemangel und der gestiegene Mindestlohn verteuern die Ernte – und treiben die Verbraucherpreise.
Dass bei sinkender Inflation ausgerechnet die Preise für Lebensmittel überproportional steigen (im Januar um insgesamt 3,8 Prozent), hat mittlerweile auch Verbraucherschützer alarmiert. Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), fordert von der Bundesregierung die Einrichtung einer „Preisbeobachtungsstelle, die die Preisbildung entlang der Wertschöpfungskette erfasst.“ Derzeit sei nicht nachvollziehbar, wie sich Preise für Lebensmittel zusammensetzen und wer am Ende wie viel Gewinn einstreicht.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Außer bei Frischwaren sind im Januar auch die Preise in der Gastronomie stark gestiegen – um rund 6,3 Prozent. Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) ist dafür vor allem die Erhöhung der (zuvor temporär abgesenkten) Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent für Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar verantwortlich. „Nach vier Verlustjahren in Folge sehen sich viele Restaurants und Cafés gezwungen, ihre Preise deshalb anzupassen“, sagt Ingrid Hartes, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes. Zudem sei das Gastgewerbe besonders von den seit 2022 massiv gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Energie und Personal betroffen.
Auch für die kommenden Monate deutet sich keine Entspannung an: Das Münchner ifo Institut erwartet im Gastgewerbe sogar einen noch stärkeren Preisanstieg als zuletzt. Verbraucher müssen sich daher mit anderen Zahlen trösten: Strom und Gas sind zuletzt deutlich billiger geworden.
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