Nun also doch. Deutschland befindet sich in der Rezession. Nachdem das Statistische Bundesamt zunächst gemeldet hatte, die Wirtschaftsleistung habe im ersten Quartal dieses Jahres stagniert, korrigierten die Statistiker heute ihr Zahlenwerk und berichteten, das reale Bruttoinlandsprodukt sei um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft. Nach dem Minus von 0,5 Prozent im Jahresschlussquartal 2022 war es der zweite Rückgang in Folge. Damit ist die offizielle Definition einer Rezession erfüllt.
Maßgeblich für das Abrutschen der Wirtschaftsleistung war der schwache Konsum, sowohl auf Seiten der privaten Haushalte als auch auf Seiten des Staates. Die nach wie vor hohe Inflation reißt immer größere Löcher in die Haushaltskassen der Bürger. Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die sich nur schwer umgehen lassen, reduzieren den Ausgabespielraum an anderer Stelle. Die Verunsicherung durch die Politik – Stichwort Heizungsstreit – hat viele Bürger angesichts der Sorgen um weitere finanzielle Belastungen zusätzlich zur Konsumzurückhaltung veranlasst. Dazu kommt, dass sich mit den steigenden Zinsen die Sparanreize erhöht haben.
Im Gegensatz zu den Konsumausgaben haben sich die Investitionen zu Jahresbeginn erholt, nachdem sie im vierten Quartal vergangenen Jahres geschrumpft waren. Das gilt sowohl für die Ausrüstungs- als auch für die Bauinvestitionen. Dabei dürfte es sich jedoch in erster Linie um eine technische Gegenbewegung handeln, die bei den Bauinvestitionen durch das vergleichsweise warme Wetter zu Jahresbeginn verstärkt wurde.
Der Außenhandel hat die Konjunktur rein rechnerisch gestützt, dem leichten Anstieg der Exporte stand ein Rückgang der Importe gegenüber.
Verzögerte Bremswirkung
Für die meisten Analysten (und auch die Bundesregierung) dürften die heutigen Zahlen eine Überraschung gewesen sein, hatten sie sich doch der Hoffnung hingegeben, die deutsche Wirtschaft könne eine Rezession vermeiden. Für das zweite Halbjahr prognostizierten viele Analysten sogar eine leichte Belebung der Konjunktur. Daraus aber dürfte nichts werden.
Denn was die meisten Analysten übersehen haben, ist die dämpfende Wirkung der Geldpolitik. Bis höhere Zinsen ihre Bremsspuren in der Wirtschaft hinterlassen, dauert es erfahrungsgemäß rund ein Jahr. Der von den großen Zentralbanken im Frühjahr beziehungsweise Sommer vergangenen Jahres eingeleitete Straffungskurs wird daher erst in den nächsten Quartalen seine volle Bremswirkung entfalten. Statt nach oben dürfte es im weiteren Verlauf dieses Jahres nach unten gehen mit der Konjunktur.
Schneller schlau: Rezession
Der Begriff Rezession bedeutet Rückgang und stammt aus dem Lateinischen. Es handelt sich um eine Rezession, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft – sich also in einem Abschwung beziehungsweise Rückgang befindet. Für die Bemessung der Konjunktur dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Offiziell tritt eine sogenannte technische Rezession ein, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen nicht wächst, sondern zurückgeht.
Die Rezession ist eine der vier Phasen, die der Konjunkturzyklus einer Volkswirtschaft durchlaufen kann. Sie folgt auf die Phase der Hochkonjunktur und kann im schlimmsten Fall in eine Depression übergehen. Auf eine Depression folgt dann früher oder später ein Aufschwung.
Eine Rezession zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus. Dazu gehören unter anderem:
- Rückgang der Nachfrage
- überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- Entlassung von Arbeitskräften
- ausbleibende Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Zu den Ursachen einer Rezession gehören unterschiedliche Punkte, die sich nur schwerlich verallgemeinern lassen. Aktuell wirkt sich etwa der Krieg in der Ukraine erheblich auf die Konjunktur in Europa und den USA aus.
In einer Rezession halten Unternehmen und private Haushalte ihr Geld in der Regel beisammen. Zu den Folgen einer Rezession zählen steigende Arbeitslosenzahlen, außerdem arbeiten mehr Menschen in Kurzarbeit. Beides führt zu geringerer Nachfrage. Denn wenn die Bürger weniger Geld verdienen, konsumieren sie auch weniger. Dies ist wiederum schlecht für Unternehmen, die dadurch weniger verkaufen und auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Die fehlenden Einnahmen können zu weiteren Entlassungen führen, sodass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Auch Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, stehen in einer Rezession vor Problemen. Denn wer sich um eine neue Stelle bewirbt, dürfte während einer Rezession Schwierigkeiten haben eine entsprechende Stelle zu finden – denn geht es Unternehmen wirtschaftlich schlechter, stoppen sie Neueinstellungen.
Durch eine steigende Inflation sinkt die Kaufkraft der Menschen. Durch eine sinkende Kaufkraft sinkt wiederum die Konsumbereitschaft der Menschen, da sie ihr Geld beisammen halten, statt es für Waren und Güter auszugeben.
Umso wichtiger ist, dass die Bundesregierung nun auf alles verzichtet, was Konsum und Investitionen weiter nach unten drückt. Mit ihrem unsäglichen Heizungsgesetz, dem geplanten Bürokratieschub durch Lieferkettengesetz, Arbeitszeitkontrolle und Tarifzwang hat die Ampelregierung schon genug Unheil angerichtet. Was Unternehmer und Konsumenten jetzt benötigen, sind finanzielle Entlastungen und stabile politische Rahmenbedingungen, die Investitionen und Konsum wieder planbar machen.
Die Rechnung zahlen die Bürger
Was die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank betrifft, so dürfte die Rezession in Deutschland alle jenen Kräften im Zentralbankrat Auftrieb geben, die weiteren Zinserhöhungen eh skeptisch gegenüberstehen. Doch wäre es falsch, wegen der wegknickenden Konjunktur beim Kampf gegen die Inflation frühzeitig die Segel zu streichen. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt: ausgeprägte Zinserhöhungen münden fast immer in Rezessionen. Sie müssen es sogar, um die Inflation nachhaltig niederzuringen und die Verzerrungen der Produktionsstrukturen, die der vorangegangene Boom erzeugt hat, zu bereinigen.
Daher war es von vornherein eine Illusion zu glauben (und den Bürgern den Eindruck zu vermitteln), die Inflation ließe sich besiegen, ohne die Wirtschaft in die Rezession zu treiben. Preisstabilität wiederherzustellen hat einen Preis. Der muss jetzt gezahlt werden. „There´s no such thing as a free lunch“, schrieb einst der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman.
Das Problem ist nur, dass die Zentralbanker die Inflation bestellt haben, die Rechnung aber bei den Bürgern landet.
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