Der Eindruck täuscht nicht: Der Gang zum Bäcker ist in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Preise für Brot und Brötchen in Deutschland überdurchschnittlich gestiegen. Das heißt, deutlich stärker als die ohnehin schon hohe Inflationsrate.
Die Preise für Backwaren stiegen den Angaben zufolge zwischen 2019 und 2023 um mehr als ein Drittel und lagen damit deutlich über der durchschnittlichen Inflationsrate von 17,3 Prozent. Dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerechnet für Brot und Brötchen so tief in die Tasche greifen mussten, begründete das Bundesamt unter anderem mit gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten. Aber auch gestiegene Personalkosten könnten nach Einschätzung der Statistiker ein Grund gewesen sein.
Fragt man in der Branche nach, so werden die Annahmen der Behörde bestätigt. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks spricht von einem „Kosten-Tsunami“, der über die Betriebe hereingebrochen sei. Dazu gehörten nicht nur die Energiepreise und der Mindestlohn, sondern auch die Folgekosten. So habe die personalintensive Branche – rund die Hälfte der Kosten entfallen auf die Mitarbeiter – die Löhne insgesamt anheben müssen, um den Lohnabstand zu halten. Um wirtschaftlich überleben zu können, seien daher Preiserhöhungen notwendig gewesen.
Nicht irgendeine Ware
Zuletzt schwächte sich der Preisauftrieb laut Statistischem Bundesamt im März 2024 auf 2,9 Prozent ab und lag damit nur noch knapp über dem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise von 2,2 Prozent. Doch was die Statistiker bereits als Entspannung identifizieren, ist nicht in allen Augen auch eine. Die aktuelle Abflachung der Inflationsrate im Jahresvergleich sei aus sozialpolitischer Sicht noch kein Grund zur Beruhigung, da das Ausgangspreisniveau außergewöhnlich hoch sei, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Der Sozialverband argumentiert vor allem damit, dass Lebensmittel für einkommensschwache Haushalte neben den Wohnkosten den größten Kostenblock darstellen, weshalb sich die Inflation in dieser Gruppe deutlich stärker auswirke als bei Menschen mit mittleren oder hohen Einkommen.
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Schneider fordert deshalb die Politik zum Handeln auf: Der gesetzliche Mindestlohn müsse auf 15 Euro ansteigen und das Bürgergeld sollte nach Berechnungen des Paritätischen um 44 Prozent steigen, „um tatsächlich Mindestbedarfe abzudecken.“ Für einen alleinstehenden Bürgergeldbezieher würde das eine Erhöhung von 563 Euro auf 813 Euro bedeuten.
Keine Lösung
Bei der FDP, die zuletzt vor allem Leistungskürzungen gefordert hat, dürften solche Vorschläge nicht auf offene Ohren stoßen. Eine Umsetzung durch die Ampelregierung erscheint daher fraglich.
Aus Sicht des Handwerks sind die Bäcker ohnehin Getriebene nicht Treiber der Preisentwicklung: „In der Wertschöpfungskette steht das Bäckerhandwerk an letzter Stelle – unsere Betriebe sind abhängig von dem Ertrag der Getreideernte, von den Preisen auf dem Weltmarkt, den Verträgen mit Energielieferanten und nicht zuletzt von der Entwicklung der Personalkosten.“
Auch deshalb ist aus Sicht des Handwerksverbands trotz der gesunkenen Energiepreise nicht gesagt, dass sich dieser Rückgang auch auf die Backwarenpreise auswirkt. „Eine flächendeckende Prognose ist nicht möglich, da Preisanpassungen stets individuelle Entscheidungen sind, die von zahlreichen Faktoren abhängig sind.“
Besonders brisant bei Rohstoffen wie Getreide ist, dass sowohl Angebot als auch Nachfrage kaum auf Marktschocks wie einen Krieg in einem wichtigen Anbauland wie der Ukraine reagieren können. Darauf weißt beispielsweise die Bundeszentrale für politische Bildung hin. Der Hintergrund: Die Landwirtschaft ist wetterabhängig und kann ihre Produktion nur durch langfristige Investitionen steigern.
Die Bäckerinnung macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass ihre Mitglieder ohnehin nicht in der Lage sind, das jeweils günstigste Angebot für Brot und Brötchen zu machen. „Schlussendlich kann das Bäckerhandwerk den Kampf um die besten Preise gegen Discounter und Back-Shops nicht gewinnen.“ Das wirtschaftliche Überleben hänge stattdessen daran, inwieweit Kunden die Handwerksqualität schätzen und bereit sind, mehr dafür zu bezahlen.
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Mit Material der Nachrichtenagentur dpa