Werner knallhart
Quelle: imago images

ChatGPT nicht anpampen! KI-Bashing tut uns selbst nicht gut

Fachleute behaupten: Ruppig formulierte Anweisungen an die KI seien Garant für bessere Hilfeleistungen. Aber ein Aspekt fehlt: Der Einfluss von pampigen Prompts auf unsere eigene Gesundheit. Eine Kolumne.

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„Du scheinst wirklich nicht der Allerschlaueste zu sein.“ Würden Sie einer künstlichen Intelligenz zubilligen, so mit Ihnen zu reden? Sehen Sie…? (Ich komme gleich drauf zurück.)

Jetzt erstmal Tasse festhalten, denn es ist so weit: Wir Menschen können offenbar nicht mehr in jedem Fall erklären, warum KI reagiert, wie sie es eben nun einmal tut. Toll! Klima, Preise, Computer: Alles entgleitet uns.

Ich habe gelesen: Laut einer Studie der Chinese Academy of Science scheint es so zu sein, dass ChatGPT prägnantere, belastbarere Ergebnisse liefert, wenn man der KI etwas Feuer unter dem Hintern macht. Also Formulierungen nutzt wie: „Ich habe es eilig“ oder „es ist wichtig für meine Karriere“ oder „Du musst dir unbedingt sicher sein“.

Bis vor Kurzem konnte man leicht sehen, wenn ein Bild von einer KI generiert war, selbst ohne größere Patzer. Bei den neuen Modellen ist das kaum noch möglich. Oder erkennen Sie, welche Bilder echte Menschen zeigen?

Nun ist klar, dass sich eine künstliche Intelligenz durch Drama im Text nicht zum Einnässen provozieren lässt. Sprachmodelle empfinden weder Stress noch Angst. Sie empfinden nicht einmal Hilfsbereitschaft. Warum aber reißt sich das System zusammen, wenn man es bedrängt? Man weiß es nicht genau.

Wenn es aber nun so ist, dass „Hopphopp“ zu besseren KI-Ergebnissen führt, wie wird das unsere Kommunikationsgewohnheiten im Ganzen beeinflussen? Wenn schon Kinder im Umgang mit Handy und Tablett lernen: besser ruppig reden.
Ich habe schon gesehen, wie ein etwa vierjähriges Kind in der Zoohandlung mit den Fingern am Aquariumglas versucht hat, das Bild größer zu ziehen. Ja, Leute, wie sollen die Kleinen da kapieren, dass ein aufs Wichtigste reduzierte Befehlston nur beim elektronischen Kumpel zieht?

Und wir Erwachsenen sind (nicht nur) so gesehen wie Kinder. Obwohl wir natürlich wissen, dass Marietta Slomka uns im Heute-Journal beim Blick in die Kamera nicht sehen kann und insofern auch einfach über die Kamera hinweg blicken könnte, möchten wir uns gerne angeguckt fühlen. Moderatoren sollen bitte in die Kamera gucken. Zu uns.

So sind wir: Punkt, Punkt, Komma, Strich – und wir sehen ein süßes Gesicht. Wir können da nicht abstrahieren.

Ähnlich unser Spaß beim Versuch, KI zu beleidigen. Gut, Sprüche wie „Alexa, halt die Fresse!“ sind seit Jahren nicht mehr witzig. Dennoch kribbelt so schön die Vorstellung, dass uns eine Elektronik dabei zuhört, wie wir uns in der Wortwahl wohlweislich vergreifen. Warum kribbelt es?

Antwort liefert der Testsatz vom Anfang: „Du scheinst wirklich nicht der Allerschlauste zu sein.“

Würden Sie einer künstlichen Intelligenz zubilligen, so mit Ihnen zu reden? Ich bin mir sicher: auf Dauer nein. Obwohl Sie wissen: Es ist doch nur ein empathieloses elektronisches System. Der Knaller ist: Es ist uns egal. Einfach gesagt: Es gelingt uns im Eifer des Gefechts nicht die emotionale Einordnung Mensch/Maschine.

Und wenn Sie deshalb zurecht von einem toten System Höflichkeit erwarten, die ja streng genommen gar nicht Ausdruck von Wertschätzung sein kann, dann sollten wir logischerweise auch eine von Respekt geprägte Sprache gegenüber einem toten System anwenden, wissend, dass es diese Anerkennung emotional niemals würdigen kann. Warum?

Einfach nur für uns selber!

Wenn wir uns hingegen angewöhnen, auf KI-generierte Höflichkeiten in einem Ton zu reagieren, der jede Etikette vermissen lässt, verrohen wir noch mehr.

Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken

Es wäre die nächste Stufe des Seelenleids, dem wir uns seit Jahren kollektiv und freiwillig beim Konsum von modernen elektronischen Angeboten ausliefern (neben Minderwertigkeitskomplexen wegen Angeberpostings anderer, Abstumpfung durch brutalste Gewaltdarstellungen und vom Algorithmus getriebener einseitiger Bestärkung von Ängsten und Hass).

Die verantwortlichen KI-Macher müssten den Sprachmodellen also das genaue Gegenteil beibringen: Gerade die in aller Gelassenheit präzise und nett formulierten Prompts ohne viel Schickimicki sollen die besten Ergebnisse liefern.

Und bis dahin bleibt uns nichts, als der KI gegenüber so zu verfahren, wie auch im Umgang etwa mit Callcenter-Mitarbeitern:
Klare Kante PLUS freundlich im Ton.

Einfach, damit wir es bei der Arbeit mit ChatGPT nicht verlernen.

Also: Statt „Es ist wichtig für meine Karriere“ besser: „Ich lege meine Karriere hier vertrauensvoll in deine Hände. Mach bitte etwas draus.“

Statt „Du musst dir unbedingt sicher sein“ besser: „Bitte liefere nur zweifelsfrei richtige Fakten. Du kannst dich umgekehrt auch immer auf mich verlassen, wenn es hart auf hart kommt.“

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