Deepfakes in der Musikbranche Künstliche Intelligenz kills the radio star

Von KI kopiert – der Rapper Drake bei einem Konzert im New Yorker Madison Square Garden. Quelle: Charles Sykes/Invision/AP

Google und Universal Music verhandeln laut Medienberichten über die Rechte an digitalen Klonen echter Popstimmen. Künstler sind alarmiert: Verdienen statt ihnen bald die Schöpfer von Deepfakes das große Geld?

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Als der Song „Heart on My Sleeve“ im April auf der Social-Media-Plattform Tiktok online geht, erreicht er schnell Millionen Klicks. Gesungen wird das Stück vom kanadischen Rapper Drake – könnte man glauben. Doch die Stimme, die täuschend echt klingt, ist ein Klon, hergestellt mit künstlicher Intelligenz. 

Drake ist nicht der einzige Künstler, dessen Stimme schon als Deepfake im Netz aufgetaucht ist. Auch Rihanna, Frank Sinatra und andere Künstler haben Klone, die auf sozialen Plattformen unterwegs sind.

Wenn sich Medienberichte bewahrheiten, könnten solche so genannten Deepfakes, digitale Fälschungen etwa von den Stimmen echter Popstars, bald massenhaft auftauchen – und zu einem neuen Geschäft für die Musikbranche werden. Denn Google, einer der führenden Konzerne auf dem Feld der KI, sei in Gesprächen dazu mit dem Musiklabel Universal Music Group, heißt es in der „Financial Times“. 

Eine angedachte Partnerschaft zwischen den beiden Unternehmen solle die Möglichkeiten Generativer KI für die Musikindustrie nutzen. Sind gefälschte Songs wie „Heart on My Sleeve“ juristisch mindestens in einer Grauzone, sollen Fans sie künftig ganz legal erstellen können – mit neuartigen Musikschöpfungs-Werkzeugen im Internet. Die Besitzer der Copyrights bestehender Songs sollen an den Einnahmen beteiligt werden, die Künstler könnten entscheiden, ob sie mitmachen und mitverdienen wollten, heißt es.

Wenn Madonna Reggae singt

Ein Reggae, gesungen von  Madonna, ein neuer Rap mit der Stimme von Kate Bush – sieht so die Zukunft der Musikindustrie aus? Technisch jedenfalls wäre das kaum ein Problem mehr. Generative KI ist in den vergangenen Jahren so mächtig geworden, dass sich beliebige Stimmen mit geringem Aufwand klonen lassen.

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So hat etwa Microsoft Anfang des Jahres ein System namens Vall-E vorgestellt, das menschliche Stimmen reproduzieren kann, wobei teilweise Audio-Schnipsel von nur drei Sekunden Länge als Vorlage ausreichen. Zahlreiche Start-ups wie etwa ElevenLabs und Voice.AI bieten KI-generierte Stimmen inzwischen als Service an.

Google wiederum hat im Januar ein KI-Werkzeug namens MusicML präsentiert, das Textanweisungen in Musik verwandeln kann. So reicht es etwa, einzutippen: „Soulful Jazz für eine Dinner-Party“ – und die künstliche Intelligenz erzeugt gleich mehrere Versionen eines entsprechenden Songs. 

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Gut vorstellbar also, das Google bald ein Produkt entwickelt, mit dem Jedermann in Sekunden neue Songs generieren kann – und das mit den Stimmen berühmter Popstars. Die Gespräche dazu mit Universal Music seien jedoch noch in einem frühen Stadium, heißt es in dem Medienbericht.

Statt Kunst nur „seelenlose Mittelmäßigkeit“?

Schon vergangenen Herbst hatte der Verband der US-Musikindustrie, die Recording Industry Association of America, vor den Folgen des Einsatzes von KI in der Musikproduktion gewarnt. Die Branchenvertreter sorgen sich, dass die Urheberrechte ihrer Künstler verletzt werden, wenn deren Songs genutzt werden, um KI zu trainieren. „Diese Nutzung ist unbefugt und verletzt die Rechte unserer Mitglieder, indem sie unbefugte Kopien der Werke unserer Mitglieder anfertigt“, so der Verband. 

Das will auch die Human Artistry Campaign verhindern, ein Zusammenschluss von Künstlerverbänden, die sich für den Schutz menschlicher Kreativität einsetzt. Der Songwriter Dan Navarro, eines der Mitglieder der Initiative, warnte kürzlich bei einer Anhörung vor US-Politikern: „Indem wir den grundlegenden menschlichen Funken im Musikschaffen marginalisieren und letztendlich aufgeben, laden wir zu einer Zukunft ein, die Fälschungen als echt ansieht und unsere Kunst und Kultur durch seelenlose Mittelmäßigkeit entwürdigt.“

Andere Künstler begegnen dagegen künstlicher Intelligenz weit offener. Sie sei einverstanden damit, wenn man ihre Stimme kopiere, erklärte neulich die Sängerin Grimes – wenn sie zu 50 Prozent an den Einnahmen beteiligt werde. Nur verletzende Songtexte oder politische Statements wolle sie nicht in ihrer eigenen Stimme hören. Auch der DJ David Guetta sagte gegenüber dem Sender BBC: „Die Zukunft der Musik ist KI“. Jeder neue Musikstil werde von neuer Technologie getrieben. 

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Aus der Welt zu bekommen ist die Technologie nicht mehr. Damit steht die Musikindustrie nun an einem ähnlichen Punkt wie beim Boom der Musiktauschbörse Napster, die illegale Kopien von Songs zum Massenphänomen machte. Digitale Downloads und das Musik-Streaming waren die Rettung. Nun ist die nächste Revolution da. KI offensiv selbst einzusetzen anstatt es erst jahrelang zu blockieren, könnte ein strategisch schlauer Zug sein.


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