Luftfahrt Elektroflieger aus München: 500 Kilometer, neun Passagiere, null Kerosin

Das Start-up Vaeridion will mit einem Elektroflugzeug CO2-freie Kurzstreckenflüge anbieten. Quelle: PR

Das Münchener Start-up Vaeridion will mit einem Elektroflugzeug CO2-freie Kurzstreckenflüge anbieten. Möglich machen sollen es Hochleistungsbatterien aus Tübingen. Klappt das?

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Neun Sitzplätze soll der Flieger haben, einen Propeller an der Spitze – und vor allem: Keinen Tankdeckel. Denn das Kleinflugzeug, dass das Münchner Start-up Vaeridion entwickelt, soll mit Batterieantrieb fliegen. „Wir wollen die regionale Luftmobilität elektrifizieren“, sagt Ivor van Dartel, Mitgründer und CEO von Vaeridion. 

Der ehemalige Airbus-Mitarbeiter glaubt, dass die Zeit für das batteriebetriebene Fliegen gekommen ist – jedenfalls auf kurzer Strecke und mit kleinen Maschinen. Senkrecht startende Flugtaxis, wie sie etwa Lilium oder Volocopter entwickeln, waren dem Luft- und Raumfahrttechniker aber eine Nummer zu kompliziert. „Wir haben uns eine Produktklasse ausgesucht, die wir mit überschaubarem Aufwand elektrifizieren und durch die Zulassung bringen können.“

Der Microliner, wie die Gründer ihr Flugzeug nennen, soll darum wie gewohnt auf der Startbahn abheben und landen. Auffallend ist in den Konstruktionszeichnungen aber das Design: Die schlanken, langen Flügel erinnern an ein Segelflugzeug. „Der Flieger ist konstruiert wie ein Motorsegler“, sagt van Dartel, „besonders aerodynamisch, auf Energieeffizienz optimiert.“ Zudem soll die gesamte Konstruktion möglichst viel Gewicht sparen.

Denn genug Zusatzgewicht gegenüber dem Flugtreibstoff Kerosin bringen ohnehin die Batterien auf die Waage. „Der Energiegehalt von Kerosin ist, gemessen an der Effektivität im Gesamtsystem, um mehr als das Zehnfache höher als bei Batterien“, sagt Jochen Kaiser, Leiter für visionäre Flugzeugkonzepte beim Thinktank Bauhaus Luftfahrt in Taufkirchen bei München. Entsprechend mehr Akkus müssen die Ingenieure also unter anderem im Microliner einbauen.

500 Kilometer Reichweite sind sportlich

Dafür hat Vaeridion nun eine Kooperation mit dem Tübinger Unternehmen Customcells bekannt gegeben. Der ist spezialisiert auf Hochleistungsbatterien unter anderem für die Luftfahrt und will jetzt Batteriemodule entwickeln, die sich platzsparend und maßgeschneidert in die Flügel des Vaeridion-Fliegers einbauen lassen. 

Das soll helfen, Reichweiten von mehreren Hundert Kilometern zu erreichen. „Wenn Sie ein normales Auto auf Elektroantrieb umrüsten, lassen Sie ein Drittel des Antriebspotentials liegen“, sagt Dirk Abendroth, Chef von Customcells. Erst die Integration der Batterien in das Autodesign habe größere Reichweite ermöglicht. Genauso sollen sich die Customcells-Zellen jetzt in den Elektroflieger einschmiegen. Obendrein sollen sie leicht austauschbar sein, wenn sie nach etwa einem Jahr an Leistung verlieren.

Die nötigen Leistungswerte für Start und Streckenflug des Fliegers aus München wollen die Batterieexperten schon erreicht haben. „Batterien mit 320 bis 350 Wattstunden pro Kilogramm können wir automatisiert herstellen“, sagt Abendroth. Bei voller Besetzung mit den geplanten neun Personen, mit Gepäck und bei schlechtem Wetter seien erst einmal 400 Kilometer Reichweite angepeilt. Mit wenig Passagieren seien bis zu 500 Kilometer drin, sagt Vaeridion-Chef van Dartel.

Luftfahrt-Experte Kaiser hält das für realistisch: „Mit den Batterien, die jetzt langsam auf den Markt kommen, könnte man in Richtung von 500 Kilometern Reichweite kommen“, sagt er. „Anfangs vielleicht noch etwas weniger, aber die Technik entwickelt sich stetig weiter.“

Hürdenlauf durch die Behörde

Bis zum Erstflug ist es auch noch etwas hin: Im Jahr 2026 soll der Microliner zum ersten Mal abheben.  2029 könne er dann an den Markt gehen, hofft van Dartel. Bis dahin muss das Start-up die Zertifizierung erreichen, den Hürdenlauf durch die Behörde meistern. „Für die Zulassung muss man mit mehreren Jahren rechnen, sie könnte das größte Hindernis für den schnellen Start von Elektroflugzeugen sein“, sagt Luftfahrtexperte Kaiser.

Unter anderem müssen die Gründer die Sicherheit der Batterieantriebs nachweisen. „Sie brauchen ein Batteriesystem, das einerseits möglichst viel Leistung bringt, andererseits so sicher ist, dass Sie eine Zulassung für den Personentransport erhalten“, sagt Luftfahrtexperte Kaiser. „Brände lassen sich durch ein Batteriemanagement vermeiden, das jede einzelne Batteriezelle überwacht und im Falle einer Fehlfunktion abschaltet.“

Und dann müssen die Gründer auch noch einen Markt für ihr Flugzeug finden. Naheliegende erste Einsatzgebiete könnten Inseln etwa in der Karibik sein, die am schnellsten per Flugzeug erreichbar sind. Auch Regionalstrecken in Ländern wie Norwegen, die schon einen Fahrplan für die Elektrifizierung der Luftfahrt beschlossen haben, kämen in Frage. In Deutschland könnten Regionalflughäfen Anlaufpunkte für den Vaeridion-Flieger werden, hofft van Dartel.

Preis wie ein Erste-Klasse-Zugticket

Die Kosten für ein Ticket könnten einem Erste-Klasse-Flexiticket bei der Deutschen Bahn entsprechen. Zwar sei das Flugzeug mit bis zu 350 Kilometern pro Stunde langsamer als kerosinbetriebene Modelle. „Damit ist man aber immer noch in zwei Stunden am Ziel.“

„Für kleine Städte und Regionen, die bisher keine starke Verkehrsanbindungen haben, wären Elektroflieger eine Chance“, sagt Luftfahrtexperte Kaiser. „Es bräuchte dafür wenig neue Infrastruktur.“ Auch das israelische Start-up Eviation und etwa Elfly Group aus Norwegen arbeiten an elektrischen Kleinflugzeugen. 



Die voraussichtliche Marktgröße für die Elektroflugzeuge taxieren Vaeridion und Customcells auf 5000 bis 10000 Flugzeuge bis zum Jahr 2040. Das würde bis zu acht Gigawattstunden an zylindrische Zellen pro Jahr für die Serienproduktion und den Ersatz im Betrieb erfordern.

Nun müssen Vaeridion und Customcells aber erst einmal zeigen, dass die neuen Batterien in der Praxis halten, was sie versprechen. Später sei auch ein Flugzeug mit 19 Sitzen denkbar, dann stoße man an ein physikalisches Limit, sagt van Dartel. „Ab 20 bis 30 Sitzen stößt der Batterieantrieb an technische Grenzen“, sagt auch Bauhaus-Luftfahrt-Forscher Kaiser. „Das Gewicht der nötigen Batterien, um den Flieger in die Luft zu bringen, würde zu stark anwachsen.“

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Auf längeren Strecken muss die Luftfahrtbranche sich also etwas anderes einfallen lassen. Auf der Kurzstrecke hingegen könnte die Batterie künftig tatsächlich für saubere Luft und etwas weniger Lärm sorgen.

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