Tracking der Energiewende #8 Habecks Oster-Enttäuschung

Energiewende in Deutschland: Der Rückstand wächst. Quelle: imago images

Mit seinem Osterpaket will Wirtschaftsminister Robert Habeck die Energiewende drastisch beschleunigen. Doch im ersten Entwurf ist der wichtigste Punkt einfach ausgeklammert.

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Es ist ein lapidarer Satz, mit dem die Hoffnungen einer ganzen Branche begraben werden: „Die wesentlichen Hemmnisse bei Wind an Land können nicht im EEG selbst gelöst werden.“ So steht es im Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für das sogenannte Osterpaket, ein Bündel von Maßnahmen, mit dem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Energiewende beschleunigen will.

Die Zeit dafür drängt: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, so will es der Koalitionsvertrag. Bisher sind es nur gut 40 Prozent. Und mit jeder Woche wird es schwieriger, das Ziel zu erreichen. Das offenbaren die Ausbauzahlen der Bundesnetzagentur, die wir hier wöchentlich dokumentieren.

Schon die Durchschnittswerte, um das Ziel für 2022 zu erreichen, wurden seit Jahresbeginn nie erreicht. Dabei liegen die Zielwerte noch deutlich unter dem, was in den kommenden Jahren jeweils erreicht werden soll. So plant Habecks Ministerium für dieses Jahr etwa mit einem Zubau von drei Gigawatt Windenergie an Land, 2024 sollen es schon sechs, 2027 dann sogar zehn Gigawatt sein.



Das Tempo soll sich mit dem Osterpaket beginnend schrittweise erhöhen, so Habecks Versprechen, als er im Januar seine Auftaktbilanz der Energiewende präsentierte. Damals lautete seine zentrale Botschaft: Wir liegen weit hinter dem Plan, aber noch ist die Aufholjagd möglich. Der Referentenentwurf zum Osterpaket liefert jetzt jedoch einigen Anlass, daran zu zweifeln. Denn der fokussiert sich vor allem auf zwei Aspekte: Fotovoltaik und Windenergie auf hoher See. So ist etwa geplant, Solaranlagen in Zukunft stärker zu fördern, wenn der Strom nicht selbst verbraucht, sondern ins Netz eingespeist wird. Zudem soll die Deckelung für die Förderung der Anlagen entfallen, die Menge der ausgeschriebenen Freiflächensolaranlagen deutlich steigen. Auch die Menge der auf hoher See geplanten Windkraftanlagen soll deutlich steigen, Interessenten sollen hier zudem selbstständig Flächen entwickeln können und nicht mehr auf die behördliche Voruntersuchung warten müssen.

In der Branche stoßen die Ideen auf einige Zustimmung, tatsächlich könnten sie den Ausbau der Fotovoltaik weiter in Schwung bringen. Auch die Entwicklung neuer Anlagen auf hoher See, die zuletzt nahezu vollständig zum Erliegen gekommen war, könnte so wieder anziehen – wenn auch mit deutlichem zeitlichen Verzug, die Kapazitäten für die nächsten drei bis vier Jahre stehen hier bereits heute mehr oder weniger fest.

All das aber löst ein Problem nicht: die Windkraftflaute an Land. Da die Sonneneinstrahlung in Deutschland überschaubar ist und die Flächenpotenziale im Meer begrenzt sind, wird das Gelingen der Energiewende vor allem von diesem Energieträger abhängen. Umso bitterer, dass Habecks Entwurf ausgerechnet um diesen kompliziertesten, aber auch wichtigsten Teil des Vorhabens einen Bogen macht.

Die wesentlichen Hemmnisse des Ausbaus der Windkraft an Land, so heißt es in dem Text, lägen im Natur- und Artenschutzrecht, im Planungsrecht und den zu geringen Flächenausweisungen. Sie würden „durch gesonderte Gesetzgebungsverfahren abgebaut, hierzu soll im Sommer im Kabinett ein Windenergie-an-Land-Gesetz beschlossen werden“.

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Es wird also bis weit ins kommende Jahr dauern, bevor an diesem Punkt Effekte einer möglichen vereinfachten Gesetzgebung zu erwarten sind. Dabei zeigt auch die jüngste Auswertung wieder, dass sich die Probleme der Energiewende immer mehr auf die Windkraft an Land konzentrieren.





Während die Zahl der Solaranlagen weiter deutlich steigt und die Ausbauziele zumindest in Reichweite liegen, bleibt der Zubau bei der Windkraft völlig unbefriedigend. Nur zwei neue Windräder sind in der vergangenen Woche ans Netz angeschlossen worden.

Insgesamt wurde damit zwar mehr Leistung ans Netz angeschlossen als in den Vorwochen, die Summe ist jedoch weiter deutlich von den Ausbauzielen entfernt und zudem trügerisch: So übertrifft die Bruttoleistung aller Solaranlagen im Land inzwischen zwar die der Windkraftanlagen – die tatsächliche Energieausbeute der Windkraft jedoch liegt über ein ganzes Jahr gerechnet immer noch fast dreimal so hoch wie die der Solarkraft.



Die zwei neu entstandenen Windräder finden sich in Brandenburg, dem in diesem Jahr mit wachsendem Abstand aktivsten Bundesland in Sachen Windkraft. 44,5 Megawatt Leistung sind hier seit Jahresbeginn entstanden, knapp ein Viertel der gesamten Leistung (195 MW) und rund 2,5 mal so viel wie im nächstproduktivsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (18,6).

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