Wirtschaft von oben #204 – Aufrüsten gegen China Krieg um Taiwan: So bereiten sich Japan, USA und Australien vor

Auf der japanischen Insel Mage entsteht ein neuer Stützpunkt für amerikanische Navy-Kapfjets. Quelle: LiveEO/Sentinel-2

China probte am Osterwochenende die Eroberung von Taiwan. Satellitenbilder zeigen, wie sich Chinas Gegner auf einen möglichen Krieg vorbereiten – Golfplätze werden zu Raketenbasen umgebaut, alte Stützpunkte reaktiviert. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Seit Jahren rüstet China im Südchinesischen Meer auf. Das Regime in Peking lässt Waffen an der eigenen Küste stationieren, Start- und Landebahnen auf aufgeschütteten Atollen wie den Spratly-Inseln bauen.

So wächst seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Sorge, als nächstes könne China versuchen, seine frühere Provinz Taiwan einzunehmen.

Die Spannungen nehmen seit Monaten zu, Peking fühlt sich durch Reisen und Austausche westlicher Diplomaten mit Taiwan provoziert.

Nachdem sich Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in Kalifornien mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy getroffen hatte, ließ das Regime am Osterwochenende eine dreitägige Übung abhalten, bei der China eine Eroberung der Insel probte. Dabei überquerten Dutzende Militärflugzeuge die Mittellinie zwischen Taiwan und dem Festland, drangen so in die taiwanische Luftüberwachungszone ein.

Satellitenbilder von LiveEO zeigen nun, wie die Verbündeten Taiwans – eine Allianz unter anderem aus Japan, den USA und Australien – reihenweise neue Stützpunkte bauen oder bestehende erweitern. Sie wollen für einen drohenden Krieg im Westpazifik gerüstet sein und hoffen, Peking doch davon abzuschrecken.

Japan etwa funktioniert zurzeit eine Reihe von Golfplätzen in der subtropischen Inselketten-Präfektur Okinawa zu Militärstützpunkten und Raketenbasen um. Australien baut Tankfarmen im Norden des eigenen Landes, die im Fall der Fälle Kriegsschiffe versorgen können, und macht zugleich einen Militärflugplatz fit für mit US-Atomwaffen bestückte B-52-Bomber.



Die USA selbst bauen auf der Pazifikinsel Tinian eine neue Luftwaffenbasis, nur einen Steinwurf von jenem stillgelegten Stützpunkt entfernt. Erst vor wenigen Wochen hat sich Washington zudem einen Zugang zu vier zusätzlichen Militärbasen auf den Philippinen gesichert. Der Inselstaat liegt an einer strategisch wichtigen Stelle.

Worum geht es bei dem Streit um Taiwan?

Ein chinesischer Forscher, der die politische Lage in der Region untersucht, sagte einer Hongkonger Zeitung, der Geruch von Schießpulver liege in der Luft. US-Kriegsplaner und Analysten hatten zuletzt Schätzungen vorgelegt, wann Peking bereit sei, Taiwan einzunehmen. Oriana Skylar Mastro, Verteidigungswissenschaftlerin an der Stanford-Universität, setzte den Zeitraum auf 2025 bis 2027. Sie hält es für wahrscheinlicher, dass China dann angreife, als dass es das nicht tue.

Laut Meia Nouwens, die am Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) in London die Aufrüstung beobachtet, hält das Regime in Peking wohl am Ziel fest, Chinas Militär erst 2035 komplett runderneuert zu haben. „Doch in den USA glaubt man auch, dass Präsident Xi Jinping seine Armee instruiert hat, schon 2027 in der Lage zu sein, Taiwan einzunehmen“, kommentiert die Expertin.

Japans Premierminister Fumio Kishida hatte nicht zuletzt deshalb Ende Februar verkündet, sein Land werde noch in diesem Jahr 400 Tomahawk-Raketen vom US-Hersteller Raytheon kaufen, die eine Reichweite von rund 1000 Kilometern haben. Ein Vorhaben, das das Land immerhin zwei Milliarden Dollar kostet. Bisher war die Reichweite von Raketen in Japan gesetzlich auf 200 Kilometer begrenzt.


Solche Mittelstreckenraketen sollen vermutlich auch auf der japanischen Insel Ishigaki stationiert werden, die nur 200 Kilometer vor der Küste Taiwans liegt. Von hier aus könnten sie unter anderem die chinesische Metropole Shanghai treffen. Seit 2019 hat die Regierung in Tokio auf Ishigaki einen Golfplatz zu einem neuen Stützpunkt für Raketenabschuss-Batterien der japanischen Selbstverteidigungsarmee umbauen lassen, wie neueste Satellitenbilder zeigen.

Bollwerk gegen China

Ishigaki gehört zu einer 1200 Kilometer langen Inselkette der Präfekturen Kagoshima und Okinawa, die sich von der japanischen Hauptinsel bis nach Taiwan zieht und nun zu einer Art Bollwerk aufgerüstet wird.

Etwas nördlich von Ishigaki liegt die Insel Miyako. Auch hier zeigen Satellitenbilder, wie das japanische Militär einen Golfplatz in eine Kaserne umgebaut hat. In der sind nun Bodentruppen stationiert. Und auf der größten Insel Okinawa liegt schon seit langem der US-Luftwaffenstützpunkt Kadena, auf dem mehr als 20.000 Soldaten und ziviles Personal Dienst tun.


Weiter nördlich von der Insel Okinawa, auf dem zur Präfektur Kagoshima gehörenden Eiland Amami, haben die Japaner ebenfalls einen neuen Stützpunkt eingerichtet. Hierfür musste ein großer Golfplatz einen Teil seines Geländes abgeben. US-Truppen hatten in und um das Camp gemeinsam mit den Japanern zuletzt den Einsatz verschiedener Raketensysteme geübt.

Und auf der noch weiter nördlich gelegenen unbewohnten Insel Mage beginnt die japanische Armee gerade mit dem Bau einer neuen Marinefliegerbasis für die USA. Schon 2009 wollte ein lokales Unternehmen hier eine Start- und Landebahn einrichten, die Insel als Übungsgelände an die US-Navy verpachten. Das Projekt scheiterte damals an einem Skandal um angeblichen Steuerbetrug.


US-Kampflugzeuge, die bisher auf der japanischen Insel Iwo Jima im Pazifik stationiert sind, sollen in Mage näher an den Ort des möglichen Geschehens rücken. Dafür hatte die japanische Regierung die Insel laut „Japan Times“ für umgerechnete 146 Millionen Dollar von der Präfektur Kagoshima gekauft. Mage liegt am Ostchinesischen Meer nördlich von Taiwan.

Aber nicht nur in Japan rüsten die USA auf. Auf der abgelegenen Pazifikinsel Tinian baut die US-Armee zurzeit einen neuen Luftwaffenstützpunkt – gerade mal sechs Kilometer südlich von jener ehemaligen Basis, von der aus die Bomber 1945 in Richtung Japan starteten, um im Zweiten Weltkrieg die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen. 


Während die alten Start- und Landebahnen nun sichtbar zuwuchern, entsteht angedockt am heutigen zivilen Flughafen der Insel ein neues militärisches Rollfeld, wie aktuelle Satellitenfotos zeigen. Kosten des Projekts: 162 Millionen US-Dollar.

Tinian soll ein zweites Standbein in der Gegend für das US-Militär werden, für den Fall, dass China den großen Stützpunkt der US-Luftwaffe auf Guam zerstören oder beschädigen sollte. Guam liegt gerade mal 165 Kilometer südlich und ist wie Tinian Teil der Marianeninseln, einem Außengebiet der USA.


Tatsächlich entwickelt China zurzeit verschiedene neue Mittelstreckenraketen, etwa die DF-26. Die ist auch als „Guam-Killer“ bekannt und soll eine Reichweite von rund 5000 Kilometern haben. Damit könnte sie vom chinesischen Festland aus den Stützpunkt in Guam problemlos erreichen.

Ziel der Allianz ist es, durch Abschreckung China von einem Angriff auf Taiwan abzuhalten – wie auch immer dieser aussehen könnte. Neben den unmittelbaren Nachbarn des Landes und den USA stockt deshalb zurzeit auch Australien seine Verteidigung massiv auf, um auf einen Krieg in der Region vorbereitet zu sein. „Das alles soll ein Signal nach Peking senden, dass die USA nicht allein agieren“, sagt IISS-Expertin Nouwens.

Nahe der nordaustralischen Stadt Darwin lässt das australische Verteidigungsministerium nach eigenen Angaben daher gerade für rund 290 Millionen Euro einen Stützpunkt ausbauen. Entstehen soll dabei unter anderem eine neue Tankfarm, an der Kriegsschiffe und U-Boote Treibstoff bunkern können.

280 Kilometer entfernt, südlich des berühmten Kakadu-Nationalparks, wächst zudem die Luftwaffenbasis Tindal. Von ihr sollen künftig wie von Guam auch amerikanische Bomber vom Typ B-52 Stratofortress starten. Das sind jene Flugzeuge, die die strategischen Atomwaffen der USA transportieren. Sechs Exemplare sollen auf dem Stützpunkt künftig stationiert sein. Sie können von hier aus auch das chinesische Festland erreichen.


Dafür lässt die australische Regierung für umgerechnet eine Milliarde Euro, mitfinanziert von den USA, unter anderem die Start- und Landebahn verlängern und ein neues Vorfeld etwa für Tankflugzeuge bauen. Auf der Tindal-Luftwaffenbasis entstehen laut dem australischen Verteidigungsministerium zudem neue Tankfarmen, eine davon für die US-Maschinen, und Wartungsgebäude für B-52-Bomber.

Der Stützpunkt ist weit genug vom Meer entfernt gelegen, um vor tropischen Wirbelstürmen sicher zu sein. Das australische Militär will hier neben den großen US-Bombern künftig auch eigene moderne F-35-Kampfjets sowie Tankflugzeuge stationieren. 

Doch wird Peking sich von all dem beeindrucken lassen und zurückschrecken? Manche Beobachter fürchten das Gegenteil. Dass die pazifische Allianz Chinas Präsident Xi, der die Taiwan-Frage zu einer seiner Prioritäten gemacht hat, sogar zu einem übereilten Angriff auf die ehemalige Provinz treiben könnte. Weil er seine Chancen auf einen erfolgreichen Schlag durch die Aufrüstung seiner Gegner schwinden sieht. Am Ende, sagt China-Expertin Nouwens, könne aber niemand in den Kopf von Xi schauen. Die Entscheidungsprozesse in Peking jedenfalls würden immer undurchsichtiger.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 6. April 2023 veröffentlicht. Im Zuge aktueller Entwicklungen wurde er am 11. April 2023 redaktionell aktualisiert.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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