Wirtschaft von oben #207 – Wärmepumpen aus Osteuropa Hier kündigt sich eine massive Schlacht um den Wärmepumpenmarkt an

Auf einem ehemaligen sowjetischen Militärflugplatz in Polen, zwischen einem Einkaufs- und einem Logistikzentrum, entsteht eine riesige Viessmann-Fabrik für Wärmepumpen. Quelle: LiveEO/SPOT

Reihenweise ziehen Produzenten von Wärmepumpen in Osteuropa riesige Fabriken hoch. Das zeigen neueste Satellitenbilder. Vom entstehenden Milliardenmarkt wollen sie alle etwas abhaben. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Während in Berlin noch debattiert wird, ob nun Gasheizungen auch in Zukunft eine Chance bekommen sollen – etwa um Wasserstoff zu verbrennen –, bringt sich die Wärmepumpen-Branche für das ganz große Geschäft in Stellung. Der US-Hersteller Carrier Global schnappt sich gerade die Heizungs- und Wärmepumpen-Sparte des deutschen Familienkonzerns Viessmann. Und überall in Europa ziehen Produzenten der Heiztechnik eilig neue Fabriken hoch, um den Markt mit Geräten fluten zu können. Besonders Polen, Tschechien und die Slowakei sind dabei allererste Wahl.

Neueste Satellitenbilder von LiveEO zeigen nun, wie weit die Unternehmen bei diesem Vorhaben sind. Es entsteht eine Art neues Silicon Valley für Wärmepumpen.

Die Länder in Mittel- und Osteuropa liegen nah dran oder mitten drin in den künftigen europäischen Boommärkten. „Die Lieferkettenprobleme der vergangenen Jahre bringen die Firmen dazu, sich in der Nähe ihrer Endmärkte niederzulassen“, erklärt Zuzana Zavarska vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Die Technik lasse sich von dort aus schnell und einfach etwa nach Deutschland bringen.



Die Region dürfte in den nächsten Jahren aber auch Schauplatz eines gnadenlosen Verteilungskampfes werden. Denn nicht nur europäische und amerikanische Konzerne wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Auch asiatische Hersteller von Klimaanlagen, die den Wärmepumpen ähneln, drängen in das Geschäft. Die Komponenten der Klimatechnik sind vergleichbar mit denen in der Wärmepumpe.

Die Sorge, Viessmann könnte diesen Kampf verlieren, dürfte eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, dass die Eigentümerfamilie das Zukunftsgeschäft für elf Milliarden Dollar an den US-Rivalen Carrier Global verkaufen will. Geschäftsführer Max Viessmann sagte im Interview mit der WirtschaftsWoche, dass eine Entwicklung schneller komme, die auf lange Sicht unausweichlich war: „Nämlich dass Unternehmen, die Millionen Klimageräte pro Jahr produzieren, massiv in den Markt drängen werden.“

Viessmann investiert gerade rund 200 Millionen Euro in eine riesige neue Produktion für Wärmepumpen in Polen. Das Werk entsteht auf einem alten Militärflugplatz im Süden der Stadt Legnica, auf dem in Zeiten des Kalten Krieges Kampfjets der Sowjetarmee stationiert waren. Zur Grundsteinlegung im vergangenen Sommer reiste sogar der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki an. Der Standort soll künftig 1700 Leute beschäftigen.


Die ersten Erdarbeiten für die neue Fabrik hatten den Satellitenbildern zufolge im April 2022 begonnen. Ein Jahr später ist das Werk des deutschen Herstellers zumindest äußerlich weitgehend fertig – und steht nun mitsamt der ganzen Wärmepumpen-Sparte zum Verkauf.

Nur 30 Kilometer südlich, im kleinen Örtchen Dobromierz, plant Konkurrent Bosch ein neues Wärmepumpen-Werk. 2024 soll der Bau der Fabrik, die eine Viertel Milliarde Euro kosten soll, starten. Die Produktion wird sie voraussichtlich Ende 2025 oder Anfang 2026 aufnehmen und bis zu 500 Jobs schaffen. Noch ist hier jedoch nur eine große Ackerfläche zu sehen.

Bosch produziert schon jetzt in Portugal, Schweden, in Wernau am Neckar und neuerdings auch im mittelhessischen Eibelshausen Wärmepumpen. Der Umsatz des Konzerns mit Wärmepumpen stieg im vergangenen Jahr um immerhin 54 Prozent. Innerhalb der EU rechnet Bosch mit einem jährlichen Wachstum von 20 Prozent.


Nicht ohne Grund wächst allerdings gerade bei hiesigen Herstellern die Angst, asiatische oder amerikanische Anbieter könnten den Europäern die Umsätze streitig machen. Wärmepumpen sind eine Art umgekehrte Klimaanlage. Die physikalischen Prinzipien dahinter sind die selben. Und auch die Technik ist ähnlich. Das verschafft jenen asiatischen Herstellern einen Vorteil, die schon heute massenhaft Klimaanlagen produzieren.

Unternehmen wie Mitsubishi Electronic aus Japan etwa, das gerade eine Klimaanlagenfabrik in der Türkei erweitert, um dort künftig bis zu 300.000 Wärmepumpen im Jahr für den europäischen Markt zu fertigen. Der japanische Elektronikkonzern Panasonic will bis 2026 rund 145 Millionen Euro in die Erweiterung einer Fabrik im tschechischen Pilsen investieren, die seit 2018 Wärmepumpen für Europa baut.

Und dann ist da noch Daikin. Die japanische Aktiengesellschaft aus Osaka hat weltweit rund 85.000 Angestellte. Umsatz zuletzt: 20 Milliarden Euro. Wärmepumpen sind nur ein Teil des Geschäfts, auch in Europa. Ihr deutsches Wärmepumpenwerk steht in Güglingen bei Heilbronn. 


2004 eröffnete Daikin ein Werk im tschechischen Brünn, zunächst als Produktionsstandort für Kompressoren. Heute produzieren die Mitarbeiter auch dort Wärmepumpen für den europäischen Markt. Auf den Satellitenbildern ist zu sehen, wie das Unternehmen nach und nach angebaut hat – und aktuell weiter anbaut.

Bis 2025 investiert Daikin 1,2 Milliarden Euro in Europa. Ein Viertel davon fließt in eine ganz neue Wärmepumpenfabrik. Wieder in Osteuropa, wieder in Polen. In der Nähe von Lodz haben die Bauarbeiten vor wenigen Wochen begonnen, wie die Satellitenbilder zeigen. Geplanter Produktionsstart: Juli 2024.


Osteuropas niedrige Löhne spielen laut WIIW-Expertin Zavarska zwar eine Rolle, aber nicht die vorrangige. Daikin habe den europäischen Markt bisher auch von Fabriken in Malaysia bedient. Doch der Konzern will näher an den künftigen Boommärkten für Wärmepumpen sein, selbst wenn die Löhne höher als in manch asiatischem Land sind. „Die in Europa verkauften Wärmepumpen für Wohngebäude werden vollständig in Europa entwickelt und hergestellt“, teilt Daikin mit. Und natürlich wächst auch in Tschechien, Polen und der Slowakei die Nachfrage nach Wärmepumpen.

Lesen Sie auch: So will der japanische Wärmepumpen-König Daikin deutsche Heizungsbauer abhängen

Ein weiterer Standortvorteil: In den osteuropäischen Ländern „gibt es bereits Anbieter, die Heiztechnik produziert haben, auch Wärmepumpen“, sagt Zavarska. Auf diesem vorhandenen Know-how etwa bei den Mitarbeiter könnten die Unternehmen aufbauen.

So hat es in Teilen auch Stiebel Eltron gemacht, als das Unternehmen mit Sitz im niedersächsischen Holzminden vor fast 20 Jahren Tatramat übernahm. Durch die Fusion siedelte sich Stiebel Eltron im slowakischen Poprad an, wo das Unternehmen bis heute Wärmepumpen baut.


Der Großteil der Geräte entsteht aber in Werken im deutschen Holzminden und dessen Umgebung. Anders als viele Wettbewerber weite Stiebel Eltron die Kapazitäten für umweltfreundliche Heiztechnik vor allem an heimischen Standorten aus. So ließ sich Geschäftsführer Kai Schiefelbein am vergangenen Montag in einer Pressemitteilung zitieren. Wenige Stunden später berichtete das „Wall Street Journal“ erstmalig über den Carrier-Viessmann-Deal, der eher kein Bekenntnis für Deutschland ist.

Stiebel Eltron plant, die Zahl der Arbeitsplätze in der Holzmindener Wärmepumpenfertigung bis 2027 von 400 auf rund 1200 zu verdreifachen. Die Produktionsfläche für Wärmepumpen-Heizungen werde um eine Fläche so groß wie vier Fußballfeldern erweitert – 450 Millionen Euro investiert die Firma dafür in der niedersächsischen Zentrale. Osteuropa ist für sie nur ein Seitenarm. Während deutlich größere Hersteller wie Viessmann, Vaillant und Bosch lange Zeit mit Öl- und Gasheizungen viel Geld verdienten und nun das Problem haben, abrupt aus dem Geschäft aussteigen zu müssen, setzt Stiebel Eltron schon seit 1976 vor allem auf Wärmepumpen.

Der Remscheider Heiztechnikspezialist Vaillant wird ab Mai elektrische Wärmepumpen in einer neuen Megafabrik im slowakischen Senica bauen. Das 100.000 Quadratmeter große Werk ist Unternehmensangaben zufolge auf 300.000 Wärmepumpen im Jahr ausgelegt und damit doppelt so groß wie das Werk von Konkurrent Viessmann in Polen. Vaillant verdoppelt damit seine Kapazität. Bisher fertigt es schon Wärmepumpen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien.


Entstanden ist es in Rekordzeit. Noch Anfang März 2022 gab es an der Stelle, wo das Werk nun steht, nur Ackerfläche. Mitte März 2022 sind auf Satellitenbildern erste Erdarbeiten zu erkennen, im Juni weite Teile des Fundaments, seit Dezember sind die drei großen Hallen im Süden des kleinen Ortes, der 60 Kilometer nördlich von Bratislava liegt, äußerlich weitgehend fertig. Einschließlich dieses Projektes investiert das Unternehmen eigenen Angaben zufolge derzeit rund eine Milliarde Euro in den Ausbau des Wärmepumpengeschäfts.

Die Neubauten und Erweiterungen bringen Arbeitsplätze. Daikin etwa gibt an, allein mit der Erweiterung des Werks in Brünn bis in zwei Jahren mindestens 500 Jobs zu schaffen. Entsprechend groß ist die Unterstützung der Regierungen. WIIW-Expertin Zavarska sagt: „Es gibt sehr großzügige Investmentanreize dafür, dass dort Jobs geschaffen werden.“ Das umfasse auch Steuervorteile, mit denen die Unternehmen ihre Investments teilweise refinanzieren können. Vaillant etwa müsse in den kommenden Jahren mehrere Millionen Euro weniger Steuern zahlen.

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