Wirtschaft von oben #221 – Landgewinnung Hier verdoppelt Macau einfach mal so seine Landmasse

Quelle: Sentinel

In beispiellosem Umfang hat die chinesische Sonderverwaltungszone Land aufgeschüttet – für Kasinos und Wohnraum. Das zeigen Satellitenbilder. Nun hat Peking die nächste Erweiterung erlaubt. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Macau wächst rasant, und das gleich auf diverse Arten. Die einstige portugiesische Kolonie hat Las Vegas längst als Glücksspielhauptstadt deplatziert – selbst wenn die Pandemie das Geschäft zuletzt verhagelte. Beim Wirtschaftswachstum hat Macau in den vergangenen 30 Jahren das benachbarte Hongkong hinter sich gelassen. Und die Einwohnerzahl der Stadt ist in jener Zeit um 100 Prozent gestiegen, auf heute 700.000. Möglich war das alles nur, weil Macau auch seine Fläche verdoppelt hat. Durch beispiellose Landgewinnung.

Neueste Satellitenbilder zeigen nun, dass dieses Landwachstum längst nicht abgeschlossen ist. Die chinesische Zentralregierung erlaubte den Behörden vor Ort erst im vergangenen Herbst, die Fläche weiter auszubauen. Nach der bisherigen Erweiterung, die noch nicht komplett abgeschlossen ist, wird die Stadt bereits 33 Quadratkilometer messen. Zum Vergleich: 1912 war sie 11,6 Quadratkilometer groß.

Zwar haben auch andere Städte Land aufgeschüttet – in Dubai entstanden die Palmeninseln, in Singapur riesige Industrieanlagen. Und in Hongkong der Flughafen, der gerade noch einmal massiv erweitert wird. Doch nirgends ist der Leidensdruck, Land zu generieren so groß wie in Macau. Die Sonderwirtschaftszone ist mit 21.000 Menschen pro Quadratkilometer heute das am dichtesten besiedelte Gebiet der Welt. Selbst das Fürstentum Monaco steht da hinten an.


Dabei ist Landgewinnung ziemlich teuer. 350 Hektar – ungefähr die Fläche des Tesla-Werks in Grünheide – kosten um die 1,5 Milliarden US-Dollar, heißt es in einer aktuellen chinesischen Studie, die das Landwachstum in Macau untersucht hat. In den vergangenen Jahren kam dabei unter anderem jene Insel dazu, auf der sich heute die Grenz- und Zollanlagen für die Besucher befinden, die über die neue 55 Kilometer lange Brücke zwischen Hongkong und Macau anreisen.

Zwischen der Grenzinsel und dem alten Macau ist in den vergangenen Jahren nun ein weiteres knapp 1,4 Quadratkilometer großes Eiland mit dem etwas technischen Namen Neue Urbane Zone Gebiet A entstanden. Hier sollen in den nächsten Jahren 32.000 Wohnungen gebaut werden, mehrere Schulen, Einkaufszentren und Parks. Bauarbeiter ziehen hier gerade die ersten Gebäude hoch.

Satellitenbilder zeigen, wie sehr sich Macau in den vergangenen 30 Jahren verändert hat. Einst bestand es aus einer Halbinsel mit der historischen Altstadt, deren Wurzeln bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, als Portugal begann, mit China Handel zu treiben. Auch gab es südlich davon zwei größere Inseln, Taipa und Coloane. Beide wurden seit Anfang der 1990er-Jahre miteinander verschmolzen. Ein Vorhaben, dass noch unter portugiesischer Ägide begann, bevor Macau 1999 an China überging.


Die größten Nutznießer dieser Landgewinnung sind die fünf riesigen Kasino-Konzerne, die in Macau Glücksspiel anbieten dürfen. In dem so neu entstandenen Stadtteil Cotai wächst seit Jahren eine Kopie des Las Vegas Strip heran. Mit gewaltigen Kasinos wie dem MGM Cotai, dem Wynn Palace, dem Londoner, dem Venetian Macau und dem Parisian, vor dem eine riesige Kopie des Eifelturms steht. Es sind milliardenteure Komplexe, in denen vor allem chinesische Touristen spielen, Shows besuchen, shoppen und dinieren sollen.

Das neueste Highlight hier ist das im Juni eröffnete The Karl Lagerfeld. Die deutsche Modeikone hatte vor ihrem Tod persönlich an der Gestaltung mitgemischt. In der Lobby etwa stehen 4000 Bücher aus Lagerfelds persönlicher Bibliothek.


Die 271-Zimmer-Unterkunft gehört zum Grand Lisboa Palace Resort, einem gewaltigen neuen Kasinokollos im Osten von Cotai. Nach acht Jahren Bauzeit wurde der im Sommer 2021 eröffnet, Kostenpunkt: umgerechnet fast fünf Milliarden US-Dollar.

Um unter anderem die Spieler schneller in großen Mengen von Grenzstation, Flughafen und Fähre zu den Kasinos zu bringen, baut Macau gerade eine neue Hochbahn. Das soll die Lage im überlasteten Bus- und Straßennetz der Stadt entspannen. Die erste Strecke ist seit 2019 in Betrieb. 

Die Tourismus-, Kasino- und Unterhaltungsindustrie ist heute der größte Arbeitgeber in der Sonderwirtschaftszone. Sie erwirtschaftet mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts und mehr als 80 Prozent der Steuereinnahmen. Glücksspiel ist hier seit 1847 legal – während es im Rest von China seit den 1940er-Jahren verboten ist.

Dass es bei den neuesten Landerweiterungen weniger um die Kasinos, dafür mehr um Wohnraum geht, hat zwei Gründe: Zum einen macht der Zustrom und die Unterbringung billiger Arbeitskräfte, zunächst aus China, heute eher von den Philippinen, die gerade mal zwei Flugstunden entfernt liegen, das enorme Wirtschaftswachstum überhaupt erst möglich.


Lag das Bruttoinlandsprodukt 1990 noch bei 3,2 Milliarden US-Dollar, waren es 2019 mehr als 55 Milliarden. Die Pandemie hat es zwar einbrechen lassen. Doch seit Anfang dieses Jahres, seit vor allem Chinesen wieder reisen dürfen, erholt sich die Wirtschaft der ehemaligen Kolonie.

Zum anderen will die Verwaltung von Macau – auch unter dem Druck aus Peking – die Abhängigkeit von den Kasinos reduzieren. Andere Industrien beispielsweise im Bereich Metaverse oder der Traditionellen Chinesen Medizin (TCM) – einem Lieblingsthema von Staatspräsident Xi Jinping – sollen angesiedelt werden.

Dafür hat Peking laut „Time Magazine“ der Stadt Macau Land auf der benachbarten chinesischen Insel Hengqin angeboten. Schon 2009 musste Macau hier Flächen von China pachten. Unter anderem für die Universität Macau, die einen neuen Campus bekam. Auf dem Gelände der Uni gilt das Recht Macaus anstelle von chinesischem. Nur Glücksspiel ist auf Hengqin verboten.

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Bestehende Flächen vom chinesischen Festland zu nutzen wäre eine Alternative zur enormen künstlichen Landgewinnung, die schwere Schäden im Ökosystem hinterlässt. So sind etwa die riesigen Mangrovenwälder in Macau schon in den 1990er-Jahren gestorben, weil sie durch die Blockade vom Meerwasser nicht mehr genügend Nährstoffe bekamen. Der Sand für die Aufschüttungen kommt in den meisten Fällen aus dem Perlfluss nördlich von Macau, wo das Ausbaggern ebenfalls Schäden verursacht

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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