Wirtschaft von oben #226 – Russlands Milliardäre Hier liegen die Oligarchen-Yachten heute

In Dubai liegen gleich mehrere russische Megayachten herum.  Quelle: LiveEO/Pléiades Neo

Direkt nach Beginn des Ukraine-Kriegs wurden einige Superyachten von Russlands Reichsten stillgelegt. Die meisten aber sind weiterhin auf den Meeren unterwegs – vor allem in zwei Regionen. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Der Hafen von Göcek war unter Seglern lange ein beliebtes Ziel. Eine geschützte Bucht, gute Infrastruktur, ein venezianisch anmutender Kanal zwischen Ortszentrum und Meer, viel Grün und dazu ein paar pittoreske Inseltupfer im blauen Mittelmeer: Der Ort ganz im Südwesten der Türkei, nahe der griechischen Insel Rhodos, bietet genug, um allein eine Touristenbroschüre zu füllen. Dennoch verirrten sich gewöhnliche Segelyachten zuletzt immer seltener hierhin, hat das Anlegen in Göcek doch seinen Preis: 1200 Euro, so rechnete es jüngst die Tageszeitung Sabah vor, kosten der größeren Liegeplätze in Göcek in diesem Sommer – pro Nacht. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Monaco und ein Vielfaches der Raten in den nahen griechischen Häfen, wo eine Nacht für 35 Euro zu haben ist.

Trotzdem funktioniert das Geschäftsmodell der insgesamt sechs Marinas um Göcek. Setzen sie doch inzwischen vor allem auf Kunden, für die Geld kaum eine Rolle spielt – solange niemand unangenehme Fragen nach dessen Herkunft stellt. Es sind vor allem Russlands Superreiche, die hier und im nahegelegenen Bodrum den Sommer verbringen. 

Bevölkerten diese Milliardäre noch vor zwei Jahren je nach Jahreszeit die Häfen in Südfrankreich, Italien oder der Karibik, mussten sie Anfang des vergangenen Jahres umdisponieren. Nach dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine wurden viele von ihnen vom Westen mit Sanktionen belegt und Yachten beschlagnahmt, wo es den Behörden gelang. In Hamburg die „Dilbar“ von Alisher Usmanov, die dort gerade in der Werft lag. In Palma de Mallorca die „Tango“, das Schiff von Wiktor Wechselberg. Viele andere Oligarchen aber kamen davon, setzten sich ab ins offene Meer als die Sanktionen nahten und schalteten teils sogar ihre Ortungsgeräte ab, so dass ihre Routen nicht mehr nachzuvollziehen waren.



Stillgelegt aber haben sie ihre Superyachten keineswegs. Die meisten der Yachten von Russlands Milliardären, das zeigt eine Auswertung des Navigationsdienstes Marinetraffic und aktueller Satellitenbilder von LiveEO, sind heute noch auf den Weltmeeren unterwegs, die meisten jedoch im nötigen Diskretionsabstand zu den Gewässern der EU. Wie etwa in Göcek.

Gleich fünf Yachten russischer Milliardäre lagen hier zuletzt am Kai oder vor Anker. Direkt mittig, vor der zentralen Marina des Orts, ist die „Grand Rusalina“, das Schiff des Bankers und Immobilieninvestors Rustem Teregulov, zu erkennen. Weiter links, am westlichen Ufer der Bucht, haben gleich drei russische Superreiche ihre Boote nebeneinander geparkt: Am nördlichen Ende gut zu erkennen ist die „Flying Fox“, das Schiff von Dmitry Kamenshchik, dem Inhaber des Moskauer Flughafens Domodedovo. Das Schiff, gebaut von der deutschen Lürssen-Werft und mit schätzungsweise 400 Millionen Euro eines der teuersten der Welt, war nach Kriegsbeginn für einige Wochen in der Dominikanischen Republik festgesetzt worden – von wo es eines morgens einfach verschwand und Kurs auf die Türkei nahm.


Mit etwas Abstand nebenan folgte die „Romea“, das Schiff von Alexander Nesis, Chef der Private-Equity-Firma ICT, die bereits 2013 von Russland nach Zypern übersiedelte. Daneben lag – auf der Aufnahme von Anfang August noch nicht zu erkennen – zuletzt das etwas kleinere, schätzungsweise rund 20 Millionen Euro teure Boot „Tatiana V“ des Geschäftsmanns Vadim Vikulov.

Das meiste Aufsehen in Göcek aber erregten in den vergangenen Monaten weitere Yachten, welche die Bucht inzwischen wieder verlassen haben: Die Schiffe „Halo“ und „Garcon“, die dem ehemaligen Eigner des Fußballclubs FC Chelsea, Roman Abramovitsch, zugerechnet werden und wie seine beiden noch größeren Yachten „My Solaris“ und „Eclipse“ seit Kriegsbeginn in der türkischen Ägäis unterwegs sind. Die „My Solaris“ lag laut Ortungssystem zuletzt an jenem Platz, an dem sich derzeit die „Flying Fox“ befindet, während die „Eclipse“ zuletzt eine Bucht weiter westlich im Hafen von Marmaris lag.

Auch jenseits der Bucht von Göcek ist die türkische Ägäis ein beliebtes Ziel der russischen Elite. Eine Yacht, die dem Chef der russischen Bank VTB Andrey Kostin zugerechnet wird, ankerte diesen Sommer nördlich der Halbinsel Bodrum, die Yacht „Predator“ von Iskander Makhmudov ein paar Kilometer weiter nördlich in Kursadasi. Weitere Milliardärsboote liegen direkt vor Istanbul am Bosporus. 

In der Türkei, die trotz Nato-Mitgliedschaft großen Wert auf ihren neutralen Status im Ukraine-Konflikt legt, können sich die wohlhabenden Russen, auch aus dem engeren Kreis Putins, relativ sicher fühlen. Ähnliches gilt für das Emirat Dubai am Persischen Golf. Die Stadt mit ihrem internationalen Flughafen und den extrem geringen Steuern ist seit Beginn des Kriegs ohnehin zu einer zweiten Heimat für viele Russen geworden. Und so liegen, obwohl es dem dortigen Industriehafen an jeglichem Charme mangelt, auch einige ihrer Yachten hier.


Ganz im Osten zu sehen ist die Yacht „Titan“ von Alexander Abramov, der bis ins vergangene Jahr die Geschäfte beim russischen Stahlkonzern Evraz führte. Westlich liegen oberhalb des Kais zwei weitere Oligarchenyachten in Reihe, die „My Nirvana“ und die „Plvs Vltra“. Die „My Nirwana“ gehört, Vladimir Potanin, der zentralen Figur im russischen Nickelgeschäft – das für die europäische Wirtschaft so unersetzbar ist, dass weder Potanin selbst noch die Nickelexporte bisher sanktioniert sind. Die „Plvs Vltra“ daneben, deren Wert bei 110 Millionen Dollar liegen soll, wird Andrei Goncharenko zugerechnet, dem Chef der fürs Gasnetz zuständigen Gazprom-Tochter.

Einigen Oligarchen aber sind selbst die Liegeplätze in der Türkei oder Dubai offenbar zu heikel geworden. So verkauften mehrere von Ihnen, obwohl sie im vergangenen Frühjahr zunächst davongekommen waren, ihre Luxusschiffe. Etwa der Stahlunternehmer Dmitry Pumpyansky, der seine Yacht namens „My Axioma“ im September abstieß. Erst im Juli dieses Jahres folgte der ehemalige Vize-Wirtschaftsminister Vladimir Strzhalkovsky, dessen Yacht „Ragnar“ seither den Namen „Q“ trägt. Nicht im Bild ist die weiter nördlich vor Dubai liegende Yacht „Hermitage“ des Stahlrohrunternehmers Anatoly Sedykh.

Andere haben sich gleich in russische Gewässer zurückgezogen, auch wenn sie dort auf viele Annehmlichkeiten von der türkischen Riviera verzichten müssen. So liegt die Yacht „Rahil“ im Hafen des Örtchens Adler, einige Kilometer östlich von Sochi am Schwarzen Meer. Die „Rahil“ gehört Boris Rotenberg, der mit seinem Bruder Arkadi durch die Konstruktion von Gasleitungen und Unternehmenskäufen in der Chemiebranche reich geworden ist.

Am weitesten abseits der üblichen Routen wurde zuletzt das Schiff des ehemaligen TUI-Anteilseigners Alexei Mordaschow registriert: Mit seiner Yacht „Nord“ machte er im August in Petropawlowsk, der Hauptstadt der Halbinsel Kamtschatka im Nordpazifik fest. Die Yacht ist mit einem Wert von rund 500 Millionen Dollar eine der größten und teuersten überhaupt.

Manch ein Oligarch aber scheint sich inzwischen vor weiteren Sanktionen in Sicherheit zu wiegen. So sind einige Yachten bereits wieder in EU-Gewässern unterwegs. Etwa die Yacht „Anna“ von Dmitry Ryobolovlev.


Das große Schiff ankert vor der kleinen Insel Skorpios an der griechischen Adriaküste, nicht zu erkennen sind die beiden Versorgungsboote der 250-Millionen-Dollar Yacht, die sich laut Ortungsdaten regelmäßig in der Nähe des Schiffs bewegen. Warum Rybolovlev, der sowohl die russische als auch die zypriotische Staatsbürgerschaft innehat, ausgerechnet hier seinen Sommer verbringt, ist leicht erklärt: Ihm gehört nicht nur das Schiff, sondern auch die gesamte Insel – ebenso wie der Fußballclub AS Monaco. Auch die Yacht „A“, ein monströser Dreimaster aus der deutschen Reederei Nobiskrug, hat im August in der Adria festgemacht. Das Schiff, das zuletzt vor Triest lag, gehört Andrei Melnichenko, der die Mehrheit am Düngemittelhersteller Eurochem und am Kohle- und Stromkonzern Suek hält. In gänzlich bekannten Gewässern bewegt sich derweil die Yacht „Siniar“, die zuletzt von Saint Tropez nach Genua fuhr. Sie wird dem Geschäftsmann Radik Shaimiev aus der Region Tatarstan zugerechnet.

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Auch die Yacht „Blade“ des Finanzinvestors Oleg Wiktorowitsch Boyko war in diesem Sommer zwischen Monaco und Antibes unterwegs. Der ganz normale Superreichen-Alltag, er ist für viele russische Milliardäre schon wieder deutlich näher, als die westlichen Regierungen es eigentlich zulassen wollten. 

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