Wirtschaft von oben #247 – Solarenergie Hier erlebt schwimmende Solarkraft ihre Blüte

Quelle: LiveEO/Google Earth

Solarkraftwerke auf dem Wasser werden immer größer und zahlreicher. Die Technik kann einen beträchtlichen Teil des weltweiten Energiebedarfs decken. Exklusive Satellitenbilder zeigen, wie die größten Projekte weltweit vorangehen. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Als Bauarbeiter in den 1980er-Jahren auf der indonesischen Insel Java den Fluss Citarum zu einem See aufstauten, verloren tausende Familien ihre Heimat: 56.000 Menschen mussten für den Cirata-Damm ihre Dörfer verlassen und umziehen. Ein harter Preis für mehr elektrischen Strom aus Wasserkraft.

Vergangenen November hat der Stausee noch einmal fast ein Fünftel an elektrischer Leistung hinzubekommen – und diesmal musste kein Mensch dafür sein Haus aufgeben. Denn statt neuer Wasserturbinen hat der Stausee eine andere erneuerbare Energiequelle erhalten: Solarmodule, die auf dem Wasser schwimmen.

Das schwimmende Solarkraftwerk in Westjava ist mit 192 Megawatt Spitzenleistung jetzt schon das größte in Südostasien. Es versorgt 50.000 Haushalte mit Strom und verhindert jährlich 214.000 Tonnen an CO2-Emissionen. Und wenn es nach dem Entwickler Abu Dhabi Future Energy Company geht, soll es noch einmal um 500 Megawatt ausgebaut werden.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus, LiveEO/SPOT

Platz für den Ausbau gibt es genug: Aktuell belegt die Fotovoltaik-Anlage nur 250 Hektar des 6200 Hektar großen Sees. 129 Millionen US-Dollar hat die erste Ausbaustufe gekostet. Der Strom aus dem schwimmenden Kraftwerk kostet rund 0,058 Dollar pro Kilowattstunde, knapp sechs Cent also.

In voller Ausbaustufe könnte das Cirata-Solarkraftwerk die größte schwimmende Solaranlage der Welt werden. Es sei denn, andere Projekte werden schneller fertig.

So beginnt Südkorea dieses Jahr mit dem Bau einer ähnlichen Anlage an der Küste zum Gelben Meer – Investition: 3,9 Milliarden Dollar –, die mit 2,1 Gigawatt Leistung aufwarten soll. Das hat das Format eines größeren Atomkraftwerks.

In Sri Lanka wiederum plant das australische Energieunternehmen United Solar Group eine 700 Megawatt große Anlage samt einem riesigen Batteriespeicher, die 1,72 Milliarden Dollar kosten soll.

Riesiges Potenzial

Fotovoltaik auf dem Wasser gab es jahrelang nur als Forschungsprojekt oder in Form kleiner Pilotkraftwerke. Doch die Technik ist reif für den Großeinsatz – und weltweit häufen sich die Ankündigungen für schwimmende Kraftwerke, die ganze Städte versorgen können. Forscher der Australian National University haben berechnet, dass allein in den Gewässern von Indonesien 35.000 Terawattstunden an Solarstrom erzeugt werden könnten – mehr als die heutige weltweite Stromproduktion mit 30.000 Terawattstunden.

Laut dem Branchenverband Solar Power Europe wuchs die weltweit installierte Solarleistung auf dem Wasser von 1,89 Gigawatt im Jahr 2019 auf 5,7 Gigawatt im Jahr 2022.

Die Technik ist zwar noch etwas aufwendiger als Freiflächenanlagen an Land. Doch sie hat ihre Vorteile: Schwimmende Paneele nehmen weder Landwirten Ackerland weg, noch blockieren sie in dicht besiedelten Gebieten wertvolles Bauland.

Lesen Sie auch: Hier braut sich das nächste Energieproblem für Europa zusammen

An Staudämmen wie in Indonesien können die Solarkraftwerke mitunter bestehende Stromleitungen nutzen und die Wasserkraft ergänzen. Obendrein kühlt das Wasser die Solarzellen, wodurch sie mitunter effizienter werden und mehr Strom erzeugen.

Auf dem Hapcheon-Staudamm in Südkorea ist schon seit dem Jahr 2021 ein Solarkraftwerk im Einsatz, das aus dem Weltall ganz besonders aussieht.


Eine Studie in der Fachzeitschrift Renewable Energy kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass allein China 863 Gigawatt an schwimmenden Solaranlagen bauen kann. Zum Vergleich: Ende 2022 hatte China rund 390 Gigawatt an Solarenergie am Netz.

Eine Studie im Magazin Nature Sustainability hat sich das weltweite Potenzial angeschaut und geht noch weiter: Würde man 115.000 Wasser-Reservoirs zu 30 Prozent für die Solarenergie nutzen, ließen sich damit 9434 Terawattstunden an Strom erzeugen – das entspricht mehr als dem Doppelten des Stromverbrauchs der USA. Obendrein würden die Paneele genug Wasser am Verdunsten hindern, um damit 300 Millionen Menschen zu versorgen.

In Europa sind die ersten schwimmenden Anlagen noch etwas kleiner dimensioniert als in Asien. So hat der Energieanbieter Q Energy im September in der französischen Region Haute-Marne mit dem Bau des größten schwimmenden Solarkraftwerks in Europa begonnen. Die Anlage, die auf gefluteten ehemaligen Kiesgruben entsteht, hat eine geplante Kapazität von 74,3 Megawatt.  

In Deutschland begrenzen strenge Regeln den Ausbau

Dazu befestigen Arbeiter 134.649 Solarmodule auf Schwimmkörpern, die zu sechs Inseln zusammengeführt werden. Anker am Grund und am Ufer sollen das Kraftwerk an seiner vorgesehenen Stelle halten. 37.000 Menschen soll die Anlage mit Strom versorgen, wenn sie im ersten Quartal 2025 ans Netz geht.

Im österreichischen Grafenwörth ist heute schon eine kleinere Anlage in Betrieb, die 7500 Haushalte mit Strom versorgen soll.


In Deutschland begrenzen strengere Regeln den Ausbau der schwimmenden Anlagen: Sie dürfen nur 15 Prozent der Fläche eines Sees bedecken und müssen mindestens 40 Meter Abstand zum Ufer einhalten. Dadurch sinkt die Zahl möglicher Standorte deutlich, wie etwa der Kraftwerkbauer Baywa Re beklagt.

Sind die Regeln zu streng oder sind sie nötig, um die Ökosysteme der Wasserreservoire zu schützen? Dazu könnten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE demnächst vielleicht wertvolle Daten liefern. Die Wissenschaftler haben Sensoren bei einer schwimmenden Fotovoltaik-Anlage in Leimersheim in Rheinland-Pfalz installiert, die den Gehalt im Wasser an Sauerstoff, Kohlendioxid, Nährstoffen und die Temperatur messen.

Die Studie soll zeigen, welcher Grad an Bedeckung einem Gewässer nicht schadet – und ob es womöglich sogar positive Wirkungen gibt, etwa einen Kühlungseffekt im Sommer. Da die meisten Anlagen erst seit in den letzten Jahren gebaut wurden, gibt es noch kaum Langzeitmessungen über mögliche Umweltauswirkungen. 

In China ist schon seit fünf Jahren eine Anlage am Netz, die zu den größten weltweit gehört. Auch aus dem Weltall betrachtet macht das schwimmende Kraftwerk einigen Eindruck:

Bilder: LiveEO/Google Earth/Maxar

Andere Unternehmen wagen sich noch weiter hinaus – aufs offene Meer. So arbeiten etwa die niederländischen Start-ups Oceans of Energy und SolarDuck an schwimmenden Solaranlagen, die auch auf offener See bei Wind und Wellen Energie erzeugen. 

Die Herausforderungen auf offener See sind erheblich – schließlich müssen die Anlagen sogar Orkanen trotzen. Zwölf Kilometer vor der Küste in der Nordsee hat eine Testanlage von Oceans of Energy schon zehn Meter hohe Wellen und Windböen mit 141 Kilometern pro Stunde überstanden.

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