Wirtschaft von oben #248 – Harz Diese Bilder zeigen den Harzinfarkt Deutschlands

Quelle: LiveEO/SPOT

Der Borkenkäfer ist fast unsichtbar – was er im Harz anrichtet, ist umso auffälliger, wie Satellitenbilder eindrucksvoll belegen. Doch dass er vom natürlichen Antagonisten zum Verwüster wurde, hat einen Grund: den Klimawandel. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Brockenbahn hinauf zum höchsten Punkt des Harzes schlängelt sich durch totes Holz. Wie Mikado-Stäbchen liegen die Bäume kreuz und quer am Rand von Gleisen und Wegen, zeigt ein Blick von oben.

Das Ausmaß des Waldsterbens in dem Mittelgebirge ist riesig. Ein Grund ist die seit 2018 – mit wenigen Ausnahmen – bestehende Trockenheit. Haupttäter aber ist der Borkenkäfer. Vier von fünf Fichten im Harz sind geschädigt oder abgestorben, seit er wütet. Der Klimawandel begünstigt seine Verbreitung, denn der Käfer bevorzugt warme Temperaturen. Einmal betroffene Forste können in kürzester Zeit zusammenbrechen, wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO und eine Datenanalyse in Zusammenarbeit mit der WirtschaftsWoche eindrucksvoll belegen.

Der Gipfel des Brocken liegt auf 1141 Metern, über der Baumgrenze. Die Vegetation ringsherum ist auf dem Satellitenbild von 2019 bereits angeschlagen. Auf den Aufnahmen liegt eine Heatmap, die Daten über die Vegetation am Rande intakter Waldbestände visualisiert: je niedriger der Wert, desto blauer die Darstellung und desto schwächer die Vegetation.


Im Herbst 2022 brannte es am Brocken lichterloh. Totholz am Wegesrand und in unmittelbarer Nähe der Bahnlinie stand in Flammen. Die Feuerwehr hatte Mühe, vorzudringen. An den bekannten Brandschwerpunkten im Nationalparkgebiet entlang der Bahnstrecke wurden deshalb Rauchsensoren installiert. Das Totholz muss nun zumindest so weit weggeschafft werden, dass es Zufahrten und Gleise nicht versperren kann.

Räumen oder liegen lassen – der Umgang mit dem Totholz wird von Gegend zu Gegend unterschiedlich gehandhabt. Grundsätzlich fungiere das Totholz nicht als Brandbeschleuniger oder Brandauslöser, sondern als Brandschutz, sagt Roland Pietsch, Chef der Nationalparkverwaltung Harz. „Die Vegetation verjüngt sich, weil Gräser, krautige Pflanzen, Sträucher und junge Bäume dort Schatten, Wind- und Frostschutz erhalten und somit gesichert wachsen können. Das Wild geht dort ungern rein, um die jungen Pflanzen zu fressen.“

Bilder: LiveEO/SPOT

So sind auf den Satellitenbildern immer wieder mal Verschiebungen und eine Verbesserung der Vegetation in bestimmten Bereichen festzustellen. Philip Beckschäfer, Leiter der Abteilung Fernerkundung in der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt, sagt, scheinbare Widersprüchlichkeiten könnten dadurch entstehen, "dass die krautige Bodenvegetation vital und grün erscheint, sodass abgestorbene Fichtenbestände weniger deutlich zu erkennen sind".

Über den generellen Trend jedoch kann das nicht hinwegtäuschen. An den Rändern des Brocken sowie im Harz insgesamt seien sehr viele Bäume abgestorben, sagt Beckschäfer.

Bilder: LiveEO/SPOT

Das lässt sich in der Region rund um den Ottofelsen, der zu Wernigerode in Sachsen-Anhalt gehört, gut beobachten. 2017 scheint der Fichtenwald intakt zu sein. Doch im Verlauf der Jahre ändert sich das merklich. Das satte Grün schwindet, die blau markierten Gebiete in der Analyse, die für eine Verödung stehen, nehmen zu.

Große Teile der Fichtenbestände im Harz waren menschengemacht, gepflanzt in tieferen Ebenen, in denen der Baum normalerweise nicht vorkommt. Pietsch sagt, der Borkenkäfer sei „in der natürlichen Umgebung der Fichte ein normaler Antagonist. Er erfüllt dort seine wichtige Funktion im Ökosystem.“ In den Lagen, wo der Mensch die Fichte angesiedelt hat, hat der Borkenkäfer jedoch leichteres Spiel, fühlt sich aufgrund der wärmeren Temperaturen besonders wohl. Und durch den Klimawandel herrscht zunehmend auch in höheren Lagen warmes Wetter, was die Brutmöglichkeiten für das Insekt vergrößert.

Rund vier von fünf Fichten im Nationalpark sind abgestorben. Pietsch betont jedoch, dass daran nicht der Borkenkäfer allein schuld ist. „Ein erheblicher Teil ist einfach nur vertrocknet. Eine Fichte, die kein Wasser hat, kann kein Harz bilden und sich dann auch nicht mehr gegen Borkenkäfer wehren.“

Der Wald ist nicht nur Heimat für zahlreiche Tiere, er spielt auch eine Rolle für die Trinkwasserversorgung. Er speichert Kohlenstoff und trägt zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei. Zwar gibt es umfangreiche Versuche der Wiederaufforstung, noch aber ist keine Trendumkehr in Sicht.

Hier finden Sie alle Beiträge aus der Rubrik „Wirtschaft von oben“

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%