Eigentlich hätte Akio Toyoda Grund zum Jubeln. Im vergangenen Jahr verkaufte seine Toyota-Gruppe 11,2 Millionen Fahrzeuge, über sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Damit krönte sich Toyota das vierte Jahr hintereinander zum absatzstärksten Autohersteller der Welt. Mit beeindruckender Dominanz: Die zweitplatzierte VW-Gruppe setzte nur 9,2 Millionen Fahrzeuge ab, satte zwei Millionen weniger als der japanische Branchenführer.
Auch die jüngsten Geschäftszahlen glänzen mit Hochleistungen: Im Schlussquartal 2023 verdiente Toyota operativ umgerechnet 10,5 Milliarden Euro, rund die Hälfte mehr als beim bisherigen Höchstwert aus dem zweiten Kalenderquartal 2023. Im bis Ende März laufenden Geschäftsjahr soll der Betriebsgewinn ebenfalls rekordhohe 30,6 Milliarden Euro erreichen. Das entspricht einer operativen Marge von 11,3 Prozent, die Massenhersteller nur selten erzielen. An Einnahmen im Gesamtjahr erwartet Toyota nun 278 Milliarden Euro. Unterm Strich sollen 28 Milliarden Euro bleiben, rund sechs Milliarden Euro mehr als bei VW.
Doch trotz der starken Erfolgszahlen ist Akio Toyoda nicht nach Jubeln zumute. Mehrere Datenskandale werfen lange Schatten über die Gruppe und gefährden den Markenruf. Deshalb trat der oberste Firmenlenker vergangene Woche vor die Kameras und verbeugte sich fünf Sekunden lang im 45-Grad-Winkel. Mit dieser Geste entschuldigte sich der Enkel des Konzerngründers für die Fälschungen von Zertifizierungstests bei drei Unternehmen der Toyota-Gruppe.
Fall eins: Die Kleinwagen-Tochter Daihatsu hat bei insgesamt 64 Modellen die Daten von gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitstests manipuliert, seit dem Jahreswechsel stehen deswegen die Bänder des Herstellers still. Fall zwei: Ende Januar kam heraus, dass Toyota Industries, der Nachfolger des allerersten Unternehmens der heutigen Gruppe, bei Tests von Dieselmotoren für Toyota die Drehmomentwerte gefälscht hatte, betroffen war unter anderem der Bestseller Landcruiser. Fall drei: Schon 2022 hatte die Nutzfahrzeugtochter Hino enthüllt, dass sie bei der Datenerhebung für Emissionen und Kraftstoffverbrauch von Motoren betrogen hatte.
Etwas ist also faul im Staate Toyota. Aber dem Manager, der den Mutterkonzern Toyota von 2009 bis 2023 als Chief Executive Officer selbst steuerte und seit knapp einem Jahr dem Verwaltungsrat vorsteht, fehlen klare Vorstellungen davon, wie sich die schwere Krise überwinden lässt. „Wenn Sie mich fragen, an welche spezifische oder konkrete Aktivitäten ich denke – bisher gibt es keine“, gestand Konzernchef Toyoda verblüffend ehrlich.
Ein Lösungsplan für Toyota? Fehlanzeige
Er selbst habe drei Monate gebraucht, um sich einen Überblick über die Manipulationen zu verschaffen. „Der gemeinsame Faktor ist ein Fehlverhalten bei Tests für den Zertifizierungsprozess“, sagte Toyoda. Da es sich ganz offensichtlich um ein systemisches Versagen aufgrund mangelhafter Corporate Governance mit womöglich dramatischen Folgen für Qualität und Sicherheit zu handeln scheint, müsste der oberste Toyota-Manager eigentlich einen transparenten und überzeugenden Lösungsplan präsentieren – doch Fehlanzeige.
Vor und nach seiner Entschuldigungsverbeugung bekräftige Toyoda zwar mehrmals, dass er die Verantwortung für die Fehler der Gruppenunternehmen trage. „Ich selbst werde die Transformation leiten“, kündigte er an. Aber die angekündigte „Vision“ für die aus 17 Firmen bestehende Fahrzeuggruppe blieb der 67-Jährige schuldig. „Gemeinsam den Weg nach vorne finden“ – mehr als dieser vage Slogan fiel ihm nicht ein. Dafür will er persönlich an allen Hauptversammlungen der Gruppenfirmen teilnehmen, die extra zu diesem Zweck in diesem Jahr erstmals nicht mehr alle am selben, sondern an verschiedenen Tagen stattfinden.
Nach seinem Ziel gefragt, sagte Toyoda jedoch: „Es gibt kein Ziel.“ Einem Journalisten antwortete er: „Sie haben mich gefragt, was ich erreichen will und in welchem Zeitraum. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“ Die Details seiner „Vision“ will der Konzernchef erst im Verlauf dieses Monats nachreichen. Dabei weiß er längst, was schiefgelaufen ist. „Wir haben unsere wichtigen Werte und Prioritäten aus den Augen verloren, weil wir der Skalenexpansion den Vorrang gegeben haben“, erklärte Toyoda und erinnerte an die Krise von 2009/10. Damals übernahm er das Steuer von Toyota, als es zu millionenfachen Rückrufen in den USA kam, verursacht durch Qualitätseinbußen im Zuge der schnell gewachsenen Produktion.
Abkehr vom Prinzip „Gemba“
Seitdem predigte Toyoda die Rückkehr zu den Gründerprinzipien. Ein solches Prinzip lautet „Gemba“, den Ort der Produktion. Das Management soll sich persönlich regelmäßig in die Fabriken begeben, um mögliche Fehler aus erster Hand zu erfahren. Mit dem Slogan von „Everbetter Cars“ fokussierte Toyoda die Belegschaft auf die kontinuierliche Verbesserung der Fahrzeuge. Doch nun wiederholt sich das Geschehen von damals in anderer Form: Diesmal nahmen Gruppenunternehmen durch die Datenfälschungen Mängel bei der Produktion in Kauf, um die Stückzahlen stark zu erhöhen und offenbar zu anspruchsvolle Vorgaben für die Entwicklung von Motoren und Modellen zu erfüllen.
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Aufgrund der unklaren Struktur der Gruppe mit unterschiedlichen Kapitalbeteiligungen und dem gegenseitigen Austausch von Managern stemmten sich die Verantwortlichen nicht gegen eine rasche Expansion. „Die Leute (in Gruppenfirmen), die Aufträge von Toyota Motor erhalten oder Verträge damit haben, haben Schwierigkeiten, in gleichberechtigter Weise mit Toyota Motor zu sprechen“, meinte Toyoda vergangene Woche. „Wir haben also diese Art von verzerrter Beziehung.“ Dabei sollte die Konzernmutter eigentlich nicht auf die anderen Firmen herunterschauen und diese sollten nicht zu Toyota Motor aufschauen. „Schließlich haben wir die gleichen Wurzeln und sind zusammen großgeworden“, sagte Toyoda.
Bei seinem Auftritt blieb der Verwaltungsratschef auch eine Antwort auf den globalen Aufstieg des neuen Batterieautokönigs BYD schuldig, obwohl China als Folge der Elektrifizierung von Fahrzeugen im vergangenen Jahr erstmals mehr Autos als Japan exportierte, während die japanische Industrie technologisch zurückzufallen scheint. Auf die kritische Frage, warum er bei seinen Ausführungen über die „Vision“ die anstehende Dekarbonisierung mit keinem Wort erwähnt habe, wiederholte Toyoda das bekannte Mantra, dass Toyota dafür „mehrgleisig“ fahre, also verschiedene Regionen mit unterschiedlichen Antriebsmischungen bedienen will.
Verbrenner, Elektro, Brennstoffzelle: Antriebstechniken im Vergleich
Der vor allem in Deutschland populär gewordene Antrieb, 1892 von Rudolf Diesel zum Patent angemeldet, gilt als Jahrhundert-Erfindung. Er schuf eine Grundlage für den modernen Auto-, Schiffs- und Schienenverkehr.
Der Diesel heißt auch Selbstzünder, weil sich der unter hohem Druck in den Zylinder eingespritzte Kraftstoff von allein entflammt. Viele solcher Motoren sind daher im Vergleich zu Benzinern mit ähnlicher Leistung effizienter. Und ihr Verbrauch ist tendenziell geringer. Deshalb stoßen Diesel oft geringere Mengen des Klimagases Kohlendioxid (CO2) aus.
Dafür sind die Emissionen von Luftschadstoffen wie Stickoxiden (NOx) höher - ein Problem, das die Industrie durch moderne Katalysatoren-Technik eindämmen will. So verringert etwa die Beimischung des harnstoffhaltigen AdBlue den NOx-Anteil, es entstehen harmloser Stickstoff und Wasser.
Dies ist der klassische Benziner, der seinen Namen dem Co-Erfinder Nicolaus August Otto verdankt. Im Gegensatz zum Diesel benötigt er gesonderte Zündkerzen, durch die das zerstäubte Treibstoffgemisch zur Explosion gebracht wird.
Bei vergleichbarer Stärke haben insbesondere ältere Benziner einen geringeren Wirkungsgrad als der selbstzündende Diesel – also ein ungünstigeres Verhältnis zwischen am Ende nutzbarer und zuvor eingesetzter Energie. Moderne Varianten sind aber deutlich effizienter. Der Trend zum „downsizing“ brachte kleinere Hubräume in den Zylindern bei zugleich höherer Leistung.
Die (Super-)Kraftstoffe sind wie beim Diesel Gemische aus mehreren Kohlenwasserstoffen, die aus Erdöl durch Verarbeitung gewonnen werden. Ihre Zusammensetzung ist jedoch anders. Benziner-Typen, in denen die Verbrennung nicht so effizient läuft, haben tendenziell einen höheren CO2-Ausstoß.
Das Funktionsprinzip ist dasjenige der übrigen Verbrennungsmotoren, nur dass hier Luft und Erdgas – anstelle von Luft und flüssigem Sprit – im Zylinder gezündet werden. Die Gase reagieren dabei oft „sauberer“ und effizienter, so dass viele Gasmotoren eine gute Umweltbilanz aufweisen.
Einige Fahrzeuge laufen auch mit Autogas (LPG), manche können wahlweise mit Gas oder mit herkömmlichem Sprit fahren.
Er braucht keine flüssigen oder gasförmigen Treibstoffe, sondern erzeugt seine Antriebskraft aus einer mitgeführten Batterie. Die muss regelmäßig neu aufgeladen werden. Elektrische Energie wird hier also direkt in Bewegungsenergie umgewandelt.
Das Problem: Günstigere Batterien bringen heute noch keine großen Reichweiten. Und generell sind E-Autos bisher relativ teuer. Manche Hersteller wollen nun auch Modelle unterhalb der Oberklasse anbieten, die schon einige hundert Kilometer schaffen. Während es in Großstädten dichte Ladenetze gibt, ist die Abdeckung auf dem Land noch dünn.
Beim Elektromotor entstehen keine Emissionen, weil er keine Treibstoffe verbrennt. In der Ökobilanz ist aber zu beachten, dass auch die Art der Erzeugung des eingespeisten Stroms (erneuerbare oder fossile Quellen) sowie die Rohstoffe für Batterie und Motor (etwa Seltene Erden) berücksichtigt werden müssen.
Er kombiniert einen E-Antrieb, der meist im unteren Leistungsbereich läuft, mit einem Verbrenner, der sich zuschaltet.
Es gibt auch hier mehrere Formen. Manche Hybride gewinnen den Strom für den Elektromotor während des Fahrens – etwa durch die Nutzung der Energie, die beim Bremsen entsteht (Rekuperation). Beim Plug-in-Hybrid wird die Batterie wie bei einem reinen E-Fahrzeug per Stecker aufgeladen.
Er ist eine besonders einfache und zugleich umweltfreundliche Antriebsart. Grundprinzip ist meist die Verbrennung von Wasserstoff (H) mit Sauerstoff (O) zu Wasser – also das, was der Chemielehrer „Knallgas-Reaktion“ nennt. Im Brennstoffzellen-Auto läuft dies aber kontrolliert ab. Die erzeugte Energie treibt einen Elektromotor an.
Der Vorteil: Außer Wasserdampf, der ein natürliches Treibhausgas ist, kommt nichts aus dem Auspuff.
Nachteile: Die Technik ist bisher recht teuer. Und wie beim E-Auto muss man sich die gesamte Energiebilanz ansehen. Reinen Wasserstoff gibt es auf der Erde wenig, man muss ihn erst – oft durch starke Energiezufuhr von außen – aus Verbindungen lösen. Dabei kann dann CO2 entstehen. Es gibt jedoch auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge, die mit dem einfachen Alkohol Methanol fahren. Ein Problem ist das noch dünne Tankstellen-Netz.
Zwar hat sich seine Zurückhaltung beim Batterieauto bisher ausgezahlt. Die Japaner bleiben Weltmarktführer im Gesamtabsatz, weit vor den Elektroautoriesen BYD und Tesla, weil viele potenzielle Kunden lieber einen Hybrid- als einen reinen Akkuantrieb wählen. Jeder dritte verkaufte Toyota hat einen kombinierten Elektro-Otto-Motor unter der Haube, aber weniger als jeder hundertste wird nur von Batterien angetrieben. Hybridpionier Toyota profitiert davon, dass die Subventionen für Batterieautos sinken, die Verbraucher an Reichweitenangst leiden und die teuren Elektroautos einen geringeren Wiederverkaufswert als Verbrenner haben.
Toyoda, schon immer ein Akku-Skeptiker, sagte im Januar der konzerneigenen Informationsplattform „Toyota Times“, dass Batterieautos nur auf einen Weltmarktanteil von höchstens 30 Prozent kommen würden, den Rest würden sich Hybrid-, Brennstoffzellen- und Verbrennerfahrzeuge teilen. Diese Aufteilung entspricht ungefähr den eigenen Plänen für 2030, wenn Toyota 3,5 Millionen reine Elektroautos herstellen will.
Seine Prognose könnte sich durchaus als richtig erweisen. Aber sie birgt auch das Risiko, bei einem plötzlichen Nachfrageschub auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. „Wenn sich die Akzeptanz von Elektroautos bei den Verbrauchern beschleunigt, kann es sein, dass Toyota nicht genügend wettbewerbsfähige Lösungen fertig hat“, warnte Analystin Stephanie Brinley von S&P Global Mobility. Ein weiterer Grund für Toyoda, seinem Konzern auch auf diesem Feld eine deutlichere Richtung vorzugeben.
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