Titan, so soll Apples geheimes Autoprojekt geheißen haben. Wie das mächtige Göttergeschlecht aus der griechischen Mythologie, jene Riesen mit übermenschlichen Fähigkeiten. Genauso übermenschlich, dachten viele, würde das Auto sein, an dem Apple arbeitet: autonom unterwegs, mit blitzschnellen Reflexen in kniffligen Situationen, niemals müde.
Mit diesem Traum ist es nun offenbar vorbei. Apple, so berichtete zuerst die Nachrichtenagentur Bloomberg, soll sein Autoprojekt eingestellt haben. Stattdessen lenke der Konzern seine Energie nun auf Generative KI um – und die Weiterentwicklung seiner Datenbrille Apple Vision Pro.
Es ist das Ende eines Forschungsprojekts, wie es sich nur wenige Unternehmen leisten können: Rund zehn Jahre hat der iPhone-Hersteller im Stillen an der Technologie gearbeitet, Beobachter schätzen, dass Apple dafür eine zweistellige Milliardensumme investiert hat. Mehrere tausend Mitarbeiter sollen an Projekt Titan gearbeitet haben, immer wieder hat Apple Top-Talente von Tech- und Autounternehmen abgeworben.
Nun zieht Apple den Zündschlüssel. Und setzt damit nicht nur den eigenen Auto-Ambitionen einen Dämpfer – sondern dem gesamten Feld des autonomen Fahrens. Sicher, vielleicht hat sich Apple auch einfach nur verzettelt. Vielleicht hat Apple viele gute betriebswirtschaftliche Gründe, das Projekt einzustellen – der E-Auto-Markt schwächelt, die Billigkonkurrenz aus China wird immer mächtiger, die Margen im Autogeschäft sind viel geringer als etwa bei Smartphones.
Wohl kein Konzern hatte so tiefe Taschen
Klar ist aber auch: Wohl kein Konzern hatte in der vergangenen Dekade so tiefe Taschen, konnte sich so viele Top-Ingenieure und Entwickler leisten wie Apple. Nach vielen Jahren geheimer Arbeit hat Apple jüngst zwar eine Datenbrille vorgestellt – aber dem autonomen Auto jetzt eine Absage erteilt.
Das dämpft die Erwartung, dass Tech-Konzerne mit ihrem Vorsprung bei künstlicher Intelligenz von heute auf morgen auch das Auto revolutionieren können. Zuletzt hatten schon Rückschläge wie ein Unfall in San Francisco die Vision vom selbstfahrenden Auto lädiert. Ein Roboter-Auto der GM-Tochter Cruise hatte eine Passantin meterweit auf der Straße mitgeschleift. Und obwohl Elon Musk schon für 2020 selbstfahrende Teslas versprochen hatte, ist von denen bis heute nichts zu sehen.
Sicher, die Entwicklung geht weiter: Die Alphabet-Tochter Waymo, Cruise, Zoox, Bing und andere arbeiten an Robo-Taxis und erproben sie in Städten. Deutsche Autokonzerne arbeiten unterdessen schrittweise an mehr und mehr autonomen Fahrfunktionen.
Doch die Apple-Entscheidung zeigt: Selbstfahrende Autos sind schwieriger zu entwickeln, als sich das viele in den vergangenen Jahren vorgestellt haben. Ein Konzern wie Apple, der Sicherheit zu einem seiner Werbeversprechen gemacht hat, wird vermutlich erst dann wieder über die Vermarktung der Technik ernsthaft nachdenken, wenn sie auf der Straße wirklich übermenschlich gut funktioniert – wie ein Titan.
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