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Quelle: imago images

Zu früh gezittert

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Die deutsche Autoindustrie hat sich wieder gefangen, gewinnt bei Image und Technologie gegenüber Tesla an Boden. Doch eine weiche Flanke bleibt. Eine Kolumne.

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Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben, spottete Mark Twain über voreilige Abgesänge. Der Spruch trifft zu auf die deutsche Autoindustrie, deren dramatisches Ende viele vor wenigen Jahren vorhersagten.

Ja, es gibt enorme Anpassungsschwierigkeiten, mancher Zulieferer scheint mit dem Tempo der politisch erzwungenen Wende zur E-Mobilität überfordert, wird nur noch von seiner schwäbischen Hausbank am Leben gehalten. Doch die Großen der Branche sind in der neuen Welt angekommen. Milliardengewinne aus dem noch lukrativen Verbrennergeschäft wurden investiert. Ingenieure und Fertigungstechniker zeigten, wie flexibel sie sein können, und nach den Entlassungswellen bei Google und Co. können sie sogar Softwareexperten anwerben.

Mit ihren attraktiven Modellen muss sich die Industrie technisch und beim Design nicht mehr hinter Tesla verstecken, im Gegenteil. Beim autonomen Fahren, das angeblich noch mehr Geld bringen soll als reine E-Mobilität, haben sie gute Karten, weil sie mit Lasersensoren auf die richtige Technologie setzen. Mercedes, nicht Tesla, bekam als erster Hersteller eine Zulassung für hochautomatisiertes Fahren.

Tesla hat zudem ein mehrfaches Imageproblem. Der genialwahnsinnige Gründer verschreckt mit Twitter-Eskapaden seine woke, ökologisch korrekte Stammklientel, zudem muss er enorme Rabatte geben. Wie sich ein über Jahrzehnte gehegtes Premiumimage auszahlt, beweist die Erfolgsstory von Börsenneuling Porsche. Das Momentum bei Technologie und an der Börse spricht für die deutschen Konzerne.

In der Vergangenheit wäre ein starker Newcomer wie Tesla einfach weggekauft worden – nur funktioniert dies heute nicht, weil die Disruption so gewaltig und Teslas einstiger Vorsprung so groß war, dass die Börsenbewertung von 415 Milliarden Euro, gegenüber 73 Milliarden von VW, eher für den gegenteiligen Fall spräche. Doch der Abstand schrumpft. Mehr Sorge als Musk bereitet deutschen Autobossen ihr wichtigster Markt.

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Wie viel China darf es sein? Womöglich können sie die Frage bald nicht mehr autonom beantworten: weil Peking politisch aus dem Ruder läuft oder weil die chinesische Konkurrenz mit ihren rollenden Spielesoftwarepaketen weiter an Boden gewinnt. Sich aus der Abhängigkeit von China zu befreien scheint so illusorisch, wie vor einem Jahr noch die Loslösung der deutschen Industrie vom russischen Gas – gerade deshalb sollte niemand die Anpassungsfähigkeit der Branche an neue Wettbewerbsparameter unterschätzen. Das gilt ebenso für Tesla unter Musk: Auch hier wären Todesnachrichten im Twain’schen Sinne verfrüht.

Lesen Sie auch: Wie Tesla die Konkurrenz in die Zange nimmt

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