Restwerte von E-Autos „Dann ist die Marge im Gebrauchtwagenmarkt nicht nur gering – die ist weg“

Sixt will künftig weniger E-Autos verleihen Quelle: imago images

Nach Hertz verbannt nun auch Sixt zunehmend E-Autos aus seinem Fuhrpark – zu stark drücken die sinkenden Restwerte das Ergebnis. Wie die derzeitige Preisschlacht das Geschäft von Autovermietern und Leasingfirmen bedroht.

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Der Autovermieter Sixt beklagt sich bei der Vorstellung seiner Geschäftszahlen über die schlechten Bedingungen für den Wiederverkauf von E-Autos. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr erneut einen Rekordumsatz eingefahren, aber wegen hoher Abschreibungen auf Elektroautos deutlich weniger Gewinn gemacht: Die sinkenden Restwerte für E-Autos hätten zu Verlusten bei Fahrzeugverkäufen geführt und das Ergebnis um rund 40 Millionen Euro gedrückt. Zudem habe Sixt viel Geld in Elektro-Marketingkampagnen und Ladesäulen investiert – das Kundeninteresse war aber relativ gering.

Das Unternehmen will seinen Stromer-Fuhrpark deshalb verkleinern – genauso wie Hertz, die den Schritt schon im Januar verkündeten. Hertz-Chef Stephen Scherr sagte dem Finanzdienst Bloomberg, es habe sich als schwieriger als erwartet herausgestellt, die höheren Kosten rund um den Betrieb von Elektroautos zu drücken. Autoexperte Stefan Bratzel dröselt auf, warum das Geschäft mit E-Auto-Flotten derzeit für miese Stimmung sorgt.

WirtschaftsWoche: Herr Bratzel, nach Hertz will auch Sixt seine E-Auto-Flotte reduzieren. Sixt beklagt vor allem die miserablen Bedingungen für den Wiederverkauf von E-Autos, in Deutschland seien die Preise für E-Autos im Laufe des vergangenen Jahres teils um mehr als 20 Prozent gefallen. Wie groß ist das Risiko des Wiederverkaufswerts für Mietwagenfirmen?
Stefan Bratzel: Die Elektromobilität befindet sich in einer kritischen Übergangsphase, gerade in Deutschland. Die Autos reifen technisch sehr schnell, insofern finden große Preissprünge statt. In der Folge gibt es Preisturbulenzen. Ausgelöst hat die Rabattschlacht zum großen Teil Tesla, doch inzwischen hat die gesamte Branche eingestimmt: Wenn der Marktführer die Preise stark senkt, müssen die Wettbewerber mitziehen. Und das führt dazu, dass die Restwerte stark unter Druck stehen. Das trifft insbesondere Mietwagen- und Leasingfirmen, die den Restwert als Risiko tragen. Denn die Wiedervermarktung der eingekauften Autos ist Teil des Geschäftsmodells.

Prof. Dr. Stefan Bratzel leitet das Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach. Quelle: PR

Zur Person

Wie stark kann dieses Risiko ins Kontor schlagen?
Sehr stark. Die Mietwagenfirmen kaufen die Fahrzeuge schließlich in großen Mengen ein und bekommen entsprechende Rabatte von den Autobauern. Und viele große Mietwagenfirmen übernehmen, wie ich eben sagte, die Wiedervermarktung, nachdem die Autos im Mietwagengeschäft zum Beispiel ein Jahr lang im Einsatz waren. Dieses Geschäft kalkulieren die Unternehmen genau: Für wie viel Geld kann ich den Gebrauchtwagen ein Jahr später vermarkten, welche Restwerte werde ich aufrufen können? Der Durchschnittswert eines E-Autos in Deutschland beträgt 52.000 Euro. Und wenn jetzt 15 bis 20 Prozent Rabatt gegeben werden, beträgt der Restwert beispielsweise nicht mehr 70 Prozent wie angenommen, sondern vielleicht nur noch 60 Prozent. Wenn man sich nur um 10 Prozent vertut, handelt sich das um Tausende Euro – da ist die Marge im Gebrauchtwagenmarkt nicht nur gering, die ist weg. Und wenn es keine Marge mehr gibt, betrübt das die Mietwagen- und Leasingfirmen natürlich sehr.

In Folge stoßen die Firmen E-Autos ab. Über Verleih und Leasing werden aber auch potenzielle Käufer ans E-Auto herangeführt – der Vorgang schadet also dem Hochlauf der E-Mobilität.
Ja, das ist eine ungünstige Situation. Gewerbliche Kunden spielen generell eine tragende Rolle beim Markthochlauf. Knapp zwei Drittel der Neuwagen werden von gewerblichen Kunden gekauft. Die gehen dann wieder in den Gebrauchtwagenhandel über und führen zu günstigeren Preisen. Dieser Prozess ist hoch relevant, um breitere Käuferschichten an E-Autos heranzuführen, um die Preise attraktiver zu machen. Die Frage ist nun: Wer ist bereit, das Restwertrisiko der Flotten längerfristig zu übernehmen? Ich glaube, das muss in dieser Übergangsphase der Autobauer selbst sein. Sonst gerät der Markthochlauf ins Stocken, weil sonst viele Unternehmen das Restwertrisiko für einen großen Fuhrpark einfach nicht tragen können. Wenn eine Mietwagenfirma 1000 Fahrzeuge im Jahr kauft und ein Restwertrisiko zusätzlich von 5000 Euro pro Auto hat, kann man ausrechnen, was das bedeutet. Das machen die Unternehmen nicht mit.

Tesla hat die Preisschlacht angestoßen. Sind die Hersteller mittlerweile gleichauf?
Nach dem Wegfall der Kaufprämie durch die Bundesregierung haben fast alle Hersteller Rabatte gegeben, knapp in der Höhe der vorherigen Kaufprämie – nicht nur Tesla. Auch chinesische Hersteller haben gelernt, dass sie ihre Autos ohne deutliche Preissenkungen nicht loswerden. Da gibt es häufig riesige Rabatte, teilweise in Höhe von Zehntausend und mehr Euro. Wir liegen derzeit bei E-Autos bei einem Rabattniveau von 18 bis 20 Prozent im Vergleich zum Listenpreis. Natürlich sind die Preisturbulenzen aus Sicht von Sixt oder Hertz sehr ungünstig, aber das Preisniveau der E-Fahrzeuge ist immer noch deutlich zu hoch. Um die E-Mobilität nach vorne zu bringen, müssen die Preise sinken. Aber das muss kalkulierbar sein und darf nicht durch Rabattschlachten passieren. Ein weiteres Problem: Nur wenige Hersteller verdienen mit dem derzeitigen Preisniveau der E-Fahrzeuge gutes Geld, das sind vor allem Tesla und BYD. Jetzt ist deshalb die große Herausforderung, entlang der Wertschöpfungskette der Elektromobilität, die Kosten zu reduzieren.

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Mit welchen Problemen kämpfen Anbieter wie Sixt und Hertz noch, wenn es um E-Autos geht?
Auch bei Themen wie Ladeinfrastruktur oder Reparaturen ist einiges schwieriger. Letztere sind oft teurer im Vergleich zu konventionellen Antrieben, gerade wenn die Batterie geschädigt ist. Wir stellen fest, dass Werkstätten bei der Reparatur von E-Autos gerade bei größeren Schäden kein Risiko eingehen wollen, in der Regel sind auch Hochvolt-Spezialisten involviert mit hohen Stundenverrechnungsätzen. Das kann dazu führen, dass die Fahrzeuge länger in den Werkstätten stehen. Dieser Prozess hat sich noch nicht vernünftig eingespielt. Und: Bei Unfällen ist es oft schwierig, einen Spezialisten zu finden, der das Auto freigibt. Auch dieses Risiko will niemand gerne übernehmen.

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