„Sorge, dass jemand zu Tode kommt“ Ungewöhnlich viele Arbeits- und Umweltunfälle bei Tesla in Grünheide

Ein Mitarbeiter der Tesla Gigafactory Berlin Brandenburg arbeitet an einer Fertigungslinie eines Elektrofahrzeuges vom Typ Model Y. Quelle: dpa

In Teslas deutscher Fabrik gibt es offenbar Probleme. Aus Behördendokumenten geht hervor, dass in Grünheide Arbeitsunfälle geradezu auf der Tagesordnung stehen. Auch Umweltschäden häufen sich offenbar.

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Verletzungen durch Salzsäure, herabfallende Holzkisten oder heißes Aluminium: Wer bei Tesla in Grünheide arbeitet, scheint einen unerwartet gefährlichen Job erwischt zu haben. Alleine zwischen Juni und November letzten Jahres soll es mindestens 190 meldepflichtige Unfälle bei Tesla gegeben haben, wie das Magazin „Stern“ berichtet. Außerdem mussten seit der Eröffnung vor eineinhalb Jahren ganze 247 Mal Rettungskräfte zur Fabrik ausrücken, wie das Magazin unter Berufung auf Dokumente der Rettungsstellen berichtet. Auf den Mitarbeiter gerechnet wären das dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise in Audis Werk in Ingolstadt.

Besonders angesichts der Häufigkeit und Schwere der Unfälle sagt der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze, dem „Stern“: „Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt.“ Und das offenbar nicht zu unrecht, denn aus den Berichten geht hervor, dass beispielweise einem Mitarbeiter eine 50 Kilogramm schwere Holzkiste aus mehreren Metern Höhe auf den Kopf fiel. Ein anderer brach mit seinem Fuß in einen Ofen voll heißem Aluminium ein. Sogar amputierte Gliedmaßen werden in den Aufzeichnungen der Rettungsdienste aufgelistet.

Auch die Umwelt ist in Gefahr

Doch damit nicht genug: Der US-Elektroautohersteller hat in seiner Fabrik bei Berlin seit der Eröffnung auch 26 Umwelt-Havarien gemeldet, wie aus Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt hervorgeht. Dazu zählen ausgelaufene Stoffe wie Lack, Diesel sowie Brände. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet. Tesla weist Bedenken zurück.

Der Autobauer räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem der Vorfälle habe es sich um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.

Der Leiter Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. „Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds“, sagte Pusch der dpa.

Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des „Sterns“ ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut „Stern“: „Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert.“

Verbrenner, Elektro, Brennstoffzelle: Antriebstechniken im Vergleich

Zu den Havarien zählen Austritte von 15.000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Nach Informationen des Landesumweltamtes wurden Lack und Aluminium fachgerecht oder ordnungsgemäß entsorgt. Bei Diesel sei der Boden in einem Fall ausgekoffert worden. Der „Stern“ berichtete überdies, nach einem Brand versickerten im September 2020 bis zu 300 Liter Löschwasser im Boden; in einer Tankstelle auf dem Gelände liefen 250 Liter Diesel im Mai 2023 aus. Das Landesumweltamt machte dazu keine Angaben.

Die Havarie vom April 2022 in der Lackiererei mit 15.000 Liter Farbmischung war bereits bekannt. Die untere Wasserbehörde des Landkreises Oder-Spree ordnete die Flüssigkeit damals als schwach wassergefährdend ein, sie sei nicht ins Grundwasser gelangt. Der Wasserverband Strausberg-Erkner sprach aber von einem Störfall.

Tesla Grünheide: Acht Brände seit März 2022

Seit März 2022 gab es zudem acht Brände. In einem Fall wurde laut Landesumweltamt ein Brand auf einem illegalen Abfallplatz im September 2022 durch eine geschredderte Batterie in einer Holztransportbox ausgelöst. Löschwasser sei aufgenommen, der betroffene unbefestigte Bereich ausgekoffert worden. Wenige Tage später gerieten dort Pappe und Holz in Brand. Löschwasser sei versickert, die Bodenproben seien aber unauffällig gewesen.

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Tesla stellt seit März 2022 in Grünheide Elektroautos her. Umwelt- und Naturschützer sehen Gefahren, weil ein Teil der Fabrik in einem Wasserschutzgebiet liegt. Tesla hat Bedenken zurückgewiesen. In der Fabrik in Grünheide arbeiten nach jüngsten Angaben des Unternehmens rund 11.000 Mitarbeiter, die hochgerechnet etwa 250.000 Fahrzeuge im Jahr herstellen. Tesla will das Werk ausbauen.

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