Studie zu Car2Go Warum Carsharing der Umwelt nicht hilft

Car2Go ist ein Dienst des Automobilbauers Daimler. Quelle: REUTERS

Carsharing ist eine umweltbewusste Alternative zum eigenen Fahrzeug – oder? Eine Studie zeigt, dass es keinen Unterschied macht, ob man Autos teilt oder ein eigenes besitzt.

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Die Idee hinter Carsharing klingt vielversprechend: Mehrere Menschen teilen sich in deutschen Großstädten Autos, statt ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Die Autos können überall abgestellt werden und ein freies findet man schnell per App auf dem Handy. Durch die gemeinsame Nutzung der Fahrzeuge soll der Verkehr entlastet werden, was wiederum der Umwelt zugute käme. Umso ernüchternder die Erkenntnis: Gerade das schafft Carsharing nicht. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Öko-Instituts in Freiburg und des Instituts für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt.

„Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sind die Veränderungen am Verkehrsaufkommen durch ‚Free-Floating-Carsharing‘ verschwindend gering“, berichtet Studienautorin Friederike Hülsmann vom Öko-Institut. „Weil sich der Pkw-Anteil nicht merklich verändert hat, kann man keine positiven Auswirkungen von Carsharing auf die Umwelt feststellen.“ Der Begriff „Free-Floating-Carsharing“ meint, dass die Autos flexibel fast überall abgestellt werden können, anstatt immer zu festen Ausleih- und Abholpunkten gebracht zu werden. Hülsmann und ihre Kollegen haben über mehrere Jahre in Stuttgart, Frankfurt und Köln die Auswirkungen dieses stationsunabhängigen Carsharings untersucht. Als Beispiel diente den Forschern Car2Go, der größte deutsche Carsharing-Anbieter mit über 950.000 Kunden.

Warum funktioniert Carsharing nicht so, wie es soll?

Die Anbieter von flexiblem Carsharing wie Car2Go, einem Dienst des Automobilbauers Daimler, seien laut der Untersuchung nicht schuld an dem ernüchternden Ergebnis der Studie. Das größte Problem ist, dass sich die Carsharing-Nutzer in den Städten offenbar noch nicht ausschließlich auf die Autos von Car2Go verlassen. Denn viele kauften sich im Laufe der Untersuchung ein eigenes Auto. Je nach Untersuchungsregion stieg der Pkw-Anteil sogar um bis zu 15 Prozent an.

Zur Studie des Öko-Instituts

Gerade diesen Anstieg soll Carsharing eigentlich verhindern. Dass das nicht gelingt, liegt auch an der Zielgruppe von Car2Go. „Ein Großteil der Kunden dieses Anbieters gehört zur jungen Generation und würde gerne ein eigenes Auto besitzen. Allerdings ist das oftmals zu kostspielig. Wenn diese Kunden dann beispielsweise von der Ausbildung oder dem Studium in den Beruf starten, schaffen sie sich ein Auto an“, erläutert Hülsmann. Vielen Nutzern diene Carsharing nur als Übergangslösung. Der Umwelt hilft Carsharing allerdings nur, wenn es eine dauerhafte Alternative zum eigenen Auto darstellt.
Stuttgart ist die einzige deutsche Stadt, in der Car2Go ausschließlich Elektroautos vermietet. Andernorts haben die meisten Autos Verbrennungsmotoren. Wenigstens in Stuttgart sollten theoretisch weniger Treibhausgase in die Luft gelangen. Doch das klappt auch hier nicht. „Die E-Autos nutzen der Umwelt nur sehr wenig, wenn die Kunden es nicht schaffen, auf das eigene Auto zu verzichten, obwohl sie Carsharing-Kunden sind“, sagt Hülsmann.

An Potential mangelt es nicht

Auch wenn Carsharing der Umwelt noch nicht hilft, Potential hat das Konzept dennoch. „Das wird bislang nur noch nicht richtig genutzt. Wir sehen die Politik in der Pflicht: Wenn die Nutzung des privaten Pkw teurer würde, würde das Carsharing deutlich attraktiver“, glaubt Hülsmann.
Gleichzeitig müsse Carsharing weiter gefördert werden, damit es interessanter wird. „Ein sinnvoller Ansatz wäre beispielweise, den Preis für öffentliche Parkflächen anzupassen. Die Kosten für private Pkw sollten angehoben werden“, fordert Hülsmann. So könne man die Autofahrer zum dauerhaften Umsteigen auf ein Carsharing-Auto bringen.

Carsharing gilt als eine von vielen möglichen Säulen der Verkehrswende. Um das Teilen von Autos zu fördern, ist seit einem Jahr ein Gesetz in Kraft. Doch es gibt Hindernisse und viel Kritik.

Ein Grundstein dafür ist das „Carsharing-Gesetz“, das am 1. September 2017 in Kraft getreten ist. Durch das Gesetz haben Kommunen die Möglichkeit, Autos von Carsharing-Anbietern zu bevorzugen. Etwa durch Stellplätze am Straßenrand, auf denen nur Carsharing-Nutzer parken dürfen. Das müssten die Städte aber flächendeckend umsetzen, um wirklich etwas zu ändern. Laut der Studie bräuchte es zudem weitere Maßnahmen, wie die Förderung des Fuß- und Radverkehrs.

Was sagt Car2Go zu der ernüchternden Untersuchung?

Car2Go und andere Carsharing-Anbieter dürften über die Ergebnisse der Studie alles andere als erfreut sein. Car2Go kritisierte auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online, dass die Daten der Untersuchung veraltet seien, da diese hauptsächlich aus den Jahren 2013 bis 2015 stammen und die Untersuchung lediglich um zwei weitere Jahre verlängert wurde. Die Forscher könnten deshalb keine realistische Aussage über die heutige Wirkung von Carsharing treffen. „Der Carsharing-Markt verändert sich schnell und dynamisch“, so Car2Go.

Und hält mit einer anderen Studie dagegen. Die stammt vom Karlsruher Institut für Technologie und soll im kommenden Jahr erscheinen. Sie zeige, dass jedes Carsharing-Fahrzeug von Car2Go bis zu 15,8 Privatfahrzeuge ersetzt. „Carsharing ist ein wichtiger Teil der Lösung der Verkehrsprobleme von großen Städten“, betont Car2Go-Chef Olivier Reppert.

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