Das politische Manöver von Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist leicht durchschaubar. Mit dem Horrorszenario von Wochenend-Fahrverboten will er die Reform des Klimaschutzgesetzes beschleunigen. Denn diese Reform dürfte dazu führen, dass künftig nicht mehr jeder der Klimaschutzsektoren – zum Beispiel Energiewirtschaft, Industrie oder eben auch der von Wissing verantwortete Verkehrsbereich – für sich genommen die gesetzlich vorgeschriebenen Klimaschutzziele einhalten muss, sondern die Fortschritte in einem Bereich mit den Versäumnissen in anderen Bereichen verrechnet werden könnten.
Das wäre vor allem für Wissing wichtig, weil sein Verkehrssektor beim Klimaschutz bislang kläglich versagt hat. 2022 war der deutsche Verkehr für rund 148 Millionen Tonnen Treibhausgase verantwortlich und trug damit etwa 20 Prozent zu den Emissionen Deutschlands bei. Weil andere Sektoren ihre Emissionen viel stärker reduzierten, stieg der Anteil des Verkehrs an Deutschlands Gesamtausstoß seit 1990 um sieben Prozentpunkte. Deshalb wird jetzt die Zeit knapp: Um die Klimaziele für 2030 zu erreichen, müssten die Emissionen 14 Mal so schnell sinken wie bisher.
Kann das gehen? Es kann, wenn man will. Aber Wissing wollte und will nicht. Deshalb will er seinen Sektor nun möglichst schnell mit den Erfolgen aus anderen Bereichen schönrechnen.
Notausgang für Klimaschutzversager
Daran zeigt sich die Schwäche der geplanten Reform des Klimaschutzgesetzes. Sie nimmt von den Klimaschutzversagern den Druck, was dazu führen kann, dass sie einfach weitermachen wie bisher. In der Schule wäre es auch keine gute Idee, die schlechten Noten der Schwächsten mit denen der Top-Performer zu verrechnen, nur damit alle versetzt werden können.
Um bei den Schülern zu bleiben: Wissings Drohung mit den Wochenend-Fahrverboten kommt mir vor wie die trotzige Retourkutsche eines pubertären Siebtklässlers, dem die Eltern nahegelegt haben, mal etwas mehr Mathe zu lernen und dafür weniger Fußball zu spielen. „Na gut“, sagt der Teenager, „dann mache ich eben nie wieder Sport, sitze nur noch am Schreibtisch und werde ein dicker Streber.“
„Na gut“, sagt Wissing sinngemäß, „wenn ihr Klimaschutz im Verkehr wollt, dann verbieten wir eben das Autofahren am Wochenende.“ Dieses Niveau darf man einem Teenager nicht durchgehen lassen und einem Minister erst recht nicht.
Niemand braucht Fahrverbote
Für gesetzeskonformen Klimaschutz im Verkehr braucht es keine Fünftagewoche auf der Autobahn. Experten kennen Dutzende Maßnahmen, mit denen Wissing seit seinem Amtsantritt vor gut zwei Jahren den CO2-Ausstoß im Verkehr hätte so schnell senken können, dass er heute kaum ein Problem hätte – und mit denen er auch jetzt sofort reagieren könnte.
Man kann etwa den Verbrauch von Lkw mit recht einfachen Tricks um mindestens zehn Prozent drücken, selbst bei Pkw sind mit technischen Maßnahmen einige Prozent zu holen. Bei Firmenwagen und Flotten wäre mit den richtigen steuerlichen Anreizen, aber auch mit ganz banalen Maßnahmen wie Fahrerschulungen, noch viel mehr zu holen.
Auch eine CO2-optimierte Verkehrsplanung verspricht recht schnelle Erfolge. Ein Drittel der CO2-Menge, die Wissing kurzfristig einsparen muss, brächte ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen und 120 km/h auf der Autobahn. All diese Maßnahmen würden unterm Strich mehr Geld sparen, als sie kosten.
Das Wissen um solche Maßnahmen ist abrufbereit. Es bräuchte nicht viel mehr als eine kleine, unabhängige Expertenrunde, die in ein paar Wochen ein Sofortpaket ausarbeitet, und schon könnte es losgehen. Das sagen Menschen, die sich mit so was auskennen. Andere Menschen sagen: „Dann fahren wir eben gar nicht mehr Auto, ihr blöden Klimaschützer“.
Lesen Sie auch: Tempolimit 80 – wie eine Spedition die Lkw-Fahrer davon überzeugte
Dieser Beitrag entstammt dem WiWo-Newsletter Daily Punch. Der Newsletter liefert Ihnen den täglichen Kommentar aus der WiWo-Redaktion ins Postfach. Immer auf den Punkt, immer mit Punch. Außerdem im Punch: der Überblick über die fünf wichtigsten Themen des Tages. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.