Die Finanzkrise hat die deutschen Steuerzahler nach Regierungsdaten bislang 59 Milliarden Euro gekostet. Auf diese Zahl summierten sich die Kosten der öffentlichen Haushalte, das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf die Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen. In der Summe bis Ende 2017 seien Garantien, Kredite und Kapitalspritzen enthalten. Es ist das erste Mal, dass die Bundesregierung eine derartige zusammenhängende Auflistung herausgibt. „Die Bankenkrise ist noch nicht vorbei“, sagte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick der „SZ“. Er sprach von einer verheerenden Bilanz.
Schick zufolge hat eine vierköpfige Familie bislang „mehr als 3000 Euro für die Pleitebanken bezahlt“. Hinzu kämen indirekte Kosten wie Entlassungen und Konjunkturpakete, Probleme bei der Altersvorsorge, steigende Mieten und Mini-Zinsen für Sparer. Dabei seien indirekte Kosten, insbesondere die Folgen der Null-Zins-Politik, noch gar nicht berücksichtigt.
Da die Hilfen noch nicht abgeschlossen seien, könnten die Verluste dem Bericht der Grünen zufolge auf mehr als 68 Milliarden Euro steigen, weitere 13 Milliarden stehen noch im Risiko. Bei der Schätzung auf 68 Milliarden Euro handle es sich darüber hinaus um eine Untergrenze der direkten Kosten. Weitere Verluste seien laut den Grünen entstanden, könnten aber aufgrund fehlender Informationen nicht seriös abgeschätzt werden. Dazu zählen die Kosten für Garantien in Form schlechterer Bonität des Garantiegebers, Refinanzierungskosten für in Anspruch genommene Garantien, sowie Verluste, die der öffentlichen Hand durch Ausfall des Eigenkapitals entstanden sind. Auch die Stabilisierung der NordLB wird die Steuerzahler in den beteiligten Bundesländern noch etwas kosten.
Voraussichtliche Kosten der Bankenrettung in Deutschland in Millionen Euro
Bank | Haftungsträger während der Krise | Kosten | davon Zinskosten | ausstehende Risiken |
Sachsen LB | Sachsen | 1860 | 0 | 890 |
LBBW | Baden-Württemberg | 1308 | 545 | 0 |
LBBW | Stuttgart | 611 | 255 | 0 |
LBBW | Sparkassenverband Baden-Württemberg | 1308 | 545 | 0 |
WestLB | Finanzmarktstabilisierungsfonds | 2550 | 630 | 1000 |
WestLB | Nordrhein-Westfalen | 4511 | 184 | 4875 |
WestLB | Sparkassenverband Westfalen-Lippe | 497 | 2251 | |
WestLB | Rheinischer Sparkassen- und Giroverband | 497 | 2251 | |
WestLB | Landschaftsverbände | 238 | 52 | |
Bayern LB | Bayern | 9834 | 3168 | 0 |
Bayern LB | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -136 | 0 | |
HSH Nordbank* | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -324 | 0 | 0 |
HSH Nordbank* | Hamburg und Schleswig-Holstein | 10829 | 1081 | |
HSH Nordbank* | Sparkassenverband Schleswig-Holstein | 190 | 47 | 0 |
Commerzbank | Finanzmarktstabilisierungsfonds | 4562 | 2624 | 1680 |
HRE | Bund | -505 | ||
HRE | Finanzmarktstabilisierungsfonds | 21280 | 3884 | |
IKB** | Kreditanstalt für Wiederaufbau | 8100 | 0 | |
IKB** | Bund | 1200 | ||
IKB** | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -343 | ||
Aareal Bank | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -114 | 108 | 0 |
Corealcredit | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -7 | 0 | |
Düsseldorfer Hypothekenbank | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -88 | 0 | |
Sicherungseinrichtung der Banken | Finanzmarktstabilisierungsfonds | -216 | 0 | |
Gesamt | 67642 | 13071 | 12999 |
Die Kosten der Rekapitalisierung der Sparkassen wurden nicht berücksichtigt. Ohne Kapitalkosten beliefen sich diese auf 286 Mio €. Ebenso die Kosten für die offenbar anstehende Stabilisierung der NordLB von schätzungsweise €2-3 Mrd., da die genaue Vorgehensweise noch nicht feststeht.
* Bei der HSH Nordbank sind die Bedingungen des Verkaufs noch nicht berücksichtigt. Aus den Angaben der Bundesregierung geht hervor, dass die Garantie von 10 Mrd. aber voll beansprucht werden wird. Aus verschiedenen Zeitungsberichten geht hervor, dass für die Länder auch nach dem Verkauf noch weitere hohe Risiken bestehen. Eine Summe lässt sich hier aber nicht bestimmen.
** Aufgrund fehlender Angaben können für die IKB keine präzisen Kapitalkosten berechnet werden. Wenn man die oben genannten Kapitalbeschaffungskosten von 3,5% zugrunde legen würde, sind die Kosten wahrscheinlich noch höher als die vom BMF angegebenen € 9,3 Mrd.
Die Regierung hatte nach dem Ausbruch der Krise vor zehn Jahren zahlreiche Banken gestützt. Sie profitierte aber auch, konnte sich am Kapitalmarkt quasi zum Nulltarif Geld leihen. Brisant sind diese neuen Daten über die teure Bankenrettung vor allem auch deshalb, weil Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) derzeit wieder für deutsche Großbanken wirbt, um die Exportwirtschaft im Ausland zu finanzieren. „Statt Konsequenzen zu ziehen, sinniert ein sozialdemokratischer Finanzminister wieder über deutsche Großbanken“, kritisiert Finanzexperte Schick. Schick wirft CDU, CSU, SPD und FDP vor, dass sie kein Interesse daran hätten, die milliardenteure Krise ernsthaft aufzuarbeiten und entsprechende Konsequenzen für Regulierung und Aufsicht zu ziehen.
Er „sehe die dringende Notwendigkeit, stärker zivilgesellschaftlich zu arbeiten“, da es nach zehn Jahren Finanzkrise immer noch nicht gelungen sei, eine echte Wende am Finanzmarkt durchzusetzen. „Dieser verantwortungslosen Politik haben wir es zu verdanken, wenn wir beim nächsten Crash wieder mittendrin sind“, so Schick.
Die Lehman-Brothers-Pleite
Vor zehn Jahren, am 15. September 2008, ging die US-Bank Lehman Brothers pleite und vernichtete weitgehend 690 Milliarden US-Dollar an Firmenwert – ihr Untergang markierte den Anfang der gewaltigsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Zunächst hielt die deutsche Regierung die Folgen – für Deutschland und Europa – für beherrschbar.
Noch im September 2008 äußerte der damals amtierende Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Bundestag, dass er die Auswirkungen der Krise auf Deutschland für begrenzt halte und es keinen Anlass gebe, an der Stabilität des deutschen Finanzsektors zu zweifeln. Nur Wochen später sieht er sich jedoch zu einem dramatischen Auftritt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gezwungen: Um zu verhindern, dass die Deutschen in Panik ihre Konten räumen, erklären beide vor laufenden Kameras: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“
In Deutschland wird die Lage immer ungemütlicher: Während nahezu alle Volkswirtschaften auf dem Globus 2009 in eine Rezession stürzten und das junge Eurosystem ab 2010 an den Rand des Abgrundes geriet, musste auch der deutsche Staat 2009 bei der Commerzbank, dem Hypothekenfinanzierer HRE sowie bei verschiedenen Landesbanken und Sparkassen eingreifen und diese mit staatlichen Milliarden stützen.