Filialschließungen Deutsche Bank und Postbank fahren eine riskante Deutschland-Strategie

Seit Monaten lasten die Service-Probleme bei der Postbank auf der Deutschen Bank als deren Mutter. Quelle: dpa

Seit Monaten steht die Postbank in der Kritik, nun will die Tochter der Deutschen Bank auch noch fast die Hälfte der Filialen schließen. Das Vorhaben dürfte der Bank das nächste PR-Problem bescheren. Ein Kommentar.

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Claudio de Sanctis war sicherlich klar, dass 2023 eines seiner arbeitsreichsten Jahre werden würde: Schließlich ist er im Sommer in den Vorstand der Deutschen Bank eingezogen und seitdem sowohl für deren eigenes Privatkundengeschäft als auch für die Tochter Postbank zuständig. Allerdings dürfte er bei Amtsantritt noch nicht geahnt haben, dass ihm die Abarbeitung eines PR-Gaus bevorsteht: Über Monate haben sich die massiven Service-Probleme bei der Postbank in Folge einer IT-Umstellung immer weiter zugespitzt – so sehr, dass die Finanzaufsicht BaFin dem Institut jüngst einen Aufpasser geschickt hat. Und ein nun bekannt gewordenes Vorhaben von de Sanctis dürfte die Gemüter der verärgerten Postbank-Kunden wohl kaum beruhigen. Im Gegenteil.

De Sanctis will nämlich bis 2026 knapp die Hälfte der 550 Postbank-Filialen schließen. Zudem könnten auch weitere Deutsche-Bank-Zweigstellen dichtmachen. Stattdessen sollen die Kunden stärker die digitalen Angebote von Postbank und Deutscher Bank nutzen, in die investiert werden soll. In der britischen Wirtschaftszeitung „Financial Times“ spricht de Sanctis bereits davon, dass die Digital-Offerten seines Hauses „die besten im Markt“ werden sollen – an Ambitionen hat es der Deutschen Bank ja noch nie gemangelt.

Die Schließungen sind nur scheinbar folgerichtig

Auf den ersten Blick erscheint es auch logisch, Filialen zu schließen, weil zahlreiche Zweigstellen Verlust machen sollen. Der Konzern könnte also Geld sparen, indem er sie dichtmacht. Und das könnte helfen, die Ergebnisse der Privatkundensparte inklusive Postbank aufzubessern, die zuletzt zu wünschen übrigließen. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die Herangehensweise von de Sanctis dennoch falsch ist. Und Kunden vergrätzten könnte. 

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Durch die jüngsten Probleme bei der Postbank mussten diese gerade erst erleben, dass sie den Service-Versprechen des Instituts nicht richtig vertrauen können. Die Schließungspläne dürften dieses Vertrauen nun weiter beschädigen: Die Bank nimmt den Kunden perspektivisch Anlaufpunkte, an denen sich diese bisher Hilfe holen konnten, wenn die Callcenter mal wieder überlastet waren. Zumal auch schon viele Filialen mit dem Ansturm in Folge der Service-Probleme überfordert waren.

Die Kunden könnten sich gedrängt fühlen

Zudem entsteht der Eindruck, als drängte das Institut seinen Kunden die digitalen Angebote auf, weil das Geldhaus die Filialen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schließen möchten. Aber wer wird schon gerne zu etwas genötigt – vor allem von einem Geldhaus, das bloß Geld sparen will? Schon die Commerzbank hat im Zuge ihrer Anfang 2021 angestoßenen Sanierung die Erfahrung gemacht, dass die Kunden sich nicht so rasch digitalisieren, wie sich das Manager wünschen. Längst hat das Institut deshalb eingestanden, dass viele Zweigstellen zu rasch geschlossen worden sind. 

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Es wäre deshalb sinnvoller gewesen, wenn Vorstand de Sanctis in einem ersten Schritt die digitalen Angebote ausgebaut hätte. Erst in einem zweiten Schritt hätte das Institut über derart radikale Schließungspläne räsonieren sollen. Durch diese Vorgehensweise hätten die Kunden erleben können, dass die Ambition, zu den Besten gehören zu wollen, nicht bloß eine Phrase ist. Und sie hätten wieder Vertrauen fassen können in den Anspruch des Geldhauses, für die Kunden da zu sein.

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